Der letzte Zug nach Durango (DVD)
 
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Der letzte Zug nach Durango (DVD)

Rezension von Oliver Kotowski

 

Rezension:

Völlig abgerissen kommen die beiden Abenteurer Gringo und Lucas in Mexiko an – das mit dem Platin in Guatemala hatte sich als Irrtum herausgestellt. Jetzt soll es mit dem Zug nach Durango gehen, denn in Texas kann man einen schnellen Dollar im Ölgeschäft machen. Während Lucas die Fahrgäste beklaut, flirtet Gringo mit der französischen Journalistin Helen (und klaut ihr silbernes Zigarettenetui). Die beiden werden jedoch rüde von einer Bande mexikanischer Revolutionäre unterbrochen, die die Fahrgäste niederschießen und den Tresor mit dem amerikanischen Geld sowie Journalistin Helen rauben. Mit mehr Glück als Verstand überleben die zwei den Überfall. Beim Filzen der Leichen finden sie die Schlüssel für den Tresor – es wäre doch gelacht, wenn man nicht einen Anteil vom Inhalt bekommen (und die französische Schönheit retten) könnte. Zuerst gilt es etwas Geld aufzutreiben um ein paar Sympathisanten zu bestechen, damit sie das Versteck von General Lobo preisgeben.

 

Schon der erste Auftritt von Gringo und Lucas macht klar, um was für eine Art von Film es sich handeln wird: Die beiden Gauner, völlig verschwitzt und zerlumpt, reiten in der glühenden Sonne durch einen Cañon. Statt das Wasser zu trinken, lässt Gringo es sich über den Hintern kippen – er hatte in Guatemala eine Ladung Blei in denselben bekommen – und die leere Feldflasche wird weggeworfen. Dann kommt der Zug und treibt die beiden im wilden Galopp vor sich her.

Im Vordergrund stehen die pikaresken und persiflierenden Szenen – das von vornherein zum Scheitern verurteilte Guatemala-Abenteuer, das Blei im Allerwertesten, später kommen noch zahllose Leichen, übergroße Mexikanerhüte und fiesere Foltern hinzu – die allerdings in eine Abenteuergeschichte um den Gaunerschatz eingebunden sind. Oftmals sind die Szenen ambivalent: Sie können komisch oder ernsthaft wirken, je nach Haltung des Zuschauers, da die humorvollen Momente eher beiläufig verwendet werden. Dazu passt die absurde Liebesgeschichte. Sowohl Gringo, wie auch der naive Revolutionär Heraclio sind irgendwie in die schöne Helen verliebt oder vielleicht sind sie in die Vorstellung eine tragische Liebesbeziehung zur Französin zu unterhalten verliebt (obschon sie für derart abstrakte Vorstellungen selbst zu blöde sind), doch behandelt wird sie eher wie ein Beutestück – und im Zweifelsfall zählt das Geld oder die Ehre doch eindeutig mehr.

Dieses eigenwillige Tänzeln zwischen Western-Persiflage, Schelmenstück und Schatzjagd ist zudem rasant inszeniert. Kaum eine Szene wird zur Gänze ausgespielt, meist folgt ohne lange Überleitungen ein Plotpunkt auf den anderen – am Ende ist man überrascht, dass sich eine Geschichte mit so vielen Stationen und Wendungen in so kurzer Zeit erzählen lässt. Die Rasanz ist allerdings auch notwendig, denn es gibt doch einige Szenen, die kaum mehr plausibel sind; diese Unstimmigkeiten fallen weniger auf, wenn schon wieder eine groteske Szene über den Bildschirm huscht.

Da es sich hierbei um die restaurierte und ungekürzte Fassung handelt, kann der Zuschauer einige Szenen in erweiterter Form sehen – diese sind dann allerdings nur untertitelt.

 

Auch wenn der Film definitiv einen Action-Plot und keinen Character-Plot besitzt, tragen die Figuren klar zur Spannung (d. h. vor allem zur Komik) des Films bei, denn es sind allesamt gierige Schurken, die meistenteils nicht besonders helle sind. In einer Szene versuchen beispielsweise die beiden Glücksritter einen Gegenspieler mit einer sehr holperigen Ausrede zu übertölpeln. Dieser macht einen Kommentar zur Schwachstelle ihrer Geschichte – alle stutzen, halten inne, aber keiner zieht den nahe liegenden Schluss. Darüber hinaus gibt es Überraschungen in der Charakterisierung. Üblicherweise lassen sich Frauen in Western-Filmen entweder mit stoischer Ruhe und kaltem Zorn vergewaltigen oder sie wehren sich vergeblich. Helen dagegen überwältigt einen Möchtegern-Vergewaltiger.

Am deutlichsten spiegelt sich dieses natürlich bei den beiden Hauptfiguren wieder. Gringo (Anthony Steffen spielte häufig in Italo-Western den Django; äußerlich ist er eine Mischung aus Clint Eastwood und Charlton Heston) ist ein großer, dürrer Kerl mit ausdruckslosem Gesicht und kaltem Blick. Die Idealbesetzung für einen knallharten Revolvermann. Allerdings ist er einigermaßen dämlich (ohne dabei ein clownesker Idiot zu sein) und nicht sonderlich willensstark. Zwar kann er Leute einschüchtern (was bei Steffen wirklich beängstigend aussehen kann), schießt ganz passabel und gerät dabei auch nicht in Panik, doch um sich aus der Klemme zu schießen, dafür reicht es auch nicht. Gringo will eigentlich kein Pistolero sein: Er will zurück nach Texas, eine Farm, eine schöne Frau (Helen wäre ganz akzeptabel) und dazu ein Duzend Kinder. Ein Haufen Geld schadet dennoch nicht. Was der lethargische Dämlack damit anstellen würde, bleibt unklar, auch wenn der Zuschauer da ein paar Vorstellungen haben mag. Sein mexikanischer Partner Lucas (Enrico Maria Salerno) wirkt nicht so hart und brutal, ist allerdings skrupelloser; er schießt schlechter und plant nicht klüger – da er aber der Tatkräftigere der beiden ist, übernimmt er zumeist das Kommando. Die beiden sind talentlose Schurken – und sie mögen sich nicht einmal besonders.

Weder Anthony Steffen und Enrico Maria Salerno, noch Dominique Boschero (die Französin Helen) oder Roberto Carnadiel und José Bódalo, die die Gegenspieler General Lobo bzw. Heraclio spielen, zeigen großes schauspielerisches Talent – der Film erfordert es allerdings auch nicht. Einzig Mark Damon, der den zwielichtigen stets geschniegelt und mondän auftretenden Amerikaner Brown mimt, geht darüber hinaus.

 

Die Geschichte spielt in Mexiko während der Revolution Zapatas (also zwischen 1910 und 1919); sieht man vom Auto fahrenden und moderne Anzüge tragenden Brown ab, könnte es aber auch sechzig Jahre früher spielen (da müssten dann allerdings Franzosen die Feinde der Aufständischen sein). Das Setting ist typisch für einen Italo-Western und vermittelt glaubhaft Ort und Zeit. Die Kostümierung ist ein wenig eintönig und die Besetzung mit Statisten etwas dünn, aber beides fällt nicht weiter auf. Nett ist dagegen das Verschmutzte und Kaputte, ganz allgemein das Hässliche, dem einiger Raum gewährt wird – dieses findet sich zwar häufiger im Italo-Western, fehlt aber im Hollywood-Western weitgehend.

 

Als Extras gibt es neben dem Üblichen wie Bildergalerien und Trailer zwei circa fünfzehnminütige Interviews, in denen Regisseur Mario Caiano von der Entwicklung des Westerngenres erzählt, was er mit zahlreichen Anekdoten wie etwa seinen negativen Erfahrungen mit Klaus Kinski spickt, und Mark Damon davon berichtet, dass er vorher mit Dominique Boschero zusammen war und von ihr bei der Trennung geohrfeigt wurde oder dass er mit dem hölzernen Anthony Steffen die für den Film erforderliche minimal Mimik einübte. Ein Booklet gibt es nicht, dafür aber einen schön gestalteten Klappumschlag aus Karton, in dem Anthony Steffens Leben und Rolle im Italo-Western gewürdigt wird.

 

Fazit:

Der Zug nach Durango wird von mexikanischen Banditen überfallen und ausgeraubt – die Abenteurer Gringo und Lucas machen sich daran die entführte Französin Helen und, wichtiger noch, das amerikanische Geld zurückzuholen. Dieser Italo-Western verbindet elegant Schelmenstück, Persiflage und Abenteuerfilm: Zwar gibt es einige offenkundige Slapstickszenen und einige harsche Actionszenen, doch die meisten sind ambivalent – anscheinend folgen sie dem einen oder anderem Schema, jedoch entpuppen sie sich als fein beobachtete Persiflierung normaler Western-Filme. Mit derben und sardonischen Humor muss man allerdings umgehen können.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404250847524bb523e4
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Titel: Der letzte Zug nach Durango

Reihe: Koch Media Western Collection 9

FSK: Freigegeben ab 12 Jahren

Genre: Abenteuer - Western

Länge: ca. 96 Min.

Land: Italien / Spanien

Jahr: 1967

ASIN: B000KF0FQE

Erhältlich bei: Amazon

 

Darsteller:

Anthony Steffen

Enrico Maria Salerno

Mark Damon

Dominique Boschero

Roberto Carnadiel

José Bóalo

 

Regie:

Mario Caiano

 

Vertrieb:

Koch Media

Weitere Infos:


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Erstellt: 10.08.2008, zuletzt aktualisiert: 12.09.2023 16:21, 7095