Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit (Autorin: Natasha Pulley)
 
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Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit von Natasha Pulley

Rezension von Matthias Hofmann

 

Eins schon mal vorweg. Der neue Roman von Natasha Pulley ist nicht das, was man anhand des Klappentexts erwartet. Es ist aber keine Mogelpackung, sondern man bekommt viel mehr als gedacht. Doch der Reihe nach.

 

Es beginnt schon beim Titel. Wo im Original ein schnödes The Kingdoms steht, wird beim deutschen Lizenznehmer, entgegen dem jahrelangen Trend mit englischen Schlagwörtern um sich zu werfen oder gar nicht mehr zu übersetzen und einfach den Originaltitel zu nehmen, das fantasievoll-verträumte Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit.

 

Die Handlung beginnt im Jahr 1898, 93 Jahre nach der Schlacht von Trafalgar. Am Bahnhof Gare du Roi in Londres erwacht Joe Tournier und hat ein Problem. Er kann sich nicht erinnern, wie er dahin gekommen ist. Aber das Schlimme ist: Sein Gedächtnis hat ihn komplett im Stich gelassen. Er spürt aber, dass etwas nicht stimmt, denn alle Schilder sind in französischer Sprache geschrieben, denn es sieht so aus, dass England französisch geworden ist, inklusive der Geldwährung in Franc mit dem Konterfei von Napoleon IV. Aufgrund seiner Verwirrtheit kommt er ins Krankhaus, wo ihm eine spezielle Art von Epilepsie diagnostiziert und er in eine psychiatrische Anstalt weiterverfrachtet wird. Bald darauf stellt sich heraus, dass er ein entflohener Leibeigner sein könnte, und so er wird von seinen Eigentümern abgeholt und mit seiner Frau wiedervereint. Diese kommt ihm aber völlig unbekannt vor … so beginnen die ersten Kapitel mit dem graduellen Aufbau eines perfekten Rätsels, das nach Auflösung schreit.

 

Eines Tages bekommt Joe eine Postkarte, die vor 90 Jahren abgeschickt wurde. Auf ihrer Rückseite ist das Bild eines geheimnisvollen Leuchtturms zu sehen, der auf einer einsamen Insel steht, die Teil der Äußeren Hebriden Schottlands ist. Nach dem Text der Karte könnte sie von seiner großen Liebe kommen. Doch wer ist das? Und wie kann das alles sein? Und so beschließt Joe, dem Mysterium auf dem Grund zu gehen.

 

Was aus dem Klappentext nicht deutlich wird: »Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit« ist nicht bloß ein historischer Roman, der in der Zeit des Viktorianischen Englands spielt, sondern er ist ein Alternativweltroman, der sich gewaschen hat. Das Buch entfaltet seine eigene Lesemagie zwar eher gemächlich, aber dafür kontinuierlich bis zum Ende. Und zwar so, dass die Lektüre nahezu durchgängig total fasziniert.

 

Aber es ist kein »leichtes« Buch. Also keines, das sich beim Lesen quasi von selbst umblättert. Man muss sich auf die Handlung und die innere Logik einlassen und durchaus mitdenken, denn Pulley springt zwischen den Zeiten und Jahren immer wieder hin und her. Durch den komplexen Plot tappt man als Leser, genau wie die Hauptperson, anfangs völlig im Dunklen und allmählich wird das nebulöse Bild klarer.

 

Die Prosa von Natasha Pulley ist hingegen sehr präzise, aber auch richtig schön und gut zu lesen. Ganz klar: Die Britin beherrscht ihr Metier meisterlich. Besonders ihre Beschreibungen der Schauplätze in England und Schottland und der einzelnen Charaktere sind sehr gelungen.

 

Ich empfehle diesen Roman allen, die historische Geschichten mögen, die im viktorianischen England spielen, aber gerne mit einem Twist. In diesem Fall ist es der Alternativwelt- und Zeitreiseaspekt, der sehr clever strukturiert und wunderschön geschrieben ist.

 

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Buch:

Der Leuchtturm an der Schwelle der Zeit

Original: The Kingdoms, 2021

Autorin: Natasha Pulley

gebundene Ausgabe, 544 Seiten

Klett-Cotta Hobbit Presse, 24. September 2022

Übersetzung: Jochen Schwarzer

Titelillustration: Antares Light, Vasy Kobelev und Jackie Niam

 

ISBN-10: 3608986367

ISBN-13: 978-3608986365

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0B4P9BV84

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition


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Erstellt: 19.02.2023, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52, 21565