Der Spieler oder Roulettenburg (Autor: Fjodor M. Dostojewskij)
 
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Der Spieler oder Roulettenburg von Fjodor M. Dostojewskij

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Um ein Haar hätte es diesen Roman nicht gegeben. Damit er am Ende doch erscheinen konnte, verzichtete Dostojewskij nicht nur auf seinen ursprünglichen Titel – Roulettenburg –, er erfüllte auch das Ultimatum des Verlegers und schrieb den Roman in nicht mehr als 26 Tagen. Er brauchte das Geld, denn er war so spielsüchtig wie sein Held Alexej Iwanowitsch, und er war nicht weniger verstrickt in eine unglückliche Affäre. Eben dieser authentische Hintergrund ist es, welcher der Geschichte um einen fiktiven deutschen Kurort namens Roulettenburg bei all ihrer Rasanz eine unentrinnbare Gravitation verleiht.

 

Rezension:

Die Übertragungen aus dem Russischen von Alexander Nitzberg besitzen seit Jahren einen erstklassigen Ruf, sodass es inzwischen kaum verwundert, dass der dtv einer Klassiker-Neuübersetzung eine hochwertige Leinenbindung und Lesebändchen spendiert.

Dostojewskijs halb autobiografischer Roman entstand unter großem Zeitdruck, wie Alexander Nitzberg in seinem gewohnt engagierten Nachwort aufzeigt. Dabei stand nicht nur ein drohender Rechteverlust auf dem Spiel, sondern auch die Arbeit an seinem Hauptwerk Schuld und Sühne.

In Der Spieler oder Roulettenburg beschreibt Dostojewskij nicht nur seine eigene Spielsucht, er setzt auch einer Geliebten ein Denkmal, deren zerstörerische Seiten im Buch auf die Spitze getrieben wurden. Ironischerweise verliebte sich Dostojewskij während der des Diktats des Manuskriptes in die Stenografin und heiratete sie bald darauf. Wie Nitzberg berichtet, übte sie auch einen ordnenden Einfluss auf das Leben des Schriftstellers aus. Das Leben hat schon einen eigenwilligen Sinn für Humor.

 

Unter anderem dem Zeitdruck muss es geschuldet sein, dass »Der Spieler« in einem fast atemlosen Stil geschrieben ist. Wir springen mitten hinein in eine Kurort-Saison. Der berichtende Ich-Erzähler kehrt gerade von einem zweiwöchigen Aufenthalt in Paris zurück. Er hat sich als Hauslehrer bei einem russischen General verdingt, spricht drei Sprachen fließend und ist unsterblich in die Stieftochter des Generals verliebt. Polina nutzt die Leidenschaft auf mehr oder minder brachiale Art aus. Zum einen bedient sie sich des jungen Russen als Vertrauten, zum anderen erfreut sie sich an seinen Liebesschwüren, ohne ihnen je mit mehr als Verachtung und Spott zu begegnen. Was den jungen Geck natürlich noch mehr reizt bis hin zu tollkühnen Versprechungen, die die junge Dame anzunehmen weiß. Sehr zum Schaden des verliebten Mannes.

Dabei ist das Beziehungsgeflecht im Haushalt des Generals auch so schon kompliziert genug. In Geldsorgen begriffen wartet der pensionierte Militär auf das Ableben seiner Mutter. Mit ihm wartet ein französischer Adliger, in der Hoffnung, so als erster die dem General geliehen Mittel erstattet zu bekommen. Ebenso auf das Geld spekuliert die hübsche Pariserin Mademoiselle Blanche, in die der General komplett vernarrt ist. Diese Melange aus Geldsorgen, Schein und Standesdünkel durchbricht der Ich-Erzähler durch Albernheiten, dumme Possen und simple Frechheiten, die ihm sogar seine Anstellung kosten. Jedoch ändert sich alles, als die todkrank in Moskau geglaubte Großmutter auftaucht. Wie ein Wirbelwind bringt sie alles mit verblüffender Offenheit durcheinander, gestützt auf ein riesiges Vermögen.

Aber da ist noch das Roulettespiel im Kurhaus …

 

Furios von der ersten bis zur letzten Seite liest sich die Neuübersetzung von Alexander Nitzberg in der Tat äußerst kraftvoll. Besonders die süffisanten Frechheiten der Hauptfigur und die wüsten Beschimpfungen der alten Russin wirken in ihrer direkten Sprache sehr lebendig. Den Übersetzungsstil Nitzbergs kann man zudem in den französischen Zitaten bewundern, die in den Anmerkungen übertragen wurden. Hier werden auch zusätzliche Details zum Werk und zur Zeitgeschichte geliefert, nebst einem kleinen kollegialen Wink.

 

Neben der Rasanz des Erzählens besticht »Der Spieler« durch seine Zeitbrüche. Große Teile des stetigen Abstiegs von Alexej Iwanowitsch erleben wir als Aufzeichnungen, die im Nachhinein betrachtet werden. So steigert sich die Unaufhaltsamkeit der Ereignisse. Mit der Hauptfigur zusammen steckt man während der Lektüre wie gefangen im jugendlichen Leichtsinn fest. Selbst im entscheidenden Moment, als sich die Beziehung zu Polina wenden könnte, nimmt uns die intime Erzählweise unrettbar mit in den Abgrund. Der allerdings für Alexej Iwanowitsch selbst gar nicht so dramatisch ist. Seine radikal erscheinende Unbekümmert im Umgang mit materiellen Gütern, seine Spielsucht und Zukunftsignoranz lassen ihn als frühen Punk erscheinen, der mit den gesellschaftlichen Normen umgehen, aber wenig anfangen kann. Vielmehr feiert er das Leben für den Augenblick, für das nächste Spiel. Frei von Verantwortung und Konventionen. Dostojewskij könnte den Reiz dieser Lebensart durchaus als reizvoll empfunden haben, denn ein wirkliches Drama ist »Der Spieler« nicht geworden. Vielmehr ergibt sich für heutige Leserinnen und Lehrer eine große Vielfalt an möglichen Einschätzungen. Dostojewskij selbst ersparte sich außerhalb seines Spottes über landestypische Eigenheiten jegliche Urteile. Weder über sein autobiografisches Konterfei noch über die anderen Figuren und vielleicht gelang ihm gerade dadurch diese spritzige und muntere Stimmung, die der Gesellschaftssatire einen würdigen Platz in seinem Schaffen erkämpft.

 

Fazit:

Mit der erstklassigen Ausgabe von Fjodor Dostjewskijs »Der Spieler oder Roulettenburg« beschenkt der dtv nicht nur bibliophile Fans des russischen Meisters, sondern bietet erneut dem enthusiastischen Übersetzer Alexander Nitzberg die Gelegenheit, sein Talent in einem angemessenen Rahmen zu präsentieren.

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Buch:

Der Spieler oder Roulettenburg

Original: Igrok, 1866

Autor: Fjodor Dostjewskij

Übersetzer: Alexander Nitzberg

Gebundene Ausgabe, 23 Seiten

dtv, 14. Oktober 2016

Cover: Katharina Netolitzky

 

ISBN-10: 3423280972

ISBN-13: 978-3423280976

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B01LF5CRKY

 

Erhältlich bei: Amazon Kindle-Edition

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403290617396971266d
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Erstellt: 13.03.2017, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 15427