Der tausendfältige Gedanke (Autor: R.Scott Bakker; Der Krieg der Propheten, Bd. 3)
 
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Der tausendfältige Gedanke von R. Scott Bakker

Reihe: Der Krieg der Propheten Bd. 3

Rezension von Christel Scheja

 

Die Geschichte des Subkontinents Eänna ist eine Aneinanderreihung von Kriegen voller Machtgier, Fanatismus und ungezügelter Gewalt. Und auch jetzt ist wieder ein „Heiliger Krieg“ ausgebrochen. Der „Stoßzahn“ hat sich formiert, um die heidnischen Fanim aus der heiligen Stadt Shimeh zu vertreiben. Waren der Zug am Anfang noch ein ungeordneter Haufen unterschiedlicher Gruppen, so hat sich das jetzt geändert.

Seit er den „Tausendfältigen Gedanken“ erfasst und sich an die Spitze des Heeres gesetzt hat, ist Anasurimbor Kellhus der unumstrittene Machthaber des Zuges.

Als „Kriegerprophet“ genießt er inzwischen sogar eine Verehrung, die an die von Göttern heran reicht. Nachdem er Rivalen aus dem Felde geschlagen hat ist sein Wort Gesetz und nur wenige dürfen ihm widersprechen, weil sie von Anfang an seine Ratgeber und Lehrmeister waren. Dazu gehören unter anderem auch der Mandati-Hexenmeister Drusus Achamian und der Barbarenkrieger Cnaiür, der immer noch hofft, Rache an Kellhus‘ Vater nehmen zu können, der einst seinen Stamm vernichtete.

Unaufhaltsam nähert sich der „Stoßzahn“ der heiligen Stadt und hinterlässt eine Spur aus Zerstörung und Grausamkeit. Nicht nur die Männer der Dörfer und Truppen, die sich ihnen entgegen stellen werden grausam niedergemetzelt, sondern auch die Frauen und Kinder, Alten und Schwachen. Schließlich sind sie nur Heiden, die den Boden mit ihrem Unglauben besudeln und gehören ausgelöscht.

Trunken von ihren Erfolgen sehen die „heiligen“ Krieger Anasurimbor Kellhus immer mehr als Propheten und Erlöser und bemerken in ihrer Verblendung nicht, dass längst menschliche Leidenschaften Einfluss auf ihre Lichtgestalt genommen haben. Nach und nach wird der ehemalige Mönch von der Macht korrumpiert und beginnt sich selbst als gottgleicher Auserwählter zu sehen und entsprechend zu handeln. Dabei merkt er nicht, dass seine zweite Gefährtin Esmenet wie auch sein treuster Ratgeber Drusus Achamian von eigenen Gefühlen gepeinigt werden, waren und sind die beiden doch eigentlich noch vor den Augen der Götter miteinander vermählt.

Zudem hat der Mandati-Hexenmeister etwas heraus gefunden, was ihn sehr nachdenklich gemacht hat und nun an der ganzen Sache zweifeln lässt. So bahnt sich im Schatten großer Erfolge eine Tragödie an...

 

„Der Tausendfältige Gedanke“ bietet ein interessantes Wechselspiel zwischen epischen Schlachtenbeschreibungen, in denen er kein Blatt vor den Mund nimmt und Kammerspielen, in denen die Gefühls- und Gedankenwelt der handelnden Personen auf den Kopf gestellt werden.

R. Sott Bakker zeigt damit, dass gerade hinter den vordergründig ehrenhaften und gottesfürchtigen Unternehmungen Menschen stecken, die letztendlich nicht aus ihrer Haut können. Macht beginnt den Willensstärksten zu korrumpieren, nur all zu menschliche Leidenschaften und die dadurch erwachenden Zweifel treiben einen Keil zwischen die engen Verbündeten und höhlen den Kriegszug von innen her aus. Zwar führt der Autor diesen Gedanken nicht ganz zu Ende, aber die Richtung ist klar.

Damit ist auch der abschließende Band der Trilogie keine leicht verdauliche Fantasy, die kurzweilige und spannende Unterhaltung bietet. Immer wieder ernüchtern einen die realistischen Schlachtenschilderungen, vor allem wenn moralische und ethische Grundsätze nicht mehr viel zählen und der Glaubenswahn auf beiden Seiten in Gewalt und Grausamkeit ausgelebt werden. Man merkt auch, wie sich die Helden verändern und an den Geschehnissen zerbrechen, vor allem Drusas Achamian. Hin und wieder fühlt man sich bei allem auch an gegenwärtige Entwicklungen erinnert.

Der Hintergrund bleibt allerdings auch weiterhin nicht richtig fassbar, weil er sich keiner vertrauten Kultur zuordnen lässt und seltsam schwammig bleibt. Ähnlich sieht es mit den nichtmenschlichen Rassen und der Magie aus. Sie sind zwar vorhanden, spielen aber ebenso wie die gesellschaftlichen Verhältnissen keine besondere Rolle.

Tatsächlich liegen die Stärken des Romans wie schon in den Vorgängerbänden auf dem philosophisch-moralischen Konflikt seiner Helden und der differenzierten Charakterzeichnung. Die Figuren tragen die Handlung und sind für ihre Entwicklung verantwortlich, ihre Entscheidungen bestimmen den eingeschlagenen Kurs, nicht irgendwelche Götter oder magische Mächte. Selbst die Wahrheit ist nicht immer eindeutig, so dass man als Leser immer wieder überrascht wird.

Allerdings sollte man trotz vorhandenen Kriegsschilderungen keine all zu übermächtigen Actionszenen erwarten. Das Geschehen spielt sich zumeist am Rande ab, nicht die Schlacht selbst, sondern ihre Wirkung auf die Helden bestimmt die Handlung.

 

„Der Tausendfältige Gedanke“ ist ein intelligentes und spannendes Buch, das neben faszinierenden und vielschichtigen Persönlichkeiten nicht zuletzt auch eine gute Portion Zeitkritik enthält und damit zeigt, dass auch die Fantasy Romane hervorbringen kann, die mehr als pure Unterhaltung sind.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329063818447fa67f
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Buch:

Der tausendfältige Gedanke

Reihe: Der Krieg der Propheten, Bd. 3

Autor: R. Scott Bakker

Übersetzer: Andreas Heckmann

gebunden, 612 Seiten

Klett-Cotta, 2008

Titelbildgestaltung von Dietrich Ebert

 

ISBN 978-3-608-93785-5

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 15.04.2008, zuletzt aktualisiert: 24.03.2024 19:16, 6288