Druckversion: Der Vogelgott (Autorin: Susanne Röckel)

Der Vogelgott von Susanne Röckel

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Die Mitglieder einer wissenschaftlich orientierten Familie werden durch eine zufällige Entdeckung auf einem Kirchenbild in den schwer durchschaubaren Mythos eines Vogelgottes hineingezogen mit einem Sog, dem sie so wenig widerstehen können wie der Leser dieser Geschichte. Spätestens als sich herausstellt, dass dieser Mythos eben nicht nur ein Mythos ist. Es ist eine sagenhafte, aber elende Gegend dieser Erde, wo die Verehrer des Vogelgotts leben, die ihm allerdings weniger ergeben als vielmehr ausgeliefert zu sein scheinen.

 

Rezension:

Der Ornithologe Konrad Weyde stößt in einem abgelegen Bergdorf auf eine ihm bisher unbekannte, sehr große Greifvogelart und beschließt, ein Exemplar zu fangen und auszustopfen. Doch damit lädt er einen Fluch auf sich und seine Kinder …

 

Susanne Röckel entwickelt bereits im Prolog ihres Romans Der Vogelgott die mystische Atmosphäre, die auch die weiteren drei Teile des Romans durchdringt. Der langsam schleichende Kontrollverlust ihrer Figuren erinnert an klassische Phantastik von Kafka bis Bradbury. Doch zunächst ergibt sich kein wirkliches Bild darüber, was durch die traumhafte Schlusssequenz des Prologs begonnen hat.

 

Im ersten Teil verfolgen wir den jüngsten Sohn Konrad Weydes, Theodor. Der etwas labile ehemalige Medizinstudent treibt ziellos durchs Leben und ist damit anfällig für ein seltsames Hilfsprojekt, das ihn in eine kaum näher bekannte Gegend fernab der Zivilisation ordert. Dort soll er in einer ehemaligen Mission helfen. Doch nicht nur das Verhalten der Nonnen ist merkwürdig. Immerhin lernt er Miranda kennen und verliebt sich schon bald in die junge Frau. Doch die Gerüchte um einen Vogelgottkult und die Seltsamkeit des Dorfes führen schon bald zu einer Verwirrung seiner Wahrnehmung, die schließlich in einer Katastrophe mündet.

 

Im zweiten Teil lernen wir Theodors ältere Schwester Dora kennen, die ihm von seiner Mission abriet. Sie beschäftigt sich mit Kunsthistorie und hat vor, ihre Doktorarbeit über einen Maler des 17. Jahrhunderts zu schreiben, dessen Bilder sie seit ihrer Kindheit kennt. Als sie über Unregelmäßigkeiten in seinem Werk stolpert und düstere Vogel-Darstellungen in ihre Fantasie eindringen, wird sie zunehmend von ihrem Projekt besessen.

 

Im letzten Teil endlich begegnen wir den von seinen Geschwistern als nüchtern charakterisierten Lorenz Weyde. Der freie Lokaljournalist stößt auf seltsame Ereignisse in seiner Heimatstadt und vermutet schon bald, dass eine geheimnisvolle Sekte Kinder einem Vogelgott opfert. Auch er verliert bald jeglichen Kontakt zur realen Welt.

 

Am Ende wird deutlich, dass alle drei Geschwister wieder ihrem alten gemeinsamen Kinderspiel nahekommen, in dem sie Verschwinden spielten: Das lautlose Verschmelzen mit ihrem Versteck, nicht um gefunden zu werden, sondern um einer Nichtexistenz so nahe wie möglich zu kommen.

 

Wohin das führen soll und warum der seltsame Vogelgottkult die Familie befällt, bleibt offen. Dadurch wirkt das Buch trotz aller Sogwirkung der einzelnen Teile am Ende unbefriedigend. Nicht auserzählt. Hinzu kommt, dass es Susanne Röckel nicht gelingt, ihren Figuren unterschiedliche Stimmen zu geben.

Gerade im Mittelteil um den fiktiven Maler häufen sich zudem langwierige Bildanalysen, die letztlich nichts weiter bieten als neuerliche Hinweise auf den Vogel Greif und dem Adler, der die Leber des Prometheus fraß. Es bleibt aber unklar, was das mit dem Kult um den Kinderfordernden Vogelgott zu tun hat und warum es überhaupt Thema des Buches wurde.

Vielleicht wollte die Autorin eine Allegorie auf die zersetzende Wirkung von Religion schaffen, immerhin entspringt die Vision des Vogelgotts dem fiktiven Maler und seinem Trauma aus den Schrecknissen des Dreißigjährigen Krieges, jener verheerenden Entfesselung des Christentums, die sich im Fanatismus heutiger Religionen wieder findet.

Aber was genau sie mit dem Familiendrama vorhatte, bleibt verschwommen.

 

Fazit:

»Der Vogelgott« von Susanne Röckel ist ein über weite Strecken faszinierender phantastischer Roman, dem aber eine überzeugende Auflösung fehlt.

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Buch:

Der Vogelgott

Autorin: Susanne Röckel

Gebundene Ausgabe, 269 Seiten

Jung und Jung, 2. März 2018

 

ISBN-10: 3990272144

ISBN-13: 978-3990272145

 

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Kindle-ASIN: B076ZVYKQP

 

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, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51