Der Weg in die Schatten (Autor: Brent Weeks; Nachtengel-Trilogie, Bd. 1)
 
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Der Weg in die Schatten von Brent Weeks

Reihe: Nachtengel-Trilogie, Bd. 1

Rezension von Christel Scheja

 

Schon als Jugendlicher beschloss Brent Weeks Autor phantastischer Romane zu werden und versuchte seinen Lebensweg danach auszurichten. Zwar wurde er für die entsprechende Studienrichtung auf dem College abgelehnt und sattelte erst einmal zu einem solideren Broterwerb um, indem er auf Lehramt studierte, aber heute ist er nicht mehr böse drum, keinen Schreibkurs besucht zu habe, denn so kann er unverfälscht schreiben was er möchte und hat nicht ständig im Hinterkopf, das er bestimmte Erwartungen erfüllen muss, um Erfolg zu haben. Dass es auch anders geht, beweist er mit seinem Debüt „Der Weg in die Schatten“, dem ersten Band der in Amerika bereits komplett erschienenen „Nachtengel“-Trilogie.

 

Es ist nicht leicht in der Unterstadt von Cenaria zu überleben, vor allem nicht für die elternlosen Straßenkinder, die niemanden haben, der sie vor der Willkür der älteren beschützen kann. Azoth, Kind zweier Sklaven ist einer derjenigen, die den Kampf noch nicht aufgegeben haben. Zusammen mit seinem Freund Jard und der kleinen „Puppenmädchen“ versucht er sich mit Diebstählen über Wasser zu halten und in einer Bande wenigstens ein bisschen Schutz zu erhalten. Aber nicht einmal dort ist er vor Demütigungen und Schmerzen sicher. Ausgerechnet Ratte, der sechzehnjährige Anführer der Gruppe lässt es sich nicht nehmen, die jüngeren immer wieder zu drangsalieren und quälen. Wer es auch nur wagt gegen ihn aufzumucken wird grausam bestraft und sein Umfeld gleich mit.

Das bekommt auch Azoth zu spüren. Aber die Misshandlung und Verstümmlung von „Puppenmädchen“ bringt ihn dazu, einen Weg zu gehen, den er bisher nur kurz angedacht hatte. Er bietet sich dem „Blutjungen“ Durzo Blint als Lehrling an, einen legendären und gefürchteten Assassinen, der mit Gift, Kraft und Magie schneller tötet als einfache Meuchelmörder.

Weil Azoth nicht nachgibt und auch die Prüfungen besteht, akzeptiert Durzo ihn schließlich und sorgt für eine harte aber effektive Ausbildung, die aus dem Straßenjungen einmal den einfachen Adligen Kylar Stern machen soll, als der er sich unter die adlige Oberschicht Cenarias mischen soll, um seine Aufträge besser auszuführen. Denn wer sonst als die Reichen und Mächtigen bedürfen der Fähigkeiten von Mördern, um Rivalen und Feinde aus dem Weg zu schaffen.

In der Zeit seiner Ausbildung lernt Azoth auch den Fürstensohn Logan Gyre kennen, der so ganz anders ist als er. Eine lockere Freundschaft entwickelt sich. Noch ahnen die beiden nicht, dass sich ihre Schicksale miteinander verknüpfen werden, denn in den Schatten nehmen mit den Jahren sorgsam geknüpfte Intrigen immer mehr ihren Verlauf, um irgendwann zu eskalieren. Doch bis es so weit ist, macht Azoth, nun Kylar, überraschende und erschreckende Entdeckungen, die sowohl Durzo als auch ihn betreffen und vieles in einem anderen Licht erscheinen lassen.

 

Auf den ersten Blick scheint Brent Weeks einem durch Trudi Canavans „Gilde der Schwarzen Magier“ ausgelösten Trend zu folgen – einen jugendlichen Helden aus der Gosse in eine sehr wichtige Rolle hinein wachsen zu lassen, die ihn oder sie mit den Mächtigen der Welt interagieren lässt. Doch schon die ersten Seiten zeigen, dass man es nicht unbedingt mit einem All-Age-Roman zu tun hat. Die Unterwelt von Cenaria ist nicht nur armselig und finster – sondern auch grausam, brutal und zynisch. Jugendliche, die in ihren Kinderjahren selbst Schmerzen und Missbrauch erlebt haben, werden selbst zu Tätern. Mitgefühl und Freundlichkeit zählen nicht viel in einer Welt in der nur das Recht des Stärkeren gilt. Und Hilfe hat nicht selten einen hohen Preis.

Auch die Ausbildung des jungen Azoth ist so gestaltet, denn sein Lehrmeister ist ein kalter und gefühlloser Mann, der zwar nicht unnötig grausam, aber konsequent handelt und sein Gesicht lange hinter einer Maske versteckt. Die ganze erste Hälfte des Buches trieft von Zynismus, auch wenn es Momente der Hoffnung gibt.

Immerhin ist Azoth moralisch so stark, dass er sich nicht ganz zu dem Assassinen formen lässt, den sein Meister in ihm sehen lässt. Er bewahrt sich Mitgefühl und Liebe. Doch ist das wirklich eine Schwäche? Oder kann er nicht gerade daraus die Stärke ziehen, die er benötigt? Denn nicht immer stimmt er mit der Philosophie seines Meisters überein, will es auch gar nicht.

Genau das hilft ihm später, als er immer tiefer in die Intrigen am königlichen Hof gezogen wird, in denen Durzo Blint schon sein langem steckt. Und gerade in der zweiten Hälfte des Buches kommt auch die Magie zum Vorschein, die man so lange vermisst hat.

Alles in allem ist „Der Weg in die Schatten“ nicht nur optisch ein dicker Brocken, auch inhaltlich fordert er dem Leser einiges ab. Durch den eigenwilligen Stil des Autors und Übersetzers – kurze knappe Sätze und viele Sprünge – muss man manche Abschnitte noch einmal genauer lesen. Zudem werden viele Personen eingeführt, die man im Auge behalten sollte, da sie noch eine Rolle im Roman spielen.

Zwar ziehen sich die ersten zweihundert Seiten etwas hin, danach steigert sich die Spannung aber stetig, denn je mehr man erfährt, desto mehr brennt man darauf zu erfahren, was Azoth/Kylar daraus machen wird. Bis dahin kann man die vielschichtige Handlung mögen, die neben Action und Abenteuer auch noch interessante Charaktere und Entwicklungen bietet sowie es wagt, auch das ein oder andere Tabuthema anzureißen, das andere Autoren lieber weiträumig umgehen.

 

„Der Weg in die Schatten“ ist der vielversprechende Auftakt der „Nachtengel“-Trilogie, einer Saga, die vor allem Leser fesseln wird, die etwas anspruchsvollere und vielschichtigere Lektüre mögen als die, die regelmäßig auf die Bestsellerlisten gelangt.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404231933227d75bc87
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Der Weg in die Schatten

Reihe: Nachtengel-Trilogie

Autor: Brent Weeks

Klappbroschur, 703 Seiten

Blanvalet, erschienen Dezember 2009

Übersetzung aus dem Englischen von Hans Link

Titelbild von Calvin Chu, Karte von Jürgen Speh

ISBN-10: 3442266289

ISBN-13: 978-3442266289

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 30.04.2010, zuletzt aktualisiert: 23.04.2024 16:18, 10382