Der wilde Tanz der Seidenröcke (Autor: Robert Merle)
 
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Der wilde Tanz der Seidenröcke von Robert Merle

Rezension von Ralf Steinberg

 

Klappentext:

Pierre-Emmanuel de Siorac ist schon mit zwölf Jahren das Double seines erfolgreichen Vaters, eines hugenottischen Edelmannes im diplomatischen Dienst am Hofe Heinrichs IV. Er ist gebildet, spricht Englisch und Italienisch, er weiß den Degen zu führen und hat dank der klugen Erziehung seines Vaters in ebendiesem zarten Alter schon eine achtzehnjährige Soubrette im Bett, die ihm alles über die Liebe beibringt. Seine Mutter ist die Herzogin von Guise, eine verflossene leidenschaftliche Liaison von Siorac-Vater. Und da König Henri persönlich ihn aus der Taufe gehoben hat, wächst Pierre von Anbeginn im Umkreis des Hofes auf. Dieser Hof amüsiert sich, vögelt, tanzt, während im Hintergrund - gut dreißig Jahre nach der blutigen Bartholomäusnacht - der dramatische Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken weiterschwelt. Frivolität wechselt mit eiskaltem Machtkalkül, die Sinnlichkeit der einen verbirgt kaum den politischen Fanatismus der anderen. Die international verbündete katholische Partei erträgt die Toleranzpolitik des französischen Königs nicht mehr. Und Pierre-Emmanuel als junger Dolmetsch und Vertrauter von Henri wird Zeuge, wie der Mordgedanke keimt und der Königsmörder in der Menge erscheint.

 

 

Rezension:

Die Geschichte der Familie Siorac geht weiter. Der wilde Tanz der Seidenröcke erzählt dabei die ersten Schritte von Pierre-Emmanuel in der französischen Adelsgesellschaft zur Zeit Henri Quatres. Erneut berichtet der Protagonist aus einer fernen Zukunft in Form von Memoiren und wie gewohnt spricht er seine schöne Leserin an, wenn Pierre-Emmanuel auch etwas weniger galant und seine Leserin etwas widerborstiger ist.

Angesiedelt in den letzten Lebensjahren Henri Quatres liegt das Augenmerk Merles nicht auf großen historischen Ereignissen, vielmehr versetzt er uns tief in die Intrigen und Ränke des französischen Hofes. Pierre-Emmanuel wird dabei als Bourbonen Bastard Zeuge und Teilhaber größtenteils lächerlicher Anekdoten und Histörchen, die wohl kaum den Weg in die Geschichtsbücher finden.

Besonders das frivole Sexualleben kommt zur vergnüglichen Geltung, der Autor ist ein Meister in der Beschreibung amouröser Abenteuer.

Allerdings vermittelt das Ganze auch einen starken Eindruck von Romantisierung. Die doch stark beengte Sicht auf den Adel, reizt zum inneren Widerspruch und man bemerkt als Leser immer mehr wie fragwürdig doch die Aristokratie war.

Selbst der so noble und edle Marquis de Siorac, Pierre-Emmanuels Vater, ist letztendlich ein bigotter Lebemann, der auf Kosten anderer seinen Trieben nachgeht, wenn er etwa die schöne Holzdiebin bei sich behält und deren Armut ausnutzt, indem er sich Kost und Logis mit Sex bezahlen lässt. Erstaunlicherweise baut Merle diese Szene zwar ein, versucht sie aber in die Hintergrund zu drängen. Entweder akzeptiert er diese Handlungsweise als Kavaliersdelikt oder er empfand so etwas wie Scham für seine Figur.

 

Charakteristisch ist auch die Positivierung der Herrscher. Nach Henri wird auch sein Sohn Louis von Anfang an als liebenswert und bedeutsam dargestellt. Fehler und Schwächen werden großzügig verziehen, ohne die Glorie ankratzen zu können. Es fällt bei solch einer Darstellung der Könige schwer sich vorzustellen, dass ihr Prunk von Millionen Bauern und Handwerkern bitter bezahlt wurde.

Merle schiebt zwar wieder Figuren aus der Unterschicht ein, die ihre Probleme ausbreiten, allerdings mit einer fatalistischen Herrschaftsgläubigkeit und Liebe.

 

Die Brüche zum vorhergehenden Band sind daher doch sehr groß. Besonders im Bereich Religion wird Merle schwammiger. Die Scheinheiligkeit steht nun nicht mehr am Pranger, vielmehr verblassen die guten Figuren zu Schemen und Stichwortgebern. Mag sein, dass es auch Merles Thema nicht war in diesem Band.

 

 

Fazit:

Ein Band ohne Höhepunkte von gleich bleibend herausragender Sprache und Stilistik. Die Glorifizierung des Adels stößt etwas negativ auf und hinterlässt starke Zweifel in Punkto Glaubwürdigkeit. Die eigentliche Stärke der „Fortune de France“, nämlich eine Verbindung von Abenteuern und Geschichtsvermittlung, ist in Der wilde Tanz der Seidenröcke vernachlässigt worden.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240423022528d98b6c41
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Titel:

Der wilde Tanz der Seidenröcke

Original: La volte des vertugadins

Übersetzerin: Christel Gersch

Aufbau Verlag Berlin, 1997

470 Seiten, Taschenbuch

ISBN: 3746612160

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 06.02.2006, zuletzt aktualisiert: 18.04.2024 09:19, 1832