Der Zauberer von Oz
 
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Der Zauberer von Oz

Rezension von Christian Endres

 

Der 1856 geborene Lyman Frank Baum (auf dem Cover der Comic-Adaption seltsamerweise als »L. Franck Baum« angegeben ...) gilt als Pionier des amerikanischen Märchens. Sein »The Wonderful Wizard of Oz« hat dabei nicht nur eine ganze Reihe hierzulande leider nicht gar so bekannter Fortsetzungen aus seiner Feder erfahren, sondern wurde auch unzählige Male für die Leinwand oder die Musicalbühne adaptiert. Auch die Ehapa Comic Collection hat sich nun einer dieser Adaptionen angenommen und veröffentlicht den Kleinband »Der Zauberer von Oz«, welcher als Sammelband alle drei Ausgaben der ab 2003 in Frankreich erschienenen Comicversion von David Chauvel und Enrique Fernández auf 96 Seiten vereint ...

 

Ein Wirbelsturm bringt das kleine Mädchen Dorothy aus dem öden und kargen Kansas in das farbenprächtige Märchenreich Oz, in dem der große Zauberer gleichen Namens von seinem Palast in der grünen Smaragdstadt aus herrscht, Magie aber auch anderswo – beispielsweise in Form der vier Hexen – allgegenwärtig ist. Dorothy, die bei ihrer Ankunft in Oz unwissentlich die böse Hexe des Ostens tötet, will trotz der Schönheit und fremden Pracht des bunten Landes aber schnellstmöglich wieder zurück zu ihrer Tante und ihrem Onkel und heim nach Kansas, und so lässt sie sich von einer der beiden guten Hexen des Landes den Rat geben, sich mit ihrem Wunsch an den großen Oz zu wenden. Auf dem Weg in die Smaragdstadt – goldene Pflastersteine, wir erinnern uns? – stoßen dann auch noch drei Gefährten zu ihr, mit denen sie allerhand Gefahren meistern muss. Doch mit der Vogelscheuche, dem Blechmann und dem Löwen an ihrer Seite – von denen der eine Verstand, der andere ein Herz und letzterer seinen Mut sucht – bestehen Dorothy und ihr kleiner Hundefreund Toto alle Widrigkeiten, die ihnen das Land Oz als solches, der vermeintlich große Zauberer oder gar die Hexe des Westens entgegenwerfen. Am Ende fliegt dann noch so manch fauler Zauber auf, und wir erleben auch noch einen hübschen Placebo-Effekt sowie das vermeintlich zynischste Ende, das ich je in einer Oz-Interpretation/Adaption gesehen habe ...

 

Szenerist David Chauvel nimmt sich wenige Freiheiten heraus und hält sich recht streng an die Vorlage von L. Frank Baum, ja folgt ihr geradezu wie einem Weg aus goldenen Pflastersteinen ... Wenn er sich allerdings einmal mit Interpretationen und Innovationen hervortut, dann richtig, und so ist das Ende – der Blick auf die weite Einöde von Kansas und Dorothys davon ungetrübte Freude über ihre Heimkehr zu ihren verbitterten Erziehern, ihre Wiederkehr aus dem farbenfrohen, schillernden Märchenreich Oz – eine ungemein zynische Interpretation des Stoffes, die dem Werk im letzten Panel noch einmal einen ganz anderen, ganz eigenen Anstrich verleiht und sehr nachdenklich stimmt. Grandios, will ich meinen, und ein richtig guter Einfall, der natürlich auch durch die zum Ende hin sehr sparsamen, sehr düsteren Zeichnungen unterstützt wird ...

 

Diese wiederum wissen während der gesamten Lektüre zu gefallen, so eigenwillig sie manchmal auch anmuten. Schade, dass sie durch das Format des Kleinbands nichts gar so gut zur Geltung kommen bzw. manchmal das ein oder andere Panel zu Beginn des Bandes etwas zu dunkel und ungenau erscheint. Doch man sieht auch so schon deutlich, dass Fernández sein Handwerk wirklich versteht und seinen Spaß hatte, die Märchenlandschaft Oz’ seiner Vorstellung nach auszuschmücken, mit schönen, bunten Hintergründen zu versehen oder mit außergewöhnlichen Bewohnern und Dingen zu füllen. Sehr schöne Landschaftsbilder, ausdrucksstarke Gesichter und alles in allem ein sehr moderner Stil hauchen dem amerikanischen Kinderbuch-Klassiker Seite für Seite neues Leben ein und lassen sein stattliches Alter – bzw. das Alter der Vorlage – beinahe schon vergessen. Dabei punktet Fernández vor allem dadurch, dass er einen völlig eigenen, faszinierenden Stil hat, der mit keiner vorangegangenen Illustration oder visuellen Adaption des Werks verglichen werden kann – und deshalb wohl auch so zu gefallen weiß ...

 

Die Aufmachung des knapp 100 Seiten starken Hardcover-Kleinbandes bringt mich in die Zwickmühle: Einerseits ist das kleine Bändchen wirklich schön gestaltet und hübsch aufgemacht, weist ein schönes Cover vor und tut sich z. B. auch durch angenehm festes Glanzpapier im Innenteil hervor – doch schreckt es mich auf der anderen Seite eben auch wieder durch teils eklatante Mängel und Fehler ab: Wer zum Geier ist beispielsweise »L Franck Baum«? Wäre es so schwer gewesen, den Namen von L. Frank Baum richtig zu schreiben auf dem Titelbild einer Adaption seines berühmtesten Werkes? Und müssen die Tippfehler im ansonsten recht schönen Lettering wirklich sein und mich dann auch noch gleich auf der ersten Seite des Comicbandes begrüßen? Da ich solche Fehler von Veröffentlichungen in der Ehapa Comic Collection sonst nicht gewohnt bin, müssen hier dann doch leider mal deutliche Worte gesprochen werden – gerade wenn es um Autorennamen geht, sollte man einfach empfindlich sein, und Baum und der Zauberer von Oz verdienen zweifellos größtmöglichen Respekt und größtmögliche Sorgfalt im Umgang mit ihnen.

 

Fazit: Mit dem Format hat man hat sich – und vor allem den schönen Zeichnungen von Enrique Fernández – bei Ehapa keinen Gefallen getan. Sicherlich hat der Kleinband auch seine Vorteile, doch hätte ich als Leser lieber etwas mehr investiert, dafür aber ein schönes, großes Hardcover im gängigen Alben-Format bekommen, das die wunderhübschen Zeichnungen richtig zur Geltung kommen lässt und vor allem auch halbwegs ordentlich präsentiert. Ansonsten ist es eine recht werkgetreue Adaption, die David Chauvel uns hier vorlegt, die sich in erster Linie beim Artwork »von der Vorlage entfernt« und sehr interpretationsfreudig, manchmal sogar künstlerisch wirkt. Doch so gewinnen die beiden fraglos talentierten Künstler dem altbekannten, klassischen Stoff von L. Frank Baums Kinderbuchklassiker auch im Jahre 2006 noch sehr ansprechende Facetten und Seiten ab und helfen vielleicht mit, dieses zeitlose Werk der phantastischen Literatur, das einen ähnlichen Stand haben dürfte wie Lewis’ »Alice im Wunderland«, für eine neue Generation von Leser interessant zu machen.

 

Wer mit ein paar Abstrichen in Sachen Format und Aufmachung leben kann und sich den Spaß durch die etwas zu stark verkleinerten Seiten nicht vermiesen lässt, kann hier also bedenkenlos zugreifen und ein paar schöne Stunden im zauberhaften Wunderreich Oz verbringen.

 

 

Abschließend vielleicht noch ein Literatur-Tipp: Den ersten, weltberühmten Band von Baums märchenhafter Oz-Saga gibt es seit einiger Zeit als günstige, gebundene Kinderbuchklassiker-Ausgabe beim Würzburger arena-Verlag (ISBN: 3401057022)

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240420092512f4774a1e
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Comic:

Der Zauberer von Oz

Text: David Chauvel

Zeichnungen: Enrique Fernández

Verlag: Ehapa Comic Collection

Hardcover, Kleinband

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 377042915X

Anzahl Seiten: 96

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 05.09.2006, zuletzt aktualisiert: 09.04.2024 09:36, 2715