Des Sprudels Kern (Autor: Charlotte Engmann)
 
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Des Sprudels Kern

Die Kurzgeschichte des Monats April ist der 8.Teil der Reihe Heldenmoritaten aus der Feder von Charlotte Engmann, der beliebten Kölner Autorin, die zumeist in dem Genre Fantasy zu Hause ist.

 

Hier die Auflistung der einzelnen Teile:

HM1: "Was er isst" - "Der Treue geopfert", Arcanum Verlag, 2008

HM2: "Die Knochenkrone" - erschienen in WdG 4, HaryProduction, 2007

HM3: "Baden gehen" - WdG 5, HaryProduction, 2008

HM4: "Nur Fassade" - "Burgturm im Nebel", Schreiblustverlag, 2006

HM5: "Im Reich der Dryaden" - "Im Bann des Nachtwalds", Lerato Verlag, 2006

HM6: "Dämonenlese" - unveröffentlicht

HM7: "Schützenhilfe" - unveröffentlicht

Hm 8: "Des Sprudels Kern" - exklusiv auf fantasyguide.de

 

Autor: Charlotte Engmann

 

Des Sprudels Kern

 

Heldenmoritaten VIII

 

Jeshe-Elonja schmeckte Galle auf ihren Lippen. Aus der Grotte, die vor ihr lag, drang so stark der Gestank von Fäulnis und Verwesung, dass selbst ein Blinder in ihr einen Ort des Todes erkennen konnte. Zu einer mächtigen, halbrunden Höhle wölbte sich der Steilhang, den blattlose Ranken wie gewaltige Spinnweben überzogen. Schmutziggraue Flechten krochen über die schartigen Wände und verschmolzen auf Bodenhöhe mit Riedgräsern, die in einer feuchtwarmen Brise heiser raschelten. Aus Schlammpfützen und Wasserlöchern ragten die Knochen unglücklicher Tiere, die hier verendet waren.

»Na geh schon. Worauf wartest du?«, drängte der Ritter, der über Jeshe-Elonja auf seinem mächtigen Schlachtross thronte. Er zog den schwarzen Helm ab und musterte sie mit prüfendem Blick. »Oder hast du es dir etwa anders überlegt?«

»Nein, Herr.« Jeshe-Elonja schlug die Augen nieder. Ihr Blick fiel auf das helle Kleidchen, das in weiten Falten um ihren mädchenhaften Körper floss, und blieb an der großen Kristallkugel in ihren Händen hängen. Sie wusste, was sie zu tun hatte, mit welchem Gegner sie es aufnehmen musste, und welchen Preis sie bezahlen würde, wenn sie versagte oder dem Ritter den Gehorsam verweigerte.

Mit einem lautlosen Seufzen verließ sie den Schutz des Waldes und betrat die Grotte. Gierig schmatzte der Schlamm unter ihren Füßen, dornige Ranken zerrten am Saum ihres Kleides. Wie kalter Nebel kroch die Angst ihren Rücken hinauf, ein Gefühl, das ihr früher fremd gewesen war. Je weiter sie in die Höhle vordrang, desto stärker wurde der Gestank von verwesenden Kadavern und verfaulenden Pflanzen. Die Stille des Todes lastete über dem sumpfigen Grund. Der Gesang der Vögel war verstummt, kein Frosch ließ sein Quaken ertönen. Nicht einmal die nimmermüden Insekten summten durch das feuchtwarme Dämmerlicht, das die Grotte erfüllte.

In der Mitte der Höhle fand Jeshe-Elonja den gesuchten Wasserkrater: Blaustichiges Kalkgestein umfasste wie eine Brunnenmauer ein kleines Bassin, aus dem einst eine Fontäne aus Wasser und Magie aufgestiegen war, um Luft und Land mit ihren Kräften zu nähren. Doch jetzt schwappte nur noch eine trübe, übel riechende Brühe, die mit ihren Ausdünstungen die Umgebung vergiftet, gegen die Steine.

Jeshe-Elonja setzte sich an den Wasserkrater. Sie hob die Hände, warf die kinderkopfgroße Kugel in die Höhe und fing sie geschickt wieder auf, bevor sie die schlammige Brühe berührte. Wieder und wieder ließ sie den Kristall gen Himmel fliegen, wobei sie sich jedes Mal weiter über den Steinrand beugen musste, um ihn aufzufangen.

Abrupt endete das Spiel, als sie das Gleichgewicht verlor. Sie schwankte, verpasste die fallende Kugel und wäre beinahe selbst in das faulige Nass gestürzt. Wasser spritzte auf und tränkte ihr Kleid mit klammer Feuchtigkeit, während der Kristall die Oberfläche durchbrach und in der trüben Brühe versank.

»Oh nein!«, rief Jeshe-Elonja mit gespieltem Entsetzen. »Mein schönes Spielzeug! Oh weh, jetzt ist es versunken! Was würde ich nur dafür geben, wenn es mir jemand zurückbrächte!«

Das Wasser geriet in Bewegung. Luftblasen quollen empor, wellten die Oberfläche wie Pestbeulen und zerplatzten mit einem satten Schmatzen. Ein dunkler Schatten löste sich aus der Tiefe und stieg empor. Zuerst nur schemenhaft, dann immer deutlicher wurde das Gesicht einer grünhäutigen Kreatur, halb Frosch, halb Mann sichtbar. Ein Kopf, selbst für einen Menschen zu breit und zu rund, erhob sich aus dem trüben Nass. Große, gelbe Augen starrten Jeshe-Elonja entgegen, ein gewaltiges Maul öffnete sich, und begleitet von einem Schwall aus Wasser und modrigem Odem rülpste der Brunnenbewohner: »Was wirfst du mir da in meinen Schlund?«

Jeshe-Elonja sprang auf und brachte ein, zwei Schritte Abstand zwischen sich und das Wasserwesen. Obwohl es von einem Geschöpf dieser Welt Besitz ergriffen hatte, erkannte Jeshe-Elonja ihr Gegenüber als das, was es war: ein Dämon aus den jenseitigen Gefilden, der allein mit seiner Anwesenheit den Wasserkrater verseuchte.

»Mein Spielzeug ist versehentlich in deinen Brunnen gefallen«, jammerte Jeshe-Elonja. Sie lebte davon, anderen etwas vorzugaukeln und sich für jemanden auszugeben, der sie nicht war. Trotzdem überfielen sie plötzlich Zweifel an ihrer Rolle. Nicht einmal dieser froschgesichtige Dämon würde glauben, dass sie so einfältig und leichtgläubig war, wie sie sich aufführte.

»Kannst du es mir nicht zurückbringen, du guter Wassermann?«, bettelte sie mit einem flehentlichen Augenaufschlag.

Das Lachen des Froschlings klang wie das Gurgeln und Schmatzen eines Sumpfloches. »Was gibst du mir dafür?«

Sie fuhr sich unschlüssig durch das lockige Haar, ehe sie ihr Kleidchen abtastete, an dem weder Gürtel noch Geldbeutel hingen. »Oh, ich habe nichts, was ich dir geben könnte«, stellte sie betroffen fest.

»Gib mir einen Kuss.«

Sie schlug die Hände vor den Mund, als wolle sie einen erschrockenen Schrei ersticken. Mit großen Augen starrte sie den Froschling an, ehe sie zögerlich nickte. Halb bittend, halb fordernd verlangte sie: »Aber zuerst bringst du mir mein Spielzeug.«

Das Wesen tauchte ins Wasser zurück. Jeshe-Elonja trat an den Steinrand, doch in der trüben Tiefe konnte sie nichts erkennen. Das graubraune Nass verdeckte den Grund des Brunnens und den Dämon, der dort unten hauste, seit ein Schwarzmagier ihn in diese Welt gerufen hatte. Sie fühlte, wie sich ihr Magen zusammenkrampfte. Die Zauberkönigin Rhymoria hatte ihr aufgetragen, den Dämon zu vernichten, und wenn sie versagte, würde er sie in die Tiefe ziehen, und sie würde hundert Tode sterben. Sie warf einen Blick zurück zu dem Ritter der Königin, der am Waldrand auf sie wartete. Auch er besaß die Macht, ihrem Leben ein Ende zu setzen, und er würde es sicherlich tun, wenn sie jetzt die Flucht ergriff, anstatt sich dem Dämon zu stellen.

Die Rückkehr des Froschlings erlöste sie aus ihren sorgenvollen Gedanken. Wie vereinbart brachte er ihr die kristallene Kugel, die er ohne loszulassen auf den Brunnenrand legte.

»Jetzt gib mir meinen Kuss«, forderte er Jeshe-Elonja auf.

»Wie du willst.« Jeshe-Elonja verzog das Gesicht zu einem überbreiten Grinsen. Sie beugte sich vor, packte die Arme des Froschlings und riss ihn mit überraschender Kraft aus dem Wasser. Der Kristall kullerte vom Beckenrand auf trockenen Boden. Jeshe-Elonja ließ ihre Verkleidung fallen. Innerhalb eines Augenblicks verwandelte sie sich von einem Menschenmädchen in ein schwarzgeschupptes Ungeheuer. Lange Klauen durchbohrten das schwammige Fleisch des Froschlings. Ihr Schädel streckte sich, aus wolfsartigen Kiefern schossen messerscharfe Zähne. Sie schnappte nach dem Brunnenbewohner, und ihre Fänge zerfetzten seine Kehle. Ein dunkler Schwall aus Blut und Wasser füllte ihren Mund. Doch der Dämon erlag nicht der tödlichen Wunde. Mit einem gewaltigen Ruck befreite er sich aus Jeshes Griff. Sein Froschkopf, halb von den Schultern getrennt, klappte nach hinten wie der Deckel einer Truhe. Wo wässriges Blut aus der klaffenden Wund strömen sollte, erhob sich ein schwarzer Schatten. Eine formlose Wolke aus Finsternis breitete sich über dem Wasserkrater aus, auf der Suche nach einem neuen Körper, von dem er Besitz ergreifen konnte.

Jeshe ließ die tote Hülle des Froschlings fahren. Hastig bückte sie sich nach dem Kristall und streckte ihn wie eine Waffe dem dämonischen Schatten entgegen. Sie rief das Wort der Macht, das die Zauberkönigin ihr genannt hatte. Die Kugel in ihren Klauen leuchtete auf. Ein gellender Schrei erklang aus der schwarzen Wolke. Wie von einem unwiderstehlichen Strom erfasst, schwebte sie dem Kristall entgegen und wurde von ihm aufgesogen. Je stärker der Schatten schrumpfte, desto dunkler wurde die Kugel, bis der dämonische Geist gänzlich in ihr gefangen saß.

Vorsichtig stellte Jeshe den magischen Kristall, in dem dunkle Schwaden zornig wogten, auf dem Boden ab. Der Plan der Zauberkönigin war aufgegangen. Einem direkten Angriff hätte der Dämon entfliehen können, und auch einen Illusionszauber hätte er sofort durchschaut. Aber als das Mädchen Elonja hatte sich der Gestaltfresser Jeshe nahe genug heranschleichen können, um den Wirtskörper zu töten und den bösen Geist in den Kristall zu bannen.

Der Gestaltfresser blickte auf den toten Froschling. Normalerweise verschlang er seine Opfer mit Haut und Haaren, um sich ihre Gestalten zu Eigen zu machen, doch diesen Körper hatte ein Dämon besudelt; er nun war ungenießbar. Außerdem würde es Königin Rhymoria nicht gefallen. Ein gemeinsamer Feind hatte Jeshe in den Dienst der Zauberkönigin geführt, aber noch immer begegnete sie ihm mit Argwohn und Vorsicht, die er nicht schüren wollte.

Ein leises Sprudeln durchbrach die Stille. Eine kleine Fontäne erhob sich aus dem trüben Nass und versprühte einen ersten, zaghaften Schauer. Blausilbern glänzten die Tropfen, die durch die Grotte perlten und den Gestank aus der Luft wuschen. Schon bald würden Schwertlilien und Knabenkraut erblühen. Frösche würden wieder über die Steine hüpfen und nach den Libellen schnappen, die um die Fontäne schwirrten.

Der Gestaltfresser seufzte bedrückt. Eben noch hatte er sich hier heimisch gefühlt, so geborgen und zufrieden wie an dem Ort, der ihn geboren hatte, doch diese Idylle des Todes hatte er eigenhändig zerstört. Er spuckte aus, um den bitteren Geschmack aus seinem Mund zu vertreiben. Was musste er noch alles tun, um das Vertrauen der Königin zu erringen?

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20241013103649ba8c1730
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Erstellt: 14.02.2009, zuletzt aktualisiert: 27.09.2016 09:58, 8233