Filmkritik von Christel Scheja
Kann man einen Serienkiller wirklich zum Helden einer Fernsehserie machen, selbst wenn er bereits als Romanheld eine gute Figur machte? Bereits seit fünf Staffeln beweist „Dexter“ in den USA, das es möglich ist, sich auf dem schmalen Grad zu bewegen und damit auch noch genügend Zuschauer zu fesseln. Das liegt daran, dass der Protagonist im Prinzip das Gesetz in die eigene Hand nimmt und nur die Menschen tötet, bei denen er sich sicher sein kann, dass sie schuldig sind und weiterhin durch die Maschen des Gesetzes rutschen werden. Dass er damit auch seinen Drang befriedigt, töten zu müssen, wiegt in diesem Fall vermutlich in den Augen der Zuschauer etwas weniger schwer.
Drei Staffeln der Serie sind bisher auf DVD erschienen. Im Free-TV tut sich „Dexter“ eher etwas schwer, da die Serie wegen der mangelnden Jugendfreigabe erst sehr spät in der Nacht laufen kann.
Dexter Morgan arbeitet als Forensiker und Blutspezialist im Polizeidepartment von Miami, auch wenn er bei den meisten als verschroben und schüchtern gilt, hat er doch einen gewissen Freundeskreis und eine Schwester, die zu ihm stehen und mit Rita sogar eine mögliche Lebenspartnerin. Das hilft ihm dabei sein Doppelleben aufrecht zu erhalten. Denn in der Nacht ist er oftmals als Jäger unterwegs, um seinem Drang nachzugehen. Dabei nimmt er nur die „Schuldigen“ ins Visier – Mörder und Vergewaltiger, die selbst Blut an den Händen haben, aber entweder noch nicht entdeckt worden sind oder bisher durch die Maschen des Gesetzes rutschen konnten. Sein Adoptivvater Harry, hat ihn durch einen Kodex in diese Richtung gelenkt. Und auch wenn der ehemalige Polizist schon ein paar Jahre tot ist, so begleitet sein Geist doch immer noch Dexter und führt mit ihm Zwiegespräche.
In den ersten beiden Staffeln wurden das bisher beschauliche und immer gleich verlaufende Leben mehrfach auf den Kopf gestellt. Erst lernte der Forensiker in dem als „Kühllaster-Killer“ bekannten Rudi seinen älteren Bruder kennen, danach begegnete er einer Frau, mit dem ihm sehr viel mehr als mit Rita verbinden könnte, und sein Geheimnis drohte durch einen misstrauischen Kollegen ans Licht zu kommen. Zudem hat er erfahren müssen, dass sein Vater Harry auch noch ein Verhältnis mit seiner leiblichen Mutter hatte.
Am Anfang der dritten Staffel ist Dexter daher ein wenig zu sehr mit seinen eigenen Gedanken beschäftigt und begeht dadurch einen folgenschweren Fehler. Er ersticht einen bei einem nächtlichen Streifzug einen Unbekannten, der sich kurze Zeit später als jüngster Bruder des Staatsanwalts Miguel Prado entpuppt. Der will natürlich herausfinden, wer der Schuldige ist und setzt ausgerechnet Dexters Abteilung auf den Fall an. Als er dann auch noch Dexter dabei erwischt, wie der sich sein eigentliches Opfer holen will, ist Miguel hellauf begeistert, denn er sieht in dem Forensiker eine verwandte Seele. Von nun an lässt er Dexter nicht mehr aus den Augen und sucht sogar dessen Freundschaft.
Doch kann und soll er darauf wirklich eingehen? Dexter ist verwirrt und weiß nicht so recht, was er tun soll, denn auch in seinem „normalen“ Leben ist nichts mehr wie zuvor, denn Rita, mit der er sich wieder versöhnt hat, erkennt, dass sie schwanger ist. Er, der sonst immer Leben nimmt, hat jetzt zusammen mit seiner Freundin ein neues hervor gebracht. Und da nun der Gründung einer Familie nichts mehr im Wege steht, wird auch eine Hochzeit vorbereitet.
So lässt sich Dexter auf das Wagnis ein, sein Doppelleben mit anderen zu teilen und merkt erst viel zu spät, das dies der größte Fehler von allen, die er bisher begangen hat, sein könnte...
Derweil sind seine Schwester Debra und die Kollegen auf der Suche nach einem neuen Serienkiller, der Miami in Schach hält – dem „Häuter“, der seinen Opfern immer wieder Hautstücke entfernt.
Schon in den beiden ersten Staffeln faszinierte das Doppelleben von Dexter Morgan und seine zweigespaltene Natur. So sicher und zielstrebig er als Killer handelt, so unsicher ist er auf der anderen Seite im „normalen“ Umgang mit Menschen – sei es nun seiner Freundin, die bald seine Frau und Mutter seines Kindes sein wird, oder mit Miguel Prado, der zum „Partner in Crime“ wird und dabei eine Begeisterung entwickelt, die selbst Dexter irgendwann unheimlich wird.
Dazu kommen auch die Gewissensbisse, erstmals einen „Unschuldigen“ umgebracht zu haben und die Zweifel, ob er Harrys Worten überhaupt noch glauben soll, weil dieser ihm in verschiedenen Bereichen nicht die Wahrheit gesagt hat. Stellenweise ist er nahe daran, alles, was er gelernt hat, über Bord zu werfen.
Man merkt, dass sich diese Staffel sehr viel vorgenommen hat, und das ist auch der Knackpunkt: Die Serie kommt diesmal nur sehr langsam in Gang, da vieles vorbereitet und einige neue wichtige Figuren eingeführt werden müssen. So schleppen sich die ersten drei oder vier Folgen mit Geplänkel dahin, ehe sich die Handlungsstränge wirklich zu entwickeln beginnen.
Am interessantesten ist dabei die Freundschaft zwischen Dexter und Miguel, die von Anfang an unter keinem guten Stern steht. Denn die beiden sind der totale Gegensatz – der eine kühl und überlegt, der andere leidenschaftlich und spontan. Gerade deswegen sind sie voneinander fasziniert und der Bezirksstaatsanwalt lässt sich schließlich in die Welt der Dunkelheit locken und verfällt ihr mit Haut und Haaren.
Doch wie geht Dexter damit um, ein Monster geschaffen zu haben, nun da er nicht weiß, ob der Kodex immer noch seinen Sinn und Zweck erfüllt? Dieser innere Konflikt erhält auch nicht den Raum, den er eigentlich bräuchte.
Wesentlich schwächer als das ist eigentlich der Handlungsstrang um Rita und die Gründung der gemeinsamen Familie. Die Figur gerät sehr oft ins Hintertreffen und wird auf wenige Charakterzüge und Wünsche reduziert, was eigentlich schade ist. Stellenweise wirkt sie sogar recht nervig.
Als Abwechslung gibt es dann natürlich auch noch Einblicke in die Erlebnisse von Debra Morgan, die sich mit einem neuen Kollegen herumschlägt und zudem hofft, auch bald eine Marke zu erhalten, auch wenn sie sich selbst fast ein Bein stellt, weil sie eine Affäre mit einem Informanten beginnt. Und auch die anderen Kollegen im Dezernat haben ihre Auftritte.
Die Schauspieler gehen wieder ganz in ihren Rollen auf, vor allem Michael C. Hall spielt „Dexter Morgan“ gekonnt souverän und weiß die Zerrissenheit des Charakters in Szene zu setzen.
Jimmy Smits (einigen vielleicht als „Bail Organa“ aus den Star Wars Filmen bekannt) liefert ebenfalls einen gelungen Auftritt ab. Oft überdreht, aber so leidenschaftlich, wie man es von Lateinamerikanern kennt, lässt er Miguel Prado immer mehr die Grenzen der Gesetze übertreten, die er selbst eigentlich vertreten sollte.
Alles in allem ist die Serie immer noch beeindruckend, auch wenn die dritte Staffel in Punkto Spannung etwas gegen die beiden ersten abfällt. Aber immerhin entwickeln sich die Charaktere allesamt weiter und bleiben nicht stehen, so dass sie immer wieder zu überraschen wissen.
Bild und Ton entsprechen dem heute erwarteten Standard, auch die Extras können sich sehen lassen, wobei „Passende Opfer“ sich auch nur als eine Art Quiz entpuppt und weit von einem interessanten Blick hinter den Kulissen entfernt ist.
„Dexter“ gelingt auch noch in der dritten Staffel die Gradwanderung zwischen interessanter Charakterstudie eines ganz besonderen Mannes und actionreichem Krimi aus der Sicht von Ermittlern und Forensikern. Gerade weil die Serie dabei oft an moralische Grenzen geht, ist die hohe Altersfreigabe gerechtfertigt. Denn auch wenn die Serie sehr feinfühlig und differenziert mit dem Thema Serienkiller umgeht, muss man doch reif genug sein, um Dexter Handlungsweise immer wieder zu hinterfragen.
Im Gegensatz zu den ersten beiden Staffeln fällt die dritte zwar etwas ab, da sie zuerst zu langsam in die Gänge kommt und später zu viel auf einmal behandeln will, aber sie bleibt dennoch immer noch erwachsene Unterhaltung von hohem Niveau.
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