Druckversion: Die drei Sonnen (Autor: Cixin Liu; Drei Sonnen 1)

Die drei Sonnen von Cixin Liu

Reihe: Die drei Sonnen Band 1

 

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

China, Ende der 1960er-Jahre: Während im ganzen Land die Kulturrevolution tobt, beginnt eine kleine Gruppe von Astrophysikern, Politkommissaren und Ingenieuren ein streng geheimes Forschungsprojekt. Ihre Aufgabe: Signale ins All zu senden und noch vor allen anderen Nationen Kontakt mit Außerirdischen aufzunehmen. Fünfzig Jahre später wird diese Vision Wirklichkeit – auf eine so erschreckende, umwälzende und globale Weise, dass dieser Kontakt das Schicksal der Menschheit für immer verändern wird.

 

Rezension:

Als letztes Jahr The Three-Body Problem den Hugo Award gewann, galt der Roman des Chinesen Cixin Liu bereits als Geheimtipp.

Der Heyne Verlag beschert uns nun kurz vor Weihnachten mit der deutschen Übersetzung und ging dabei nicht den Weg über die so erfolgreiche englische Ausgabe, sondern beauftragte Martina Hasse mit der Übertragung aus dem chinesischen Original.

Die Übersetzerin gibt uns im Anhang auch Hilfen zur Aussprache der Namen und einige Hinweise zur Sprache und Schrift. Darüber hinaus bietet sie auch zu einigen Namen und Begriffen kurze Anmerkungen, die dabei helfen sollen, in die vielleicht nicht allen Leserinnen und Lesern vertraute Kultur einzudringen.

 

Denn Die drei Sonnen von Cixin Liu liefert uns eine ganze Reihe Einsichten in sein Heimatland. In einem Interview wies Cixin Liu darauf hin, dass er mangels einer umfassenden SF-Tradition in China, seine Leserschaft in der Realität abholen müsse, bevor er sie in fremde Welten entführen könne.

Diese Realität beginnt in »Die drei Sonnen« mit der Kulturrevolution. Vor unseren Augen wird der Physiker Ye Zherei zu Tode geprügelt. Dabei hielt er nur an seinen wissenschaftlichen Erkenntnissen fest. Augenzeugin war auch seine Tochter Ye Wenije, der Astrophysik verschrieben und im Zuge der Verfolgung von Hochschulkadern verliert sie nicht nur ihren Vater. Man steckt sie zu Umerziehungszwecken in einen Arbeitstrupp, der in der Inneren Mongolei Wälder abholzt. Sie gerät in eine Intrige und nur durch Glück überlebt sie die perfide Quälerei einer Untersuchung. In einer militärischen Geheimstation soll sie sich nun beweisen und arbeitet bald an einem erstaunlichen Projekt.

 

Jahrzehnte später gerät der Forscher für Nanomaterialien Wang Miao in für ihn unerklärliche Vorkommnisse. Die Grundfeste der Physik scheint erschüttert, als ein Countdown auf seiner Netzhaut erscheint und das Universum für ihn blinkt. Während das Militär von einem Krieg spricht, macht Wang Miao die Bekanntschaft einer Sekte und des VR-Spiels »Three Body« …

 

Die Beziehungen zwischen den Figuren und Organisationen entwirren sich durch mehrere Handlungsfäden hindurch. Während wir später in Rückblenden und Erzählungen mehr über das Leben von Ye Wenije erfahren. Stellt der spannendste Aspekt wohl die Erlebnisse Wang Miaos in der Computerspielwelt »Three Body« da. Aufbauend auf dem astrophysikalischen Dreikörperproblem besucht Wang Miao verschiedene Zivilisationen auf einer Welt, die unter den chaotischen Bewegungen der drei Sonnen zu leiden haben. Wer und was hinter dieser Simulation steckt, wird bald deutlich, doch bis zum Schluss bleibt der Roman spannend, da man nie so ganz genau erahnen kann, wie sich die Konflikte auflösen lassen.

Ungewöhnlich ist die Charakterisierung der Figuren. Ye Wenije wird uns zunächst als Getriebene und Opfer der Kulturrevolution dargestellt. Auch wenn sie später von ihrem Leben erzählt, ist dieser Bericht aus einer auktorialen Sicht geschrieben. So entsteht kaum Nähe zur Figur, so hart ihr Schicksal oder ihre Entscheidungen auch sind.

Ähnlich verhält es sich mit Wang Miao. Der Blick auf ihn wahrt stets eine gewisse Distanz. Oft befindet er sich in einer Beobachtungsposition und selbst, als ihn der Countdown fast panisch werden lässt, erfahren wir das eher durch seine Begleitung.

Die wiederum nimmt eine sehr spezielle Rolle ein. Polizeiinspektor Shih Qiang ist hinterlistig, direkt, brutal und ein Querulant. Dadurch verdirbt er sich immer wieder seine Karriere, seine Fähigkeiten als Ermittler sind aber irgendwie unverzichtbar. Er nimmt innerhalb des Roman die Position einer Art Nasreddin ein. Eine Mischung aus Bauernschläue und Gangster macht ihn zwar unsympathisch aber letztlich ungemein erfolgreich. Er ergänzt die naive Lebensart des Physikers.

Neben den beeindruckenden Details in die chinesische Geschichte besticht »Die drei Sonnen« von Cixin Liu vor allem durch raffiniert vermitteltes physikalisches Wissen.

Neben einer ausführlichen Darstellung der Probleme mit drei Sonnen erfahren wir recht anschaulich Ideen zum Mikrokosmos von Elementarteilchen.

Die Erwartungen für die beiden weiteren Bände der Trilogie sind nach diesem fulminanten Einstiegsband zu Recht hoch.

 

Ein wunderschönes Cover von Stephan Martinière runden den positiven Eindruck des Buches ab. Es nimmt direkt auf die Handlung Bezug und stellt eine der Landschaften des Spieles »Three Body« dar. Das für die deutsche Ausgabe revidierte Nachwort des Autors gibt darüber hinaus weitere Einblicke in seine Schreib-Intention und seine SF-Verankerung. Inwieweit man seinen Aussagen zu politischen Ambitionen Glauben schenkt, bleibt jeder Leserin und jedem Leser selbst überlassen. Die historischen Ereignisse in der Volksrepublik bilden zumindest eine wesentliche Schicht des Romans und tragen zum Erfolg des Romans nicht unwesentlich bei.

 

Fazit:

»Die drei Sonnen« von Cixin Liu ist ein hochspannender Hard-SF-Roman, der Maßstäbe setzt und darauf hoffen lässt, dass wir bald noch weitere chinesische SF auf Deutsch kennenlernen können.

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Buch:

Die drei Sonnen

Reihe: Die Drei Sonnen Band 1

Original: San Ti, 2006

Autor: Cixin Liu

Übersetzerin: Martina Hasse

Übersetzer Nachwort: Jakob Schmidt

Taschenbuch, 591 Seiten

Heyne, 12. Dezember 2016

Cover: Stephan Martinière

 

ISBN-10: 3453317165

ISBN-13: 978-3453317161

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B0196U2OE4

 

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, zuletzt aktualisiert: 10.04.2024 18:52