Die Fantastischen 6 (Herausgeberin: Charlotte Kerner)
 
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Die Fantastischen 6 hrsg. von Charlotte Kerner

Rezension von Ralf Steinberg

 

Verlagsinfo:

Die Großmeister von Horror, Fantasy und Science Fiction, ihre Lebensgeschichten und ihre fantastischen Welten: Sechs faszinierende Portraits, die zugleich ein spannender Einstieg in die Fantastische Literatur sind, von Frankenstein, Dracula, dem Herrn der Ringe bis(s) hin zu Solaris, Blade Runner und ES:

Jeder dieser sechs Namen lässt bekannte fantastische Bilder entstehen. Alle sind Titel berühmter Romane, geschrieben von sechs Schriftstellern, die weltweit zu den meist gelesenen Autoren gehören.

Ihre Werke prägten in den letzten 200 Jahren entscheidend die modernen Genres Horror, Science-Fiction und Fantasy und schenkten uns neue Mythen. Früher gerne als »Schundliteratur« abgetan oder unterschätzt, sind ihre Werke inzwischen auch literarisch anerkannt. Alle gelten als die Klassiker ihres Genres und liefern bis heute große Stoffe für wunderbare Filme und erschufen Filmikonen: neben den Klassikern »Frankenstein« mit Boris Karloff und »Dracula« schrieben auch moderne Verfilmungen Geschichte - von »Shining« über »Blade Runner« bis zu »Solaris« und »Herr der Ringe«.

 

Rezension:

Die Lebensgeschichten von Stephen King, Philip K. Dick, Stanislaw Lem, J.R.R.Tolkien, Bram Stoker und Mary Shelley nebeneinander in einem Buch zu veröffentlichen hat schon etwas Beeindruckendes an sich. Herausgeberin Charlotte Kerner versammelt mit den Essays eine Auswahl an Phantastik-Autoren, die durch ihr Werk das Genre wesentlich beeinflussten und weit über die ihre Lebensspanne hinaus noch werden.

Unwichtig, wessen Leben und Werk ebenso erwähnenswert wäre, vielleicht setzt Frau Kerner Die Fantastischen 6 ja fort.

 

Gewöhnlicherweise führt der Phantastik-Begriff in Deutschland schnell zu Diskussionen über Einordnungen oder Definitionen, dem verweigert sich der Band konsequent. Die Autoren werden anhand ihrer Werke vorgestellt, mal über ihre gesamte Breite, mal konzentriert auf das berühmteste – im Zentrum steht aber immer der Mensch.

 

Eine sehr persönliche Vorstellung von Stephen King liefert Marcel Feige. Über persönliche Leseerfahrungen findet er einen schnellen Einstieg in die Faszination von King. Der biografische Hintergrund ist groß, wird jedoch sehr spannend mit Werkgeschichte verknüpft. Besonders die Ambivalenz zwischen dem persönlichen Drama und dem kommerziellen Erfolg fängt Feige sanft und ohne Häme ein. Die Idee, alle Überschriften mit dem Titel des King-Meisterwerkes ES zu verknüpfen, verleiht dem Essay eine spezielle Note.

 

Psychologischer geht es in dem Text der Herausgeberin über Philip K. Dick zu. Der ohne Zweifel seelisch stark belastete Autor steht bei ihr mit all seiner Zerrissenheit und Genialität im Mittelpunkt, die ihn zwar literarisch Großes leisten lässt, dem Leben gegenüber aber zum Getriebenen macht. Als Überschriften dienen diesmal Titel von Dick und es ist erstaunlich, wie Charlotte Kerner anhand dieser teils poetischen Titel ein Leben präsentiert, dass weder Sympathien generiert noch zur Verehrung taugt. Das aber macht den besonderen Reiz des Autors aus.

 

Dicht an einer Biografie ist Bernd Flessners Artikel über Stanislaw Lem. Besonders der wissenschaftliche Lem kommt dabei etwas zu kurz. Zwar werden die Lebensstationen mit Werken und ideologischer Auseinandersetzung verknüpft, nach den beiden anderen sehr intensiven Texten enttäuscht die Kürze aber etwas. Lems Bedeutung besonders für die Zukunftsforschung ist vielleicht aber auch ein zu komplexes Thema, spannend jedoch allemal.

 

Die drei anderen Fantastischen werden gemeinhin nur mit einem Werk in Verbindung gebracht, umso besser, wenn es Artikel gibt, die sie in ihrer Gesamtheit betrachten.

 

Zunächst nähert sich Frank Weinreich J. R. R. Tolkien und setzt Mittelerde ins Zentrum der Betrachtung. Im Leben Tolkiens stellte die Suche nach einer englischen Mythologie einen wesentlichen Aspekt dar. Dass dabei Kriegserfahrung und Technologieskeptizismus als weitere Einflüsse in sein Werk hineinwirkten, zeigt der Autor anhand der Biografie ebenso die Bedeutung von Gefährten. Vielleicht hätte man noch weitere Lehr- und Forschungsgebiete thematisieren können, aber Der Herr der Ringe steht wohl zu monolithisch in der Sicht. Dem Redaktionsschluss ist es geschuldet, dass die Neuigkeiten zur Verfilmung des Kleinen Hobbit leider schon wieder überholt sind. Hoffen wir dennoch das Beste dafür!

 

Über den Autor des Dracula, Bram Stoker weiß man gemeinhin deutlich weniger, trotz aller Vampirwellen. Jürgen Seidel konzentriert sich auf die fast manische und verhängnisvoll erscheinende Beziehung Stokers zu dem Schauspieler Henry Irving, der zu einer Vorlage des Vampirs werden sollte. Die Untersuchung anhand der biografischen Details ist dicht und intim – Stoker erscheint androgyn und verletzlich. Eine durchaus spannende Sicht auf den großen Unbekannten.

 

Auch für Mary Shelley ist ihr berühmtestes Werk Frankenstein eine lebenslange Herausforderung gewesen. Anja Stürzer belegt entlang der biografischen Daten das Leben einer Frau, die nicht nur entsetzliche Schicksalsschläge verwinden musste, sondern auch in einer Zeit versuchte, eine selbstbewusste Frau zu bleiben, in der Frauen für gewöhnlich nicht selbst über ihr Leben bestimmen konnten. So ist der Einfluss von Vater und Mann stets bedeutsam für Mary Shelley geblieben. Ihre Arbeit am Werk und Gedankengut ihres Vaters William Godwin und vor allem ihres geliebten und früh verstorbenen Gatten Percy B. Shelley halfen ihr, zu bestehen. Dass da ganz am Anfang jenes Jahrhundertwerk stand, mit 19 Jahren in einem wilden Sommer verfasst, erscheint wie ein lang vergessenes Wunder.

 

Beltz bringt das Buch als gebundene Ausgabe mit Schutzumschlag heraus - leider fehlt das Lesebändchen – mit einem phantastischen Titelbild. Es ist zu wünschen, dass weitere Essays folgen werden.

 

Fazit:

Sechs phantastische Autoren werden in diesem Band vorgestellt, mit jeweils ganz verschiedenen Texten, die mal das Werk und mal das Leben in den Mittelpunkt rücken. Wer die Biografien von Mary Shelley, Bram Stoker, Tolkien, Stanislaw Lem, Philip K. Dick und Stephen King nicht auswendig kennt, kann hier vieles erfahren und vielleicht einen Autor entdecken, den zu lesen sich lohnt.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403281519075992afbe
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Buch:

Die Fantastischen 6

Herausgeberin: Charlotte Kerner

Gebunden, 297 Seiten

Beltz, 22. Februar 2010

 

Inhalt:

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ES: Stephen King (* 1947) ist der Meister des Schreckens von Marcel Feige

Blade Runner: Philip K. Dick (1928 - 1982) wurde zum Kafka Amerikas von Charlotte Kerner

Solaris: Stanislaw Lem (1921 - 2006) suchte die Zukunft von Bernd Flessner

Herr der Ringe: J. R.R. Tolkien (1892 - 1973) lebte für die Fantasie von Frank Weinreich

Dracula: Bram Stoker (1847 - 1912) machte einen Unsterblichen unsterblich von Jürgen Seidel

Frankenstein: Mary Shelley (1797 - 1851) erschuf das berühmte Monster von Anja Stürzer

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ISBN-10: 3407810709

ISBN-13: 978-3407810700

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 03.10.2010, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 11041