C. C. Holister lieferte uns in den letzten Jahren vor allem frechfröhliche Fantasykomödien, deren Schwerpunkt auf Gothik-Romantasy lag.
Mit Die Farbe der Knochen von Alpakas am Strand legt die Autorin nun aber ein Sozialdrama vor, das zu den Horror-Highlights des Jahres gehört.
Dabei verlässt sie gar nicht einmal ihr selbstgeschaffenes Universum. Tragischer Ausgangspunkt des neuen Romans ist wie im 2019 erschienenen Inferno für Anfänger die Explosion eines Busses in einer Kleinstadt. Dabei starben nicht nur die beiden Verursacherinnen Cay und Mia, die Protagonistinnen der Demon’s Dairies, das Ganze schockt vor allem die Schule, auf die die beiden gingen. Vorkenntnisse sind aber nicht nötig für die Lektüre des Buches, für Fans der Reihe sind die Verbindungen aber immer mal wieder in Figuren oder Erwähnungen zu sehen.
Bei dem Busunglücg wurde zum Glück wurde aus der Klasse von Herrn Winter nur ein Mädchen leicht verletzt, die in der Nähe des Unglücks stand, aber die Klasse hat darüber hinaus derartig viele Probleme, dass die Schulleitung ein einwöchiges Teambuilding-Seminar auf Helgoland anordnete. Das größte Problem der Jugendlichen aber heißt Leah, das Mädchen, dass sich von einem Dach in den Tod stürzte. Leah war der Prügelknabe der Klasse, das Mobbing-Opfer. Ihr Tod verschiebt ein paar Strukturen, was bereits auf der Überfahrt nach Helgoland deutlich wird. Doch die Fähre gerät in ein seltsames Unwetter, die Stromversorgung wird beschädigt und man evakuiert die Passagiere. So landet die Schulklasse und eine Journalistin, die sich mit dem Lehrer bekannt gemacht hatte, auf der Insel Hoogenhörn. Ein Ort mit wenigen Häusern und etlichen Alpakas, aber immerhin kommt die Schulklasse in der örtlichen Jugendherberge unter, die trotz Renovierungsarbeiten ein paar fertige Zimmer anzubieten hat.
Während die Jugendlichen dank Handyverbot während der Reise ziemlich genervt reagieren, versucht der Lehrer, so schnell wie möglich weiter nach Helgoland zu kommen und das beste aus dem unfreiwilligen Zwischenstopp zu machen, doch das erweist sich als schwerer als gedacht.
Und schon bald läuft überhaupt gar nichts mehr wie gewohnt oder halbwegs normal …
C. C. Holister legt früh Spuren, dass wir keinen normalen Schulausflug bekommen werden und diese Klasse würde das auch gar nicht hinbekommen.
Die Probleme offenbaren sich dabei nach und nach. Während das Thema Mobbing durch eine Mädchenclique um die »Richter-Tochter« Janet von Beginn an omnipräsent ist, tauchen nach und nach weitere Problemfelder auf. Drogen, Stalking, Erpressung, Neid auf erfolgreiches Influenzen, Eifersucht, Rache, zerbrochene Kindheitsfreundschaften – diese Klasse ist an sich schon der reinste Horror. Was die jungen Menschen sich hier gegenseitig antun, liefert diverse Gänsehautmomente. Das Geflecht an Intrigen und Beziehungen wird dabei immer monströser.
Ganz klassisch für Horrorgeschichten hindert der Fokus auf sich selbst, die Kids zunächst zu erkennen, dass auf der Insel einiges ganz und gar nicht stimmt.
Die Autorin verbindet den inneren Horror sehr geschickt mit den äußeren Seltsamkeiten, auch wenn sie uns Leserschaft früh einen Einblick darin gibt, was mit Hoogenhörn nicht stimmt und warum ausgerechnet das Mädchen mit dem Kurzhaarschnitt in Schwarz im Zentrum des Geschehens steht.
Aber auch um den Lehrer und die Journalistin Vivian entwickelt sich ein faszinierender Plot, der uns in die Vergangenheit führt.
Für die Figurenzeichnung verwendet die Autorin einen beständigen Perspektivwechsel und erzählt die Geschichte jeweils aus der Sicht einer Figur, blickt dabei in ihre Gedanken und Erinnerungen. Eine objektive Erzählinstanz gibt es nicht, sodass wir selbst bei den unsympathischeren Figuren stets ganz nah am Moment bleiben und das subjektive Erleben ihrer Motive die Wahrnehmung bestimmt. Daraus entwickelt sich eine anschwellende Spannung, die sich erst in einem krachenden Finale entlädt. Und zu einem so passenden wie unerwarteten Twist führt.
Der Spannungsaufbau wird übrigens auch in den Kapitelüberschriften sichtbar, die Countdown-mäßig die Aufenthaltstage herunterzählen. Nach jedem Kapitel gibt es zudem QR-Codes in kleinen Alpakas, die zu erweitertem Content auf der Webseite inferno-books.com führen. Dort gibt es neue Szenen aber auch Zeitungsartikel, die Hintergrundmaterial zu den mysteriösen Geschehnissen in der Vergangenheit liefern.
Und natürlich darf das tolle Cover, der großartige Titel, dessen Bedeutung im Roman tatsächlich erklärt wird, nicht unerwähnt bleiben. Der Periplaneta Verlag hat hier in der Edition Drachenfliege erneut sein Geschick bewiesen, großartige Phantastik herauszugeben.