Die fünf Seelen des Ahnen (Autorin: Ulrike Nolte, Genre: ScienceFiction)
 
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Leseprobe: Die fünf Seelen des Ahnen

Auf der Suche nach einem neuen Heimatplaneten entdeckt die Crew der ’Arche’ eine Wasserwelt. Doch schon die erste Außenmission wird zur Katastrophe. Ein Crew-Mitglied verschwindet spurlos und taucht körperlich und psychisch verändert wieder auf. Bald beginnt sein Ehemann sich zu fragen, wie menschlich Caravan eigentlich noch ist ...

 

Wer hat Caravan das Gedächtnis genommen, ihn mit seltsamen Fähigkeiten ausgestattet? Kapitänin Randori ist entschlossen, das Rätsel zu lösen. Ihr läuft die Zeit davon, denn auf dem Planeten beginnt sich eine fremde Intelligenz zu regen, und an Bord ihres Schiffes bricht ein Machtkampf aus.

 

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Kapitel 12

 

Das Shuttle schwebte wenige Meter über dem glasklaren Meer von Archensee. Sanfte Wellen rollten unter dem Fremdkörper aus Metall hinweg.

Kapitänin Randori starrte aus der Tür des Fliegers nach unten. Sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass die Wasserfläche etwas Lauerndes hatte. Nur widerwillig wandte sie sich ab. Der Recycler hatte inzwischen ihren Tauchanzug fertig gestellt, doch während sie sich in den Stoff zwängte, warf sie immer wieder Blicke durch die Türluke.

Dort unten lag der schimmernde Korallenwald, in dem man Caravan vor wenigen Wochen das Gedächtnis genommen hatte. Was würde passieren, wenn sie ihn nun dorthin zurückbrachte? Würde seine Anwesenheit ausreichen, um die fremden Intelligenzen dieser Wasserwelt endlich zu einer Reaktion zu bewegen?

Caravan trat neben Randori in die Türöffnung. Er war nackt bis auf das Sauerstoffgerät im Mund. Die Aliens konnten ihn leichter wiedererkennen, wenn sein Gesicht und sein Körper nicht verhüllt waren. Randori schaute an ihrem neu designten Anzug mit unverwüstlicher Duraflex-Beschichtung und integriertem Atemtank hinunter und bekam ein schlechtes Gewissen. Sie wollte nicht näher darüber nachdenken, drehte sich schwerfällig um und ließ sich aus der Tür fallen.

Einige Sekunden verlor sie die Orientierung, als das Wasser über ihr zusammenschlug, aber sie hatte diese Situation oft genug geübt. Die ersten Handgriffe erledigte sie mechanisch, überprüfte den Sitz ihres Anzugs, ließ Luft aus den Düsen und sank in die Tiefe. Erst dann nahm sie sich Zeit, sich umzusehen.

Eine sonnendurchflutete Landschaft breitete sich unter ihr aus. Schlanke Korallenpfeiler standen dicht an dicht und bildeten einen filigranen Irrgarten aus Pastelltönen und wirbelnden Luftblasen. Erst schaute sie aus Vogelperspektive darauf herab, dann sank sie weiter, bis sie zwischen den Streben schwebte. Sie kam sich vor wie in einer Tropfsteinhöhle, umgeben von einem Gewirr hellblauer Stalagmiten. Weiße Wimpernhärchen umschlossen die Porenöffnungen, aus denen in gleichmäßigem Rhythmus Blasen aufstiegen. Randori konnte spüren, wie die Luftperlen den dünnen Hightech-Stoff ihres Schutzanzugs entlang sprudelten. Das ganze Meer fühlte sich an wie ein sonnenwarmer Whirlpool. Wohlig ließ sie sich vorwärts treiben, bis sie bei ihren beiden Begleitern ankam, die auf sie gewartet hatten. „Ich wünschte, ich wäre Caravan. Er kann hier splitternackt herumschwimmen“, grinste sie und drehte sich genüsslich im Blasengestrudel.

Serail war nicht für solche Scherze aufgelegt. „Ich hätte lieber eine klare Sicht. Man kommt sich vor, als würde man durch eine geschüttelte Seltersflasche schauen. Hinter der nächsten Säule könnte eine ganze Horde Aliens lauern, ohne dass wir sie bemerken.“

Randori musste zugeben, dass er Recht hatte. Die feenhafte Schönheit der Umgebung wiegte einen schnell in trügerische Sicherheit. „Wir sollten wohl eine Stelle suchen, wo die Säulen weniger dicht stehen.“ Sie ließ wieder Luft in die Auftriebselemente und schwebte nach oben, bis der Whirlpool-Effekt nachließ. Als sie zurückschaute, sah sie das Männerpaar mit gleichmäßigen Flossenschlägen folgen. Eine lange Zeit schwammen sie geradeaus, während sich die Korallenlandschaft unter ihnen allmählich veränderte.

Das Meer wurde tiefer und die Türme massiver. Sie ragten wie ein Wald aus kahlen Baumstämmen in die Höhe. Ihre Farben waren dunkler, gedämpfte Braun- und Blautöne bestimmten das Bild. Das Wasser schien kälter zu werden, oder vielleicht war das auch nur Einbildung. In den Abständen zwischen den Säulen bewegten sich viele kleine Lichter.

„Habt ihr dieses Gefunkel bei eurem ersten Tauchgang auch gesehen?“, fragte Randori.

Serails Stimme klang ein wenig scheppernd durch das Mikrofon: „Nein. Ich frage mich, was das ist. In den Berichten der anderen Expeditionen stand auch nichts von schwimmenden Glühpunkten.“

„Ich schlage vor, dass wir uns das näher ansehen.“ Randori tauchte entschlossen nach unten, und als sie tiefer kam, wurde das Wasser regelrecht kalt für diese tropischen Bezirke. Sie spürte, wie eine starke Strömung sie erfasste und glitt schnell auf die massigen Pfeiler zu. Bald trieb eines der Lichter in ihrer Nähe vorbei. Zu ihrer Überraschung war es ein winziger Fisch mit durchsichtiger Haut. In seinem Bauch befand sich eine leuchtende Kugel, ansonsten schien er keine Substanz zu besitzen. Es waren keine inneren Organe oder Ähnliches zu erkennen, auch keine Augen, keine Mundöffnung. Das Wesen wirkte wie eine Transporthülle für das Licht, das von ihm ausstrahlte.

Randori stellte fest, dass es sich im gleichen Tempo neben ihr herbewegte, von der Strömung getrieben. Sie konzentrierte sich ausschließlich auf das winzige Geschöpf, so dass sie fast gegen den Pfeiler geprallt wäre, auf den sie beide zuschwammen. Der Leuchtfisch wurde gegen eine der Atemöffnungen gespült, von denen die Säule bedeckt war. Er zappelte ein wenig. Dann wurde er regelrecht eingesogen. Randori zuckte zusammen und wich von dem Korallenturm zurück. Sie wollte nicht riskieren, dass mit ihren Fingern das gleiche geschah.

Das Drama hatte sich zu schnell abgespielt, um es genau zu beobachten. Hatte die Säule das Tierchen tatsächlich gefressen? Für den Bruchteil einer Sekunde hatte Randori den Eindruck gehabt, die Körperhülle des Wesens habe sich von selbst aufgelöst. Es sah aus, als sei der Leuchtfisch mit der Korallensubstanz zu einer Einheit verschmolzen. Suchend schaute Randori sich nach einem weiteren Exemplar um, an dem sie den Ablauf genauer beobachten konnte.

Zu ihrer Überraschung strahlte in diesem Moment ein zweiter Leuchtfisch ungefähr vier Meter unter ihren Füßen auf. Hatte der Korallenturm das Tierchen an einer anderen Stelle wieder ausgespuckt? Neugierig folgte Randori dem davontreibenden Wesen.

Es dauerte nicht lange, bis der nächste Riesenpfeiler vor ihnen auftauchte. Diesmal war Randori vorbereitet. Als das Lichtgeschöpf die Korallenoberfläche berührte, schob sie schnell das Gummi ihrer Taucherflosse dazwischen. Tatsächlich konnte sie sehen, dass sich die Hauthülle des Tierchens schon in Auflösung befand. Obwohl der Kontakt zur Säule unterbrochen war, setzte sich die Verwandlung fort, bis das fischartige Geschöpf nicht mehr vorhanden war und an seiner Stelle drei winzige Energiebälle im Wasser trieben. Randori starrte fasziniert auf das seltsame Phänomen, als sie plötzlich grob am Arm gepackt und zur Seite gerissen wurde. Die Lichtpunkte berührten die Säule und verschwanden.

Erschrocken und wütend fuhr Randori im Wasser herum. Caravan schwebte neben ihr. Er hielt noch immer ihren Arm mit hartem Griff. Sein Gesicht war ausdruckslos, seine Augen schienen durch sie hindurch zu sehen. Randori fühlte, wie ein nervöser Schauer sie überlief. „Was ist passiert?“, fragte sie ins Mikrofon, während sie Caravans Hand abschüttelte.

„Ich bin mir nicht sicher“, hörte sie Serails Stimme in ihrem Tauchhelm. „Er hat sich eine Art Muschelkolonie angesehen, aber dann hat er mitbekommen, was du tust und ist plötzlich völlig ausgeflippt. Was hast du getan?“

„Keine Ahnung. Ich schätze, dein Getrauter hat gerade seine erste nicht-menschliche Reaktion gezeigt. Darauf haben wir doch gewartet, richtig?“ Sie wedelte mit der Hand vor Caravans Gesicht herum, und er schaute sie verwirrt an. „Tja, er ist wieder zurück und weiß anscheinend auch nicht, was passiert ist.“

 

Die nächsten Stunden verbrachten sie damit, in vorsichtigem Abstand hinter Leuchtfischen herzuschwimmen. Mit ihren Helmkameras zeichneten sie jede Bewegung auf. Caravan schaute ihnen bei der Arbeit zu, ohne sich noch einmal einzumischen. Da er keine Messgeräte hatte, tauchte er ohne großes Interesse neben ihnen her und benahm sich völlig normal. Bei der ersten Erholungspause an Bord erklärte er schulterzuckend, dass er sich nicht erinnern konnte, warum er Randori angegriffen hatte ...

Sie war nicht überzeugt, dass er die Wahrheit sagte, aber ließ es auf sich beruhen. Es würde wenig nützen, ihn zu drängen.

Inzwischen war sie bei Fisch vierundsiebzig angelangt, und Randori stellte fest, dass ihr die Geduld für biologische Feldforschung fehlte. Soweit sie sehen konnte, benahmen sich alle genau gleich. Sie trieben mit der Strömung, benutzten ihre Flossen nur, wenn sie in eine Sackgasse geraten waren, und ließen sich von einer Säule verschlucken. Einige Sekunden, nachdem sie mit der Korallenoberfläche verschmolzen waren, tauchten sie heil und unversehrt an einer anderen Stelle wieder auf und setzten ihren Weg fort.

„Da drüben ist Fisch fünfundsiebzig“, stellte sie fest. „Ein besonders hübsches Exemplar. Bestimmt möchtest du ihn filmen, Serail?“

Er gab einen Brummton von sich und wollte gerade dem Licht hinterher tauchen, als Caravan sich versteifte. Unruhig drehte sich der Matrose um die eigene Achse und starrte hoch zur spiegelnden Wasseroberfläche. „Oh, oh“, kommentierte Serail. „jetzt flippt er wieder aus.“

Caravans Kopf zuckte unruhig hin und her, dann schoss er ruckartig auf seinen Getrauten zu und versuchte, ihn mit Gewalt in Richtung der nächsten Säule zu ziehen.

„Lass den Quatsch!“ fuhr Serail ihn an und schüttelte seine Hand ab. Caravan gestikulierte wild vor seinem Gesicht.

„Vielleicht sollten wir tun, was er will“, meinte Randori zögernd. „Er ist ziemlich aufgeregt, und schließlich ist er unser Archensee-Experte.“

Der Matrose sah sie zweifelnd an, aber dann folgte er Caravan, der mit Höchstgeschwindigkeit nach unten paddelte. Sie kamen zu dritt dicht über dem Grund bei einer Höhlenöffnung an, die sich im aufgetürmten Felsgestein gebildet hatte. Caravan quetschte sich hinein, die anderen schlossen sich ihm an.

Gleich darauf stießen sie schon auf die Rückwand. Die Aushöhlung war gerade groß genug, damit sie alle hineinpassten. Es war nur eine gewöhnliche, runde Felshöhle.

„Ja, und jetzt?“, fragte Serail.

In diesem Moment verdunkelte sich das Wasser, und ein riesiger Schatten strich über sie hinweg. Eine Druckwelle wie von einem gewaltigen Flossenschlag presste ihre Körper gegeneinander.

„Was ... was war denn das?“ Serail drückte sich gegen die Wand und schien darin verschwinden zu wollen.

„Caravan macht den Eindruck, als wüsste er es“, sagte Randori mit neu erwachtem Misstrauen. „Dabei sollte er eigentlich unter Gedächtnisverlust leiden, richtig?“

Eine zweite Druckwelle lief über sie hinweg, und der Rückstrudel hätte Serail fast aus dem Versteck gerissen. Ein gewaltiger Körper krachte gegen den Fels. Ein Kopf mit vielen spitzen Zähnen war für Sekunden vor der Öffnung zu sehen. „Ich glaube, mir wird schlecht“, ächzte Serail.

„Verlier jetzt bloß nicht die Nerven!“ befahl Randori.

„Das ist ein toller Rat, Kapitänin.“ Das Raubtier warf sich erneut gegen das Felgestein, und über ihnen begann die Decke zu bröckeln. „Ein wirklich toller Rat.“

Jetzt folgte bebend Schlag auf Schlag. Ein schuppiger Körper rieb sich an der Öffnung entlang, dann starrte ein schmales gelbes Auge durch den Spalt. Das Lid klappte von der Seite her langsam zu und wieder auf, als würde das Monster ihnen zublinzeln. Durch das Wasser klangen tiefe, röchelnde Töne. Die Schallwellen reichten, um den Fels erbeben zu lassen.

Serail hatte sich panisch zusammengekauert. Er murmelte vor sich hin, während Gesteinsbrocken auf ihn herabbröckelten. Ein spitzes Felsstück rammte direkt neben ihm in den Boden, und Serail flüchtete mit einem Schrei aus der Höhle.

„Serail, nicht! Bleib hier, du Idiot!“ schrie Randori ihm hinterher. Sie wollte ihm instinktiv folgen, doch wurde von Caravan gepackt und festgehalten.

Mit einer autoritären Handbewegung befahl er ihr, in Deckung zu bleiben. Ihre Blicke trafen sich, und Randori fühlte fast körperlich, wie sein Wille sie zurückschob. Einen Moment wollte sie sich aus purem Stolz weigern, der Aufforderung zu gehorchen, dann nickte sie und gab den Weg nach draußen frei. Caravan stieß sich von der Wand ab, um Schwung zu holen, und schoss an ihr vorbei ins offene Wasser.

Randori näherte sich vorsichtig dem Ausgang der Höhle und schaute hinaus. Durch die Öffnung konnte sie sehen, wie Serail mit verzweifelten Flossenstößen vor dem Maul eines Ungeheuers flüchtete. Es glich auf abstoßende Art einem gehäuteten Molch. Sein Körper war milchig durchscheinend, so dass man die Adern und inneren Organe darin pulsieren sehen konnte. Jetzt streckte es beinah nachlässig seinen Hals aus, um Serail aus dem Wasser zu pflücken.

Caravan kam wieder ins Blickfeld. Er bewegte sich mit einer unglaublichen Geschwindigkeit. Seine Gestalt schien stromlinienförmig, und er schrie dem Ungeheuer einen schrillen, hohen Ton entgegen, den Randori bis zu ihrem Versteck hören konnte. Das Raubtier drehte sich verwirrt und etwas schwerfällig zur Seite, dem winzigen Angreifer entgegen. Dann löste sich Caravan auf.

Eine schwarze, brodelnde Masse breitete sich durch das Wasser aus, wo eben noch die Gestalt eines Menschen gewesen war. Randori fühlte einen starken Sog und klammerte sich am Felsen fest, um nicht in das plötzliche Vakuum hineingezogen zu werden. Die Masse verfestigte sich, und das Meer wallte auf, als ein Alptraumgeschöpf aus dem Nichts hervorwuchs. Randori erkannte im aufgewühlten Wasser einen Seeschlangenkörper mit grünen Schuppen, die wie Messer zu allen Seiten ragten. Das Tier wurde immer riesenhafter, und Randori dachte einen abergläubischen Moment lang an die Vikingar-Gilde und die uralte Sage von der Midgardschlange, die mit ihrem Körper die Weltkugel umspannte. Als das Wesen sich ganz aus dem Wasser herausgeschält hatte, wirkte das erste Raubtier nur noch wie eine hilflose Beute. Ohne große Anstrengung wand sich die Seeschlange um den milchigen Körper herum und drückte langsam zu. Die messerscharfen Schuppen drangen in das zuckende Fleisch, und dunkles Blut quoll aus Hunderten von Schnitten. Der Kopf der Schlange stieß vor, er schien nur aus Zähnen zu bestehen, und riss die Kehle des Molchs fast bis zur Bauchdecke auf. Mit grausamer Gründlichkeit zerfetzte das Ungeheuer den gefangenen Körper in kleine Stücke, die als blutige Masse auf den Meeresgrund sanken.

Randori hatte sich hinter der schützenden Felswand zusammengekauert und versuchte sich zu erinnern, dass dieses Horrorgeschöpf ein Mensch und ein Freund gewesen war und dass es auf ihrer Seite stand ... vermutlich.

Als sich das Wasser langsam wieder klärte, sah sie inmitten der Blutwolken Serails Körper reglos zwischen den Korallensäulen treiben. Alle ihre Instinkte befahlen ihr, dem jungen Mann zur Hilfe zu kommen, aber dennoch dauerte es mehrere lange Sekunden, bis sie sich überwinden konnte, den Schutz der Höhle zu verlassen. Sie blickte starr geradeaus, während sie auf ihn zu schwamm, und ignorierte den Kopf der Seeschlange, der dicht neben ihr trieb. Das starre Facettenauge, an dem sie vorbeitauchte, war so groß war wie ihr ganzer Oberkörper. Das Tier regte sich nicht.

Als sie Serail erreicht hatte, griff sie nach seinem Handgelenk und fühlte durch den dünnen Tauchanzug seinen Puls, der kräftig und gleichmäßig schlug. An seinem rechten Bein hatte sich der Stoff blutig verfärbt. Randori besaß wenig medizinische Kenntnisse, aber Serails Zustand schien immerhin nicht lebensbedrohlich zu sein. „Was sagt die Ferndiagnose?“, fragt sie ihren Shuttlepiloten.

„Moment, ich warte auf das Ergebnis“, antwortete Lazarus sachlich. „ … Der Strom empfiehlt, dass du ihn sofort hochbringst, auch wenn ihr dann Symptome von Taucherkrankheit riskiert. Der Recycler ist schon dabei, einen Autodoc zu produzieren.“

„In Ordnung.“ Sie schwamm hinter Serail, wie sie es bei den Rettungsübungen gelernt hatte. Gerade hatte sie ihn mühsam in Position bugsiert, um ihn unter den Achseln zu fassen, da spülte eine Druckwelle sie zur Seite und brachte sie dazu, sich umzudrehen. Hinter ihr hatte sich das Wasser wieder zu einer undurchsichtigen Wolke gefärbt, und die Konturen der Seeschlange zerfielen vor ihren Augen. Diesmal ging die Verwandlung langsamer vonstatten, vielleicht aus Rücksicht auf ihre wissenschaftliche Neugier. Eine menschliche Gestalt formte sich in der Mitte des Wasserstrudels, verfestigte sich und schwamm auf sie zu.

Das Bild war zu unwirklich, um Angst auszulösen. Es dauerte eine Weile, bis Randori klar wurde, was an dieser Erscheinung nicht stimmte: Caravan hatte kein Atemgerät mehr im Mund. Das hinderte ihn nicht daran, ruhig und gleichmäßig Luft zu holen.

Der nichtmenschliche Doppelgänger schaute sie aus plötzlich älter gewordenen Augen an und löste behutsam ihre Hände von Serails Tauchanzug. Er nahm seinen Getrauten in die Arme und tauchte mit ihm nach oben. Lichtbündel fielen gleißend durch die Wasseroberfläche und ließen die zwei verschlungenen Körper in flirrendem Glanz erstrahlen. Randori folgte ihnen mit den Augen, und als sich die Gestalten im Schimmer des Meeres verloren hatten, begann sie vorsichtig ihren eigenen Aufstieg.

 

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Die fünf Seelen des Ahnen

Autorin: Ulrike Nolte

Broschiert - 228 Seiten

Atlantis, Stolberg erschienen Mai 2006

ISBN: 3-936742-60-X

Titelbild von F. Fiedler

Erhältlich bei: Amazon

Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.


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Erstellt: 29.09.2007, zuletzt aktualisiert: 14.02.2015 02:18, 4990