Die Gänse des Kapitols von Frank W. Haubold
Reihe: Götterdämmerung 1
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Fünfundzwanzig Jahre nach der siegreichen Schlacht vor Joyous Gard bestimmt militärische Routine das Leben auf dem Außenposten Pendragon Base. Als Kommandant Raymond Farr die attraktive Miriam Katana kennenlernt, ahnt er noch nicht, dass diese Begegnung sein Leben verändern wird. Es droht nicht nur die Wiederkehr eines alten Feindes, auch innerhalb der Föderation häufen sich die mysteriösen Ereignisse als Vorboten einer Konfrontation unvorstellbaren Ausmaßes …
Rezension:
Im Nachwort gibt Frank W. Haubold Einblick in die Entstehung des ersten Bandes der geplanten Götterdämmerung-Trilogie. Anlass war die Erzählung Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke von Rainer Maria Rilke. Haubold hatte die Idee, die Geschichte in die Zukunft zu verlegen und beginnt Die Gänse des Kapitols mit einem poetischen Prolog, der dem lyrischen Duktus Rilkes folgt. Er beschreibt jene im Klappentext erwähnte Schlacht vor Joyous Gard, als es der Förderation gelingt, einen unsichtbaren Feind endlich zurückzuschlagen.
Ein Feind, die Burgons, die feuerspeienden Drachen, der immer wieder fliegende Habitatstädte angreift und zerstört, bis Christoph der junge Pilot in sie hineinfliegt und zu Zielen macht.
Jahre später wacht Kommandant Raymond Farr auf dem Außenposten Pendragon Base, fest davon überzeugt, dass die Burgons wiederkehren. Seit der Schlacht und dem Verschwinden des Sehers Balinas achtet er auf die Gänse des Kapitols, dass sie ihn warnen. Da taucht Miriam Katana auf, geheimnisvoll und verschwörerisch – und sie wird zum Brennpunkt der Ereignisse, bis sie im Kampfeinsatz verloren geht.
Farr beschließt, seine Geliebte zu suchen ...
Frank W. Haubold hat in mehreren Kurzgeschichten erkennen lassen, dass ihm Stoff für eine Space Opera unter den Fingernägeln brennt. So verwundert es nicht, dass »Die Gänse des Kapitols« wie schon Die Kinder der Schattenstadt teilweise Episodencharakter trägt und nicht alle Teile nahtlos ineinander passen. Zumindest nicht bisher – vielleicht greifen die Handlungszahnräder nach Abschluss der Trilogie ineinander.
So jedoch folgt man den Figuren und Schauplätzen partiell etwas verloren.
Nach dem wunderbaren Prolog ändert Haubold die Tonlage und wird sachlicher. Wir lernen die beiden wichtigsten Figuren kennen, den etwas angestaubten alten Kämpen Farr, der von seiner Idee besessen zu sein scheint, dass der alte Feind wiederkehrt. An seine Seite tritt die undurchsichtige Miriam, die offensichtlich etwas mit dem Helden der alten Schlacht zu tun hat. Er verliebt sich in sie, findet aber bald heraus, dass sie ihre eigen Pläne hat, um der drohende Invasion zu begegnen.
Zügig führt Haubold die Geschichte weiter und recht abrupt endet sie. Miriam ist verschollen, der Feind besiegt und Farr ausgemustert.
Nun beginnt ein Zwischenspiel, in dem Haubold diverse Themen in seine Kosmologie einbaut, die den Roman unterfüttern sollen. Eine größere Verschwörung wird angedeutet, eine seltsame Kirche kommt ins Spiel, deren religiöse Umdeutungen einen stark metaphysischen Kontext aufbauen. Leider bekommt man nicht genau zu fassen, wozu Haubold diese Dinge einfügt und man muss sich auf die Folgebände vertrösten.
Den eigentlichen Handlungsfaden der zweiten Romanhälfte verzögert auch die kleine Detektivstory auf einem Urlaubsplaneten. Hier versucht ein alter Schulfreund von Farr Miriams Eltern ausfindig zu machen. Der wie ein Fremdkörper wirkende Plot funktioniert weder als Thriller noch bringt er die Handlung erkennbar voran. Aber vielleicht gibt es auch hier später mehr.
Und kurz vor Schluss lernen wir noch die Mannschaft der Hemera kennen, die Farr für die Rettungsexpedition ausgewählt hat und ein Widersacher tritt ins Licht, über dessen Motive wir im Wesentlichen im Unklaren bleiben. So endet der Roman mit mehren Cliffhangern eher abrupt.
Wie schon bei den »Schattenkindern« bleibt das Gefühl, dass sich Haubold bei den Nebenfiguren verzettelt. Er baut sie erst groß auf und dann kommt kaum etwas nach.
Sehr deutlich wird das an der Figur des Schulfreunds John. Die interessante Detektiv-Figur wird in einer ziemlich beliebige Mission regelrecht verschwendet. Er fällt auf eine offensichtliche Falle rein und hat am Ende etwas herausgefunden, von dem man nicht einmal mehr genau weiß, wofür es wichtig war. Weder konnte er seine genialen Fähigkeiten in der Sphere einsetzen, noch hatte seine KI irgendetwas bedeutendes mit dem Fall zu tun, obwohl beides zu John markanten Kennzeichen gehören. Im Gegenzug wird das spannendere Rätsel um den mysteriösen Procturro nebenbei auf dem goldenen Tablett angeboten.
Aber auch mit dem Ordensbruder Markus geht es nach einem erstaunlichen Auftritt bergab. Seine Rolle mutiert im Handlungsverlauf zu der eines Statisten. Dafür fügt der Autor kurz vor Ende noch einen Schwung neuer Figuren hinzu, darunter eine skurrile Frauenfigur, von der man unbedingt noch mehr lesen will. Leider kommt dann schon der Schluss.
Haubold erschafft durchaus eine interessante Welt. Ohne inflationärem Gebrauch von Infodumps beweist er eine farbige Fantasie und bietet mit den nomadisierenden Städten, den rätselhaften Alienrassen und der schwer fassbaren Kirche eine interessante SF-Kulisse.
Verpackt ist das in gewohnt tragender Sprache, die zum epischen Charakter der Reihe passt.
Timo Kümmel wählte für die Titelbildgestaltung Motive aus dem Roman und verzichte durch die Farbgebung auf reißerische Mittel. Nicht unbedingt ein Hingucker, aber sicher im Interesse des Autoren, der ja eine eher ernsthaftere Rezeption wünscht.
Der Acker ist nun bestellt und der Leser steht am Wegesrand und wartet gespannt, was aus den Samen unter der dampfenden Krume hervorwachsen wird. Vielleicht Haare in der Suppe, vielleicht aber auch Bohnenstängel für eine Reise zu den Riesen.
Fazit:
Der Auftakt zur Götterdämmerung bietet solide SF-Ideen in sauberem sprachlichen Gewand, kann jedoch nicht über die gesamte Länge fesseln und begeistern.
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