Die Pilgerin (Autorin: Iny Lorentz)
 
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Die Pilgerin von Iny Lorentz

Rezension von Christel Scheja

 

Zu den großen Mysterien des Mittelalters gehört die Pilgerleidenschaft der Menschen. Was trieb sie dazu, Familie und Heim zu überlassen, um an einer der heiligen Städten für die Seele und das geistige Wohl ihrer Liebe und für sich selbst zu beten und für die Reise viele Gefahren und Entbehrungen auf sich zu nehmen?

Die einen werden aus tiefem Glauben aufgebrochen sein, andere wieder um Buße für eine böse Tat zu tun und andere weil es ihr Image etwas aufpolierte.

Iny Lorentz, die bereits mit „Die Wanderhure“ und „Die Goldhändlerin“ Bestseller schrieb, hat sich nun auch dieses Themas angenommen und fiktive Ereignisse mit historischen Geschehnissen vermischt.

 

Im späten 14. Jahrhundert wächst die junge Tilla als Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns in der freien Reichsstadt Tremmlingen auf, die sich dank eines energischen Bürgermeisters und Rates gegen die Adligen der Gegend gut behaupten kann.. Doch als ihr Vater überraschend und unerklärlich stirbt, verändert sich das Leben des sittsamen und gottesfürchtigen Mädchens mit einem Mal schlagartig. Ihr intriganter und machtgieriger Bruder verheiratet sie mit seinem schmierigen Komplizen Veit Gürtlinger. Doch dieser haucht in der Hochzeitsnacht überraschend sein Leben aus. Damit das Erbe nicht an Tillas Bruder fällt versuchen die angeheirateten Verwandten das Mädchen in den Wahnsinn zu treiben. Ehe das geschehen kann, wagt Tilla die Flucht nach vorne. Als Junge verkleidet verlässt sie die Stadt, nicht ohne vorher noch einige Dinge aus ihrem Vaterhaus zu holen. Sie will das Vermächtnis ihres Vaters erfüllen und statt seiner nach Santiago de Compostela pilgern, um dem zugedachten Schicksal zu trotzen.

Tatsächlich findet sie in Ulm Anschluss an eine Pilgergruppe. Auch wenn sie ihre Verkleidung nicht für die ganze Reise aufrecht erhalten kann, so findet sie unter den Reisegefährten schließlich doch treue und aufrechte Freunde, die sie vor den verfolgern verbergen und mit ihr zusammen den weiteren Gefahren des Weges trotzen.

Denn die Auswirkungen des Hundertjährigen Krieges reichen auch bis tief in den Süden Frankreichs. Mehr als einmal müssen die Pilger um ihr Leben fürchten, mit der Habgier der Einheimischen zurecht kommen und Söldnerüberfälle über sich ergehen lassen.

Nicht alle von ihnen erreichen schließlich den heiligen Ort am westlichsten Rand Kastiliens – aber die, die schließlich dort ankommen haben sich an Leib und Seele verändert, ob sie nun einfache Leute oder gar von hohem Stand waren.

Auch Tillas Jugendfreund Sebastian, der sich im Verlauf der Reise den Pilgern angeschlossen hat und von einem verantwortungslosen jungen Abenteurer zu einem Mann voller Leidenschaft für das Wohl anderer wurde.

Gestärkt von ihren Erfahrungen kehren Tilla und Sebastian schließlich gemeinsam heim, um sich dem Unheil zu stellen, dass Tillas Bruder durch seine Machenschaften und Gier mittlerweile in Tremmlingen angerichtet hat.

 

Wieder einmal benutzt Iny Lorentz in heutigen Mittelalterromanen beliebte Klischees: Unter ihren Protagonisten geht es recht derb zu. Frauen, vor allem Mägde und einfache Mädchen sind Freiwild für die Männer, was auch ihre Heldin einmal zu spüren bekommt. Je böser ein Mann ist, desto brutaler geht er mit den Frauen im Bett um – die Guten sind allesamt zärtliche und sanfte Liebhaber, die die Sinnlichkeit ihrer Frauen zum Erwachen bringen, auch wenn sie von der Partnerin zunächst den Liebesdienst fordern.

Ihre Heldin sticht durch ihre Entschlossenheit und Stärke unter den anderen Frauen hervor. Während diese eher reagieren handelt sie und lernt auf der Reise auch zu ihren Entscheidungen zu stehen. Das alles hält aber letztendlich nur so lange, bis sie mit dem richtigen Mann an ihrer Seite in ein friedliches Heim zurückgekehrt ist, um sich ihrer Aufgabe als Hausfrau und Mutter zu stellen, obwohl ihr Mann ihr weiterhin einige Freiheiten lässt. Auch den anderen Personen des Romans ergeht es nicht anders. Sie entsprechen archetpischen Figuren, die mittlerweile zu jedem Mittelalter-Roman gehören, angefangen von den raubeinigen oder leichtsinnigen Burschen, die auf der Reise ihr Herz und Verantwortungsgefühl entdecken, die manchmal etwas engstirnig denkenden Priester oder die intriganten, wollüstigen Adligen.

Auch wenn die Schilderungen mittelalterlichen Lebens ansonsten sehr lebendig und atmosphärisch sind, so kommt auch Iny Lorentz nicht von den romantischen Vorstellungen los, die den zumeist weiblichen Lesern eine modern-harmonische Partnerschaft zwischen ihren Helden vorgaukelt. Insgesamt hat man das Gefühl, die Situationen in die Tilla gerät alle schon einmal gelesen zu haben, ebenso wie die Lösung ihrer Probleme.

 

„Die Pilgerin“ ist zwar recht unterhaltsam geschrieben und bietet genug Abenteuer um den Leser bei der Stange zu halten, aber er bietet auch keine besonderen Überraschungen. Weder die Figuren, noch die Ereignisse und Konflikte bieten Überraschungen, vor allem wenn man schon andere historische Romane kennt – vor allem von der Autorin selbst.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403282349009204a9fe
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Die Pilgerin

Autorin: Iny Lorenz

gebunden, 703 Seiten

Knaur, erschienen Januar 2007

ISBN: 978-3-426-66249-6

Titelbild: Ausschnitt aus einem Gemälde von Louis Finsonius

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 28.12.2006, zuletzt aktualisiert: 27.02.2024 17:30, 3275