Seit gut fünfzig Jahren herrscht ein angespannter Friede zwischen den Menschen und Drachen. Seitdem hat sich auch ein strenges Dreiklassen-System unter den Menschen etabliert, gegen das allerdings auch einige – Menschen wie Drachen – immer wieder aufbegehren. So brodelt es im Jahr 1923 gewaltig unter der Oberfläche.
Vivien Featherswallow ist in diese Gesellschaft hinein geboren und will eigentlich nur ihre eigenen Pläne verfolgen. Denn sie möchte als Sprachwissenschaftlerin hoch hinaus und hat auch gute Anlagen dafür – nicht zuletzt, weil sie auch über Leichen geht.
Doch dann bricht ihre Welt zusammen, denn ihre Eltern werden wegen Hochverrats verhaftet, sie selbst bekommt ein Angebot, dass sie nicht ablehnen kann. Sie soll Teil eines streng geheimen Regierungsprojektes werden, dass die Sprache der Drachen, einen ganz besonderen Code, entschlüsseln der kriegsentscheidend werden könnte.
Und so gelangt sie nach Bletchley Park, um dort zusammen mit anderen tiefer in die Geheimnisse der Drachen einzutauchen als je zuvor. Und nicht zuletzt muss sie erkennen, dass sie längst in einem dichten Kokon aus Lügen und Intrigen steckt, aus dem es kein Entkommen zu geben scheint, oder nur mit schweren Verlusten.
S. L. Williamson verarbeitet in ihrem Debüt zwei Dinge, die sie mit Leidenschaft verfolgt – das Lernen und Studieren von Sprachen und ihre Arbeit als Übersetzerin. All ihre Erfahrungen lässt sie auch in die spannende Alternativwelt-Geschichte einfließen, in der die Geschichte etwas anders verlaufen ist, die Gesellschaft aber die gleichen Fehler wie immer macht. Das Dreiklassen-System gibt dem britischen Weltreich einem dystopischen Anstrich mit faschistischen Zügen. Und nicht zuletzt stehen alle Zeichen auf Krieg.
Dabei kommt eine Entschlüsslungsarbeit ins Spiel die Erinnerungen an „The Imitation Game“ weckt, was nicht nur an dem Ort liegt, an dem große Teile der Geschichte spielen. Dazu kommen ein paar ordentliche „Dark Academia“-Vibes.
Man merkt schon, dass die Autorin die Zeichen der Zeit berücksichtigt, denn ihre Hauptfiguren sind jung, auf der anderen Seite wirken sie aber weitaus erwachsener als andere Teenagerin einer solchen Situation. Zudem haben einige von ihnen bereits üble Erfahrungen gesammelt, was neben all dem Gerechtigkeitsempfinden und Idealismus auch noch eine gute Portion an Zynismus mit einbringt.
Vivien macht eine interessante Entwicklung durch, denn die nur ihrer Familie verpflichtete Karrieristin lernt viel dazu. Und auch Gefühle wie Liebe klingen an, wobei die romantischen Entwicklungen deutlich im Hintergrund bleiben.
Viel wichtiger ist das Abenteuer – das Studium der Drachen und die Enthüllung unangenehmer Wahrheiten, die bis zuletzt für Spannung sorgen.
Ein großer Pluspunkt sind dabei auch die großen Fabelwesen, denn sie sind keine Tiere oder Monster sondern selbst aktive und vielschichtige Persönlichkeiten. Ein wenig fühlt man sich bei den Studien der jungen Figuren auch an „Lady Trends Memoiren“ von Maire Brennan erinnert.
Das Ende selbst ist immerhin halbwegs in sich geschlossen, lässt sich aber viel Raum für die Fortsetzung.