Reihe: Dschinnland Bd.1
Rezension von Cronn
Im Jahr 1994 veröffentlichte Bullfrog ein Computerspiel namens „Magic Carpet“, in welchem man auf einem fliegenden Teppich ritt und in atemberaubender Geschwindigkeit über die Landschaften brauste. Zehn Jahre später brachte Ubisoft mit dem neuen „Prince of Persia“ das Erstlingswerk einer Trilogie auf den Markt, wo der PC-Spieler den persischen Prinzen vor wunderschön gestalteten Kulissen wie aus 1001-Nacht lenkte. Und im Jahr 1940 wurden die Dreharbeiten am Film „Der Dieb von Bagdad“ abgeschlossen, der stilbildend wirkte und noch heute sehenswert ist.
Was das alles mit „Dschinnland: Die Sturmkönige“, dem neuen Buch von Kai Meyer, zu tun hat? Nun – alles und doch nichts.
Inwiefern darf man als Autor sich an berühmten Vorbildern bedienen? Ist „1001-Nacht“ ein Werk, das zum Nachahmen freigegeben ist? Oder ist das alles lediglich Inspirationsgrundlage?
Diese Frage stellt sich unter anderem, wenn man sich mit Kai Meyers neuem Buch „Dschinnland: Die Sturmkönige“ beschäftigt.
Inhalt:
Am Tag seiner Geburt trug sein Vater ihn auf einem fliegenden Teppich hinauf in den Himmel über Samarkand - Tarik al-Jamal, der beste Schmuggler auf den Himmelsrouten des Orients. Keiner reitet einen Teppich wie er - bis er draußen im Dschinnland, den tödlichen Wüsten zwischen Samarkand und Bagdad, seine große Liebe Maryam verliert. Gebrochen und einsam verdingt sich Tarik bei illegalen Teppichrennen. Doch dann will sein jüngerer Bruder Junis die mysteriöse Sabatea durchs Dschinnland nach Bagdad bringen. Tarik fürchtet um das Leben der beiden - und stellt sich einmal mehr den Geistern seiner Vergangenheit. Eine mörderische Jagd durch die Wüste beginnt, eine Odyssee auf fliegenden Teppichen, mitten in den Krieg zwischen Dschinnen und Sturmkönigen.
Kritik:
„Dschinnland: Die Sturmkönige“ ist der Auftaktband zu einer Trilogie, von daher besteht stets die Aufgabe des Autors im ersten Band der Serie eine Welt zu erschaffen, in der sich die Figuren bewegen. Wie ist dies Kai Meyer gelungen?
Bedingt. Man erfährt recht wenig über die Welt von „Dschinnland“, einfach aus dem Grund, dass sie mit den Augen von Tarik gesehen wird, der ja in dieser Welt steckt. Für ihn ist das alles bekannt, ist nichts Neues. Das Aufkommen der Wilden Magie wird ebenso wenig erklärt, wie die Frage, was Wilde Magie eigentlich ist. Dass man auf fliegenden Teppichen reiten kann, ist dem Leser als mit der Legendenwelt von 1001-Nacht und deren cineastischen Umsetzungen vertrauten Rezipienten klar. Aber wie funktioniert das „ins Muster greifen“ (Zitat aus „Dschinnland“)? Ist das Magie, lebt der Teppich, oder ist das etwas gänzlich anderes? Hier hätte Kai Meyer ein paar Fäden mehr auslegen müssen, damit der Leser befriedigt ist. Andererseits hofft man als Leser auf weitere Erklärungen in den Folgebänden. Man darf demnach gespannt sein.
Eine weitere Aufgabe des Romanciers ist die Entwicklung von charakteristischen, tiefgründigen Helden. Dies ist Kai Meyer absolut gelungen. Sowohl Tarik, sein Bruder Junis oder Sabatea sind Charaktere mit Vergangenheit, mit Charakterseiten, die nicht sofort offenliegen und wirken damit lebendiger als so manch andere Protagonisten deutscher Autoren, die wie auf dem Reißbrett entstanden sein könnten.
Die Handlung ist spannend und gekonnt inszeniert. Gleich der „In-medias-res“-Auftakt, bei dem man als Leser ein illegales Teppichrennen in der Nacht miterleben darf, ist grandios und sprachlich virtuos auf 40 Seiten ausgebreitet. So wird Lesen wieder zum Abenteuer.
Auch die weiteren knapp 400 Seiten sind voller stilistisch-wunderschönen Beschreibungen, packenden Action-Szenen und gelungenen Wendungen, auch wenn die letzten Cliffhanger für Kenner der Materie allzu offensichtlich sind.
Fazit:
„Dschinnland: Die Sturmkönige“ ist Lesefutter der besten Art. Kai Meyer ließ sich von guten Vorlagen inspirieren und erschuf somit ein eigenständiges Werk, das auf beste Art und Weise unterhält.
Wenn man derart sprachlich versiert auf eine Abenteuerreise mitgenommen wird, sind kleinere Fehler im Plotdesign verziehen. Beide Daumen hoch!
Man darf sich auf den zweiten Teil der Trilogie freuen, der im März bei Lübbe erscheinen soll.