Die Verdammten (Autor: Brett McBean)
 
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Die Verdammten von Brett McBean

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Apokalypse, Post-Apokalypse – eine ganz einfache Nummer, richtig? Man nehme einen Zombievirus, gerne auch einen nuklearen Holocaust, mariniere das Ganze mit viel Blut, würze es mit reichlich herrenlosen Gliedmaßen, Action, bis der Notarzt kommt – und fertig. Hmm. Ist es wirklich so einfach, kurzweilige, aufreibende, gute postapokalyptische (Horror-)Thriller zu schreiben?

Sagen wir's mal so: Es gibt mindestens zwei eminente Gründe, warum dieser Zweig der (fantastischen) Spannungsliteratur zurzeit so erblüht wie der Atompilz nach dem Einschlag der Langstreckenrakete; und dabei lassen wir mal einfach den Zeitgeist außen vor. Als Erstes: weil viele (Nachwuchs-)Autoren davon überzeugt sind, dass der x-te Aufguss von Nacht der Lebenden Toten oder The Day After komplett ausreichend ist, um einen guten, aufwühlenden Roman zu inszenieren. Und Zweitens: weil das Schreiben des besagten Elaborats schlichtweg einen Heidenspaß macht. So düster das Thema, so befreiend und, ja, »lustig« kann es für den Autor sein, wenn er zügellos sozusagen »die Sau raus lassen kann«.

Doch wie erwähnt, mit schlichten Abklatschen ist es – meistens – bei Weitem nicht getan, sofern nicht eine ordentliche Portion Talent alles raus reißt. Nein, der potenzielle Leser/Käufer will mehr und hat auch ein gutes Recht darauf. Flache Charaktere und Stereotypen sollten etwa möglichst vermieden werden. Schließlich geht es im Kern dieser Erzählungen weniger um die Katastrophe respektive deren Nachwirkungen, sondern vielmehr, was solch ein Ereignis aus dem Menschen macht, der Zivilisation. Diese Elemente sind wichtig und mitunter noch packender, dramatischer, schockierender als verfallene Untote oder zu Staub reduzierte Metropolen. Wobei, ganz klar, auch der eigentliche Niedergang, das fundamentale Unglücksereignis keinesfalls unbedeutend ist. Wer es sich einfach machen will, der holt Zombies und irgendwas Nukleares aus der Schublade; derlei Dinge ziehen meistens und garantieren ausgelassenen postapokalyptischen Schreib- und hoffentlich Lesespaß. Und sollte es noch nicht durchgedrungen sein: da ist auch nichts dabei, wenn die Qualität stimmt.

Man erinnere sich nur an Tim Currans grandiosen Reißer Verseucht aus dem Jahre 2012. Nukleare Langstreckenraketen, atomarer Regen, Mutationen … schön und gut, aber insgesamt mutete dies eher nach den 1980ern an denn nach der Gegenwart. Bis man die ersten Kapitel mit erhöhtem Blutdruck und Schweißperlen auf der Stirn hinter sich gebracht hatte und klar war, dass Curran, nicht nur die mutmaßlich veraltete Thematik sehr gut ins Hier und Jetzt transportiert hatte, sondern auch eine Intention dahintersteckte.

Andere Schriftsteller gehen das Ganze eben anders an, entweder aus gutem Grund oder einfach, weil sie die klassischen Topoi über haben. Man muss im Grund auch mit der eigenen Imagination nicht weit gehen, um entsprechende Ausgangspunkte und -lagen zu finden, die vorzugsweise dem Homo Sapiens gewaltig zusetzen mögen, unabhängig, wie weit hergeholt sie erscheinen mögen: Wie wäre es beispielsweise mit dem unvermittelten Ende des Ölzeitalters (Ausgebrannt, Andreas Eschbach, 2007)? Außerirdische Fungi stehen auch für Spaß (Moonseed, Stephen Baxter, 1998). Der gleiche Autor ließ in Die letzte Flut elf Jahre später ferner mal die komplette Welt absaufen. Und bei dem, leider mehr oder minder vom Talent der frühen Jahre verlassenen US-Regisseur M. Night Shyamalan war es anno 2008 in The Happening die komplette Flora, die sich gegen ihren größten und unerbittlichsten Feind zur Wehr setzte. Ganz recht, damit sind wir gemeint.

 

Und hier muss unsere kleine Exkursion in die wundersam-wahnsinnige Welt der (post-)apokalyptischen Fiktion zu einem Ende kommen, respektive, hier wird der Faden gesponnen; von Shyamalan zum Australier Brett McBean, der gewiss auch mit »The Happening« vertraut gewesen sein muss und sich ebenso gewiss mehr als nur ein bisschen davon hat inspirieren lassen. Nun ja, verstehen kann man beide. Denn solch eine Prämisse – Pflanzenwelt versus den Menschen – hat definitiv was; auch was die allegorische Sektion anbelangt. Und mal ehrlich – würden wir uns all die Grausamkeiten gefallen lassen, die wir über Mutter Natur bringen? Würden wir einfach auch die andere Wange hinhalten, während im Name des Fortschritts, des Kapitalismus und der ungebremsten Expansion unsere Wälder gerodet, die Böden verödet und Seen und Flüsse verseucht würden? Bestimmt nicht. Irgendwann würden wir zurückschlagen. Wie die Natur, deren Zeitpunkt nun gekommen ist.

Insgesamt besteht Die Verdammten aus drei miteinander verknüpften Einzelromanen, welche vom Festa-Verlag dankbarer weise in einen, seitentechnich recht gehaltvollen Band zusammengefasst wurden, wohingegen Der Dschungel aus Beton (Buch Eins), Der Dschungel von nebenan (Buch Zwei) und schließlich Der Dschungel der Großstadt (Buch Drei) im Original jeweils separate Veröffentlichungen erleben durften.

 

Buch Eins, »Der Dschungel aus Beton« fokussiert sich auf den Beginn jener mysteriösen Umwälzung, jener rätselhaften Naturkatastrophe, welche regelrecht aus dem Nichts über die menschliche Zivilisation herfällt wie ein ausgehungertes Raubtier … Moment mal, ›Raubtier‹. Ein hervorragender Einwurf, da uns McBean anhand der, überwiegend sehr gut ausgearbeiteten Schicksal einer kleinen Gruppe (fast) unbescholtener Bürger, die dank der Katastrophe in einem von Wildwuchs und riesigen Bäumen entartetem Parkhaus unvermittelt feststecken, wie mühelos, wie rasch man dieses dünne Mäntelchen namens ›Zivilisation‹ abstreifen kann, wie sehr das animalische Erbe unserer steinzeitlichen Vorgänger auch noch heute in uns vorhanden ist.

Nichts Neues, nüchtern betrachtet, gewiss – aber stets packend, wenn's richtig gemacht wird und gewiss berechtigt. Gottlob macht McBean seinen Job vornehmlich richtig. Sosehr der Australier auf Richard Laymon als Vorbild beharrt, so bewusst entzieht er sich dem überspitzt-schwarzen B-Movie-Humor des viel zu früh verstorbenen Amerikaners. Seine – klugerweise überschaubaren – handelnden Figuren wurden nicht aus dem Klischeebaukasten herausgepickt, weshalb sie und damit auch ihre Dialoge und Handlungen überwiegend authentisch und lebensnah anmuten. Bravo. Und weil »Der Dschungel aus Beton« mit gerade mal 200 Seiten nicht viel Platz für ausführliches Sinnieren und Philosophieren lässt, kommt es auf jedes Wort, ja jeden Buchstaben an. Innerhalb einer solch vorgegebenen Länge kann dich selbst der Ansatz von Leerlauf Kopf und Kragen kosten. Doch McBeans Timing, sein Gespür für knackige Action und pointierte Dialoge und eben nicht zuletzt die pointierten Charaktere selbst lassen besagte 200 Seiten wie im Flug vergehen – eventuell mit ein paar Schweißperlen auf der Stirn.

 

Nun, nach solch einer ›Origin‹-Story, die glücklicherweise viele mögliche Fragen unter Verschluss hält anstatt sämtliche Karten auf den Tisch zu legen, braucht sich McBean im zweiten Teil, »Der Dschungel von nebenan«, nicht mit breit gefächerten Erläuterungen herumschlagen und kann – hoffentlich – noch ungehemmter und mitreißender fabulieren. Sechs Monate sind seit dem Tag X vergangen, sechs Monate, in denen der Dschungel die Errungenschaften und Bauten der Menschen verschlungen und für sich vereinnahmt hat und selbst die kleinsten Annehmlichkeiten von damals maximal zu Erinnerungen verblasst sind. Fressen und gefressen werden, nur dieses Gesetz zählt noch. Wenngleich es auch weiterhin Verfechter für die Menschlichkeit gibt; Gruppen und Kolonien, die sich bewusst der Verrohung innerhalb der Überlebenden entziehen. Wie jenes Kollektiv, das in den Verbleibseln eines ehemaligen Supermarkts Asyl gefunden hat und sich tagein, tagaus gegen kleine wie große Gefahren zu behaupten hat – und da ist die konstante Gefahr von jenen Wilden, die längst zügellos und bar sämtlicher moralischer Barrieren ihre 'neuen' Leben mit Mord, Massenvergewaltigungen und Kannibalismus in einer einstigen Videothek gegenüber, lediglich durch einen reißen Fluß getrennt, ausschöpfen, noch nicht mal mit eingerechnet …

 

Hier wurde der Fuß ein wenig vom Gaspedal genommen – eine gute Entscheidung, da McBean nun, ohne dabei zur drögen Plaudertasche zu verkommen, nun diese postapokalyptische Dschungelwelt näher beschreiben darf. Mal en détail, mal nur mit ein, zwei Wörtern. Aber wieder stimmt die Mischung, erkennt man, wie viel Potenzial diese Pflanzenplage besitzt, wie erfrischend sie nach gefühlten 2 Millionen Zombiefabeln und mindestens ebenso vielen radioaktiv verseuchten Ruinenschluchten einfach anmutet – und zum Glück von einem Autor mit dem entsprechenden Verve, dem richtigen Riecher behandelt wird. Besonders bei den, vielfach nach kinoreifer Action schreienden Passagen (und nicht vergessen: wer als australischer Künstler sein Glück in der Postapokalypse versucht, wird wohl bis zum Sankt Nimmerleinstag mit Mad Max verglichen werden!), hält sich McBean wohltuend zurück – jedenfalls bis zum harten, konsequenten und gewiss auch aufrüttelndem Finale, das beweist, wie viel der Autor seit Veröffentlichung seines beileibe nicht schlechten deutschen Einstands, Die Mutter noch dazu gelernt hat.

 

Doch, halt! Noch haben wir nicht das Ende der sprichwörtlichen Fahnenstange, respektive dieses Fast-600-Seiten-Wälzers erreicht! Gemach also! Mit Buch Drei, »Der Dschungel der Großstadt«, machen wir abermals einen Sprung in die Zukunft, statt einem halben sind es diesmal vier Jahre. Die moderne Welt ist unter Wurzeln, Ästen, Farnen und Moosen verschwunden, selbst die spärlichsten Reste und Erinnerungen sind längst verrottet. Und mit ihr das zivilisierte Wesen des Homo Sapiens. Gewalt, Chaos und Barbarei dominieren, der Mensch entwickelt sich – nicht nur klassentechnisch – wieder zum Tier zurück. Drei Sippen regieren fortan den Dschungel, sie vegetieren in Bäumen, unter der Erde oder im Dschungel selbst. Wer ihnen zu nahe kommt, der erlebt den nächsten Tag zumeist nicht mehr. Hoffnung? Nicht mehr vorhanden. Oder …?

 

Tja, und eben hier gerät McBean bedauerlicherweise gehörig ins Stolpern; wird sein Stil zu plump und mitunter auch einfach zu ›billig‹. Es wird zu skurril und infolge dessen auch bisweilen arg unlogisch, es fehlen Atmosphäre und packende Elemente. Stattdessen versucht der sympathische Australier regelmäßig, den Ekel- und Gewaltfaktor abermals in neue Höhen zu schrauben, erreicht dadurch aber das Gegenteil und erschafft … wiedergekäute Monotonie. Infolge dessen wirkt auch der Kreis, der sich auf den letzten Seiten schließt, sonderbar erzwungen, ja fast schon deplatziert. Als habe der Autor erst dort bemerkt, wie grimmig und nihilistisch seine Trilogie ist und das zumindest ein paar Lichtstrahlen dem Ganzen ganz gut tun können. Somit schleicht sich nach Beendigung bedauerlicherweise ein fader Beigeschmack in die ansonsten vorzüglich mundende Kreation.

 

Fazit:

Kein Zweifel – »Die Verdammten« ist dank seiner Prämisse ein origineller und somit auch erfrischender Ausflug in die Zeit nach dem Ende. Auf vorzügliche, spannende Weise kann Brett McBean mit besagtem Szenario viel, sehr viel anfangen – bis er im letzten Drittel bedauerlicherweise etwas außer Takt gerät und ebendieser Part zum literarischen Gegenstück eines miesen italienischen Exploitationfilms wird, welcher sich in Unlogik und wiederkehrenden Exzessen verliert und mit einer dissonanten Finalnote ihr Ende findet. Leider nur gehobener Durchschnitt, mehr nicht.

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Buch:

Die Verdammten

Autor: Brett McBean

Original: Concrete Jungle (2010), Neighbourhood Jungle (2011), Suburban Jungle (2013)

Übersetzerin: Doris Hummel

Titelbild: Cristina Otero Pascual

Taschenbuch, 592 Seiten

Festa-Verlag, 19. April 2014

Inhalt:

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Der Dschungel aus Beton

Der Dschungel von nebenan

Der Dschungel der Großstadt

</typolist>

 

ISBN-10: 3865522920

ISBN-13: 978-3865522924

 

 

Erhältlich bei: Amazon

 

Kindle-ASIN: B00IUCBM3Y

 

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Erstellt: 12.01.2015, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51, 13817