Druckversion: Die Zombies (Autor: Thomas Plischke)

Die Zombies von Thomas Plischke

Rezension von Christel Scheja

 

Mit seinen eigenwilligen Fantasy-Romanen erwarb der 1975 geborene Thomas Plischke schon einen besonderen Ruf. Denn auch wenn er sich gängigen Trends anschließt, sind seine Romane immer ein wenig anders. Das merkte man bereits in seinem Zyklus um die „Zerrissenen Reiche“, in denen zwar neben Menschen auch Zwerge und Halblinge vorkommen, dass Setting aber sehr stark an den Steampunk angelehnt ist. So war auch zu erwarten, dass „Die Zombies“, sein neustes Werk ein kleines bisschen „anders“ ausfallen würde.

 

Die meisten Leser kennen Zombies entweder als hirnlose grunzende Gestalten, die nur nach frischem Fleisch und Blut, am besten noch vom lebenden Opfer, gieren und nicht wirklich Persönlichkeit oder Geist besitzen, wie man sie aus zahllosen Horrorfilmen und Romanen kennt. Wer es ganz klassisch mag, denkt an die Menschen, die durch Voodoo-Zauber zu willenlosen Sklaven gemacht wurden, und weder richtig tot noch ganz lebendig sind.

Auch die angehende Völker- und Mythenkundlerin Lily Young beschäftigt sich in ihrer Doktorarbeit mit diesem Thema und lässt es sich nicht nehmen, immer wieder die entsprechenden Experten zu interviewen und die daraus gewonnen Erkenntnisse in ihre Arbeit einfließen zu lassen.

Da die meisten ihrer Bekannten in Oxford sie deswegen ein wenig für morbide und verrückt halten, hat sie nur einen echten Freund, den jungen Deutschen Gottlieb Berger, der ebenfalls hier in England studiert. Sie pflegt sogar eine Art Liebesbeziehung zu ihm.

Dann lernt sie auf die Beerdigung ihres Großvater den ebenso charmanten wie geheimnisvollen Victor kennt, der eine seltsame Anziehungskraft auf sie ausübt und irgendwie ganz nett zu sein scheint. Aber sie vertieft die Bekanntschaft nicht weiter, weil ihr das irgendwie unheimlich ist.

Als Gottfried überraschend nach Hause zurückkehren muss, weil sein Vater verstorben ist und nun die Testamentseröffnung ansteht, versucht sie sich abzulenken und nimmt deshalb wider besseres Wissen die Einladung Gottfrieds zu einer Party an. Doch das endet in einem Desaster, als sie von einem als Zombie verkleideten Schauspieler so heftig gebissen wird, dass es blutet.

Während Gottfried in Deutschland erfährt, dass er zu einer Familie gehört, die seit Jahrhunderten auf der Jagd nach Untoten ist und er als Erstgeborener kaum eine andere Wahl hat, als dieses Erbe anzunehmen, bemerkt Lily eine seltsame Veränderung an sich. Plötzlich verlangt es sie nach Fleisch, obwohl sie eigentlich Vegetarierin ist – je roher und blutiger, um so besser. Sie ist zunächst verwirrt, aber von Tag zu Tag wächst eine Erkenntnis in ihr, vor allem, als sie sich nicht länger beherrschen kann und über eine Taube herfällt, die sich in die Wohnung verirrt hat...

 

In seinem Nachwort erzählt Thomas Plischke, dass er bewusst alle möglichen Zombie-Mythen in die Geschichte einarbeiten und diese ein wenig vom Einheitsbrei des hirnlosen Untoten abheben wollte. Und tatsächlich ist ihm diese Gradwanderung gelungen. Gerade im Anfang erfährt man durch die immer wieder eingefügten Textsplitter, die Lilys Interviews und Auszüge aus ihrer Doktorarbeit darstellen, einige über die Mythen von den hungrigen Toten aus allen Teilen der Welt, beginnend mit dem alten Ägypten.

Er verzichtet darauf, einen apokalyptischen Amoklauf zu starten und präsentiert etwas, was es bisher kaum gegeben hat – Menschen, die die Verwandlung bewusst miterleben und sogar noch deuten können, was ihnen passiert.

So erlebt Lily die Degeneration ihres Körpers als schleichenden Prozess mit, der sie selbst verwirrt und entsetzt. Und sie muss feststellen, dass auch ihr sie Instinkt nicht betrogen hat, denn es ist tatsächlich Victor, der dafür gesorgt hat, dass sie infiziert worden ist.

Die Veränderungen werden sehr einfühlsam und realistisch geschildert. Man nimmt der Figur die Angst und die Hilflosigkeit ab, die später folgende Resignation und der immer vorhandene Ekel. Auf der anderen Seite kann Lily aber auch nicht ihre neue Natur verleugnen, so sehr sie bewusst dagegen ankämpft.

Im Gegensatz zu dieser Handlungsebene wirkt die um Gottlieb etwas blasser. Zwar fällt auch er aus dem Rahmen, da er sich dem Willen seines Vaters nur grollend fügt und sich so lange wehrt wie er kann, aber man hat das Gefühl, dass er nur notwenig ist, um am Ende noch einmal ein wenig Dramatik und Action aufkommen zu lassen.

Alles in allem ist der Showdown in einem kleinen schottischen Dorf noch der schwächste Teil des Romans, der die actionverwöhnten Leser zufrieden stellen dürfte, aber insgesamt etwas überhastet wirkt. Wesentlich interessanter sind da die vorhergehenden Entwicklungen mit denen vor allem Lily fertig werden muss.

 

„Die Zombies“ ist ein interessantes Buch – weder ganz eine Art düsterer Romanze – immerhin umkreist Victor Lily eine ganze Weile als geheimnisvoller Fremder - noch bluttriefender Horror-Roman, fällt er aus dem Rahmen dessen, was sonst zu dem Thema publiziert wird und bietet einen gänzlich neuen Blick auf die Untoten.

Wenn man nicht gerade Gemetzel und ständig Ekelszenen erwartet, kann man die Lektüre jedenfalls auch als Genre-Fan genießen.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 2024032821360778670ca5

Die Zombies

Autor: Thomas Plischke

Paperback, 480 Seiten

Piper, erschienen April 2010

Titelbild von Sylwia Makris

ISBN-10: 3492267467

ISBN-13: 978-3492267465

Erhältlich bei: Amazon

, zuletzt aktualisiert: 17.04.2023 20:56