Druckversion: Domofon (Autor: Zygmunt Miloszewski)

Domofon von Zygmunt Miloszewski

Rezension von Carina Schöning

 

Voller Hoffnung zieht das junge Ehepaar Agnieszka und Robert Lazarek von der Provinz Olecko in die Hauptstadt Warschau. Ihre neue Heimat ist eine günstige 20qm Wohnung in dem beliebten Stadtteil Bródno. Schon bei der Besichtigung haben beide ein schlechtes Gefühl, doch die gute Wohnlage und der günstige Preis der Plattenbauwohnung können letztendlich doch beide überzeugen. Leider passiert schon am Einzugstag ein mysteriöser Unfall: anscheinend bekam jemand in einem der Aufzüge Angst und versuchte durch das kleine Glasfenster der Tür zu entkommen. Das Ergebnis ist ein blutig abgetrennter Kopf und seltsame Albträume für Agnieszka. Während sich ihr Mann fortan in sein Hobby, die Malerei stürzt und sich scheinbar immer mehr von ihr entfernt, muss sie schmerzlich erkennen, dass ihr Leben trotz gemeinsamer Wohnung doch nicht so rosig ist.

 

Zur gleichen Zeit versucht der heruntergekommene Alkoholiker Wiktor nach mehreren Wochen Suff wieder seinen alten Beruf aufzunehmen. Früher war er ein halbwegs angesehener Reporter bei Gericht, doch seine letzter Berichterstattung über ein vergewaltigtes und misshandeltes Mädchen hat er selbst nicht wirklich verkraften können und zum Leid seiner kleinen Familie sogar das Trinken angefangen. Nun schreibt er wieder. Mit seinen kurzen und zynischen Kolumnen über das Leben und die Leute in den sowjetischen Plattenbauten will er zwar in erster Linie seine Ex-Frau beeindrucken, doch auch von den Lesern erhält er einigen Zuspruch.

 

Mehr aus Zufall lernen sich Agnieszk, Wiktor und der Jugendliche Kamil kennen. Ein Schlüssel ist in der Eingangstür abgebrochen und die Bewohner kommen nicht mehr heraus. Genervt versucht Wiktor sogar vom Balkon im ersten Stock herunter zu klettern, doch eine Art magische Barriere hindert ihn daran. Schnell spricht sich das in den kleinen Wohnungen herum und die Bewohner versammeln sich im Hausflur. Aber selbst als der Hausmeister die Tür aufbohrt, kann komischerweise niemand hinaus und die vorbei gehenden Passanten merken nichts von den Bewohnern und deren lauten Geschrei.

 

Gefangen in dem seltsamen Haus häufen sich plötzlich die Albträume und dunklen Visionen. Viele Bewohner trauen sich schon gar nicht mehr überhaupt zu schlafen aus Angst vor den Albträumen. Krampfhaft versuchen auch Agnieszka, Wiktor und Kamil wach zu bleiben. Eine eigenartige schwarze Substanz lauert in den Schatten und treibt die einzelnen Bewohner regelrecht in den Wahnsinn.

 

Domofon, was im Deutschen soviel wie „Gegensprechanlage“ heißt, ist ein durchaus interessanter und spannender Horror Roman mit einigen Ähnlichkeiten zu Stephen Kings Klassiker „Shinning“. Auch hier lauert das Grauen in einem ganz gewöhnlichen Bauwerk. Der Autor macht in seinem Debütroman leider nur einen Fehler und packt viel zu viele altbekannte Ideen in die Handlung hinein. Dabei sind diese noch nicht einmal besonders originell oder interessant gestaltet. Bei den eingeschworenen Horrorfans wird diese Beliebigkeit sicherlich für verdrehte Augen sorgen: ein alter Friedhof als Fundament, der Fluch einer unschuldig verfolgten Hexe, ein kontrollsüchtiger Freak, dunklen Schatten aus den Rohren im Keller, Albträume, die die Menschen in den Selbstmord treiben und sogar rachsüchtige Geister haben hier ihren Auftritt. Insgesamt wirkt der Roman so etwas überfrachtet und auch die Logik fehlt an manchen Stellen einfach. Eine Reduzierung auf ein oder zwei Themen wäre wahrscheinlich besser gewesen.

Positiv sind hingegen die realistische Darstellung der Hausbewohner und die beklemmende Atmosphäre in dem alten Plattenbau. Auch der eine oder andere sozialkritische Gedanke des Autors fällt im Roman und gerade der überall im Land propagierte westliche Lebensstil wird hier scharf kritisiert. Sprache und Erzählstil sind auch gut gelungen und besonders der unverbrauchte Schauplatz Warschau sticht aus dem bekannten Horrorallerlei hervor.

 

Insgesamt ist „Domofon“ ein eher mittelmäßiger Horrorroman mit sozialkritischen Ansätzen und einer etwas konfusen Handlung. Wer nicht viel Neues aus dem Genre erwartet, bekommt solide Unterhaltung geboten.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240425015845a93018d6

Domofon

Autor: Zygmunt Miloszewski

Deutsche Erstausgabe 2008

Polnische Original Ausgabe 2005 „Domofon“

Übersetzung Jan und Katarzyna Opielka

Deutscher Taschenbuch Verlag

Paperback, 381 Seiten

ISBN 978-3-423-24639-2

Erhältlich bei: Amazon

, zuletzt aktualisiert: 12.04.2024 09:51