Elfenmond (Autor: Guido Krain; Genre: Fantasy)
 
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Leseprobe: Elfenmond

Elfenmond

Autor: Guido Krain

Homepage: http://guido.krain.de

Book on Demand - 508 Seiten - Zaubermond-Verlag

Erscheinungsdatum: Juni 2000

ISBN: 3898117073

Der Roman kann hier bezogen werden: Amazon

 

Disclaimer:

Freigabe zur Weiterveröffentlichung der Leseprobe besteht, soweit vom Autor nicht anders angegeben nur für "FantasyGuide.de". Für alle weiteren Veröffentlichungen ist die schriftliche Zusage des Autors erforderlich.

 

 

Leseprobe:

Ein Riese fiel auf das Dach. Zumindest fühlte es sich so an. Der dumpfe Schlag ließ das klapprige Regal hinter der Rezeption erbeben und die Augen des Wirtes groß werden. Die Deckenlampe torkelte wie eine betrunkene Schildkröte in meiner Kopfhöhe herum und zeichnete wirre Muster über Decke und Wände. Dabei verteilte der Lichtspender großzügig seinen öligen Inhalt über Fußboden und Hausherr. Ein lauter Knall kündete von der unsanften Bekanntschaft eines auffallend häßlichen Bilderrahmens mit dem Holzboden des Wirtshauses.

"Na endlich", meinte Ivo trocken. Die Gelassenheit in seiner Stimme überzeugte mein Herz davon, daß es eine gute Idee sein könnte, einfach weiterzuschlagen. Mein Verstand nahm sich allerdings noch eine Auszeit, sonst hätte ich mich wohl fragen müssen, was er mit diesem Spruch gemeint haben könnte.

"Bei den sechs Hunden des Kao... Was war das?" die Stimme des Wirtes war kaum mehr als ein zitternder Hauch. Wenn er die Augen weiterhin so aufriß, würden sie ihm gleich aus dem Kopf fallen. Doch ich hatte keine Gelegenheit, den Vorgang näher zu betrachten. Meine Beine waren trotz heftiger Proteste meines grünen Reisegefährten bereits damit beschäftigt, mich regelrecht zur Treppe hinauf zu katapultieren. Ich stand schon im Flur vor unserem Zimmer, bevor ich überhaupt realisiert hatte, daß ich nicht vor Schreck gelähmt im Erdgeschoß stand.

"Du Trampel! Du Rindvieh! Du Produkt eines grobmotorischen Trolls und einer altersschwachen Elefantenkuh!" Ivos kleine quadratischen Hände hielten sich an meinem Kragen fest. Er versuchte, mit den Beinen Halt zu finden und sich wieder auf meine Schulter zu ziehen. Ich hatte zwar keine Ahnung, was eine Elefantenkuh war, doch vermutlich hätte sich meine Mutter ebenso über diese Bezeichnung gefreut, wie mein Vater über den "grobmotorischen Troll"...

Glücklicherweise nahm ich Ivos Lamentieren kaum wahr. Ich war mit der Sorge um Luna vollkommen ausgelastet. Ich stolperte hektisch den nur vom Mondlicht beleuchteten Flur entlang und griff nach der Klinke unseres Zimmers.

"Warte nur bis ich..." setzte Ivo wieder an. Der Rest seines Wortschwalls ging unter, als die Tür von innen aufgerissen wurde und mich wie eine übergroße Fliegenpatsche von den Beinen holte. Der harte Aufprall preßte mir die Luft schmerzhaft aus der Lunge.

 

Im fahlen Gegenlicht des Flurfensters stand eine Frau. Ihre Silhouette hätte im großen Lexikon von Kalva den Eintrag "weiblich" illustrieren können. Der Schatten war so scharf gezeichnet, daß sie entweder extrem enge Kleidung trug oder nackt sein mußte. Ihre Schultern wurden weitgehend vom Schatten ihres wilden Haares verdeckt. Sie war sehr schlank, wenngleich sie gegen Luna fast üppig wirkte. Ihre Bewegungen waren eher die eines Berglöwen als eines Menschen. Das Silber ihrer Fingernägel war die einzige Farbe der Gestalt, die nicht vom Gegenlicht geschluckt wurde. Kalt und bedrohlich schimmerten sie und unterstrichen die stumme Drohung, die jede Pore ihrer Haut auszuatmen schien. Wie kam diese Gestalt in Lunas Zimmer? Und was noch wichtiger war: Was hatte sie dort getan?

Die "Türreißerin" hatte einen Augenblick innegehalten um ihr "Opfer" zu begutachten. Ich konnte ihren höhnischen Blick nicht nur spüren, sondern fast greifen. Sie schien unschlüssig, ob sie mich ignorieren, kidnappen oder töten sollte.

Nun, ich hatte Talon überlebt, starb fast vor Sorge um Luna und würde mich jetzt bestimmt nicht von einer Schattenfrau einschüchtern lassen. Und warum sollte ich auch? Ich war immerhin Magier! Vielleicht nicht gerade der begabteste Zauberkundige aller Zeiten, doch immerhin ein Absolvent der Ziranom. In der Auseinandersetzung mit Talon - als Kampf wollte ich das lieber nicht bezeichnen - hatte ich instinktiv Magie eingesetzt. Das hätte ich mir früher niemals zugetraut. Und nun würde ich diese Macht bewußt benutzen.

Wie ich es gelernt hatte, konzentrierte ich mich auf mein inneres Auge. Die Realität versank im Nichts und gab den Blick auf die wundervolle magische Struktur der Welt und des Seins frei. Der unerwartete Erfolg riß mich fast aus meiner Konzentration. Bisher hatte ich es nur geschafft, die magische Welt zu fühlen, wie vielleicht ein Blinder mit einem Krückstock eine Murmel ertasten kann.

Doch diesmal rauschte die Kraft geradezu wie ein donnernder Strom durch meinen Geist hindurch und drängte mich, ihr zu folgen. Ich "sah" wunderschöne magische Strukturen, die wie Sonnen glühten, die man in einen Regenbogen getaucht hat. Sonnen, deren Licht wie bunte Kristalle von ihnen heruntertropfte und sich zu komplizierten Bändern und Flächen dehnten.

Es war, als könne ich die Grundfesten der Wirklichkeit berühren, und als luden diese Festen mich zu ausgelassenen Spielen ein. Nie zuvor hatte sich mein Geist so sehr geweitet und derartig plastisch die Wunder und die Schönheit der Magie erfassen können. Ich sah den Wirt, wie er ängstlich mit einer Öllampe im Erdgeschoß am Fuß der Treppe stand.

Und ich sah Luna, die in unserem Zimmer auf dem Bett saß und sich die Augen rieb. Sie war in strahlendes Weiß getaucht und wurde von einem kräftigen bunten Feld durchdrungen. Neben ihr saß... Naja... Luna. Allerdings war diese Luna pechschwarz und hatte weiße, pupillenlose Augen. Sie wirkte auf eine seltsame Art "unecht". Als sei sie vom Schicksal vorgesehen, hätte aber den Sprung in die Wirklichkeit nicht geschafft. Wie eine Schwester, deren Geburt vergessen wurde... Auch die "schwarze Luna" saß auf dem Bett, sah allerdings sehr erschöpft aus.

Als ich merkte, wie sehr mich das Betrachten von ihr aus dem Gleichgewicht brachte, riß ich meine Aufmerksamkeit von ihr los und wendete mich dem unheimlichen Schatten vor mir zu. Er war monströs. Ich konnte ihn - oder besser sie - nicht richtig erfassen. Ich fühlte nichts als Kälte, Haß, Gewalt und Tücke. Die Fremde schien die magische Welt um sich herum zu konsumieren; sie einzuatmen und dann verunstaltet wieder von sich zu geben.

Meine Gedanken bündelten sich wie von selbst zu einem tiefen Griff in das magische Netz. Es war wie ein unglaubliches Spiel; gleichzeitig einfach und doch unfaßbar kompliziert... Ich spürte, wie sich komplexe magische Strukturen meinem Geist beugten und in Sekunden manifestierten. Es war so furchtbar einfach. Ich änderte meine Absicht, die Fremde mit einem grellen Lichtblitz zu blenden.

Stattdessen versuchte ich einen Zauber, der sogar meinen Lehrern an der Ziranom oft mißlungen war. Ich kam mir vor wie ein Fuchs, der seinen Jungen einen Wolf zum Abendessen servieren will. Ich schleuderte der Fremden voller Stolz das Feuerband des Sardon entgegen.

Zumindest wollte ich das tun.

Der gesamte Flur war mit einem Mal von einem dichten Regen aus kleinen weichen Brocken gefüllt. Das Prasseln war ohrenbetäubend und holte mich damit in die Welt zurück, die ich gewohnt war. Eine Ohrfeige hätte nicht plötzlicher kommen können. Ich verlor die Orientierung oder vielleicht wurde ich auch gerade wahnsinnig. Ich sah nichts mehr, hörte nur noch ein lautes Prasseln und wurde überschwemmt von süßlichem Geruch. Süßlicher Geruch? Wieso süßlicher Geruch? Ich brauchte viel zu lang, um die Fakten zu einer kühnen Annahme zu verdichten.

 

"Es regnet Kirschen!" Als hätte mein überraschter Ausruf den imaginären Gott des Kirschregens verstimmt, endete der seltsame Obstschauer genauso abrupt, wie er begonnen hatte. Ich war halb von Kirschen verschüttet und spürte, wie meine Hosen sich mit Saft vollzusaugen begannen. Der weibliche Schattenriß klebte wie eine Spinne unter der Decke und lachte ein Lachen, das nichts mit Humor zu tun hatte.

"Das üben wir besser noch einmal, Kleiner. Schade nur, daß Du dazu nicht mehr kommen wirst..." Ihre Stimme klang, als wäre sie für einen weiblichen Mühlstein gedacht gewesen. Ihre Worte troffen vor Bosheit. Der letzte Teil des Satzes war wegen eines eigenartigen Knackens in ihrem Gesicht kaum noch zu verstehen gewesen. Gerade, als ich wie das berühmte Kaninchen darauf wartete, verspeist zu werden, legte sich ein heller blauer Ring um ihren Hals und riß sie von der Decke. Seltsamerweise wurde das Gesicht des Schattenrisses nicht von dem hell strahlenden Halsschmuck erhellt. Der mit Kirschen bedeckte Boden begrüßte die mit dem Gesicht voran stürzende Gestalt mit einem vernehmlichen Klatschen.

Wie ein Kastenteufel sprang die Fremde auf, kaum daß sie den Boden berührt hatte. Mit anhaltendem Kreischen und wüsten Flüchen lief sie über die Wand, um sich schließlich hinaus in die Nacht zu stürzen.

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Erstellt: 28.04.2005, zuletzt aktualisiert: 23.02.2015 07:34, 105