Ephorân Universalrollenspiel (Grundregelwerk)
 
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Ephorân Universalrollenspiel (Grundregelwerk)

Rezension von David Grashoff

 

Schaut man sich mal ein wenig in der Rollenspiellandschaft um, erkennt man, dass es eine Vielzahl an verschiedenen Systeme gibt: Prozentsysteme, Poolsysteme, unterwürfeln, überwürfeln und noch viele mehr. Jedes Rollenspiel hat eigene Regeln in denen man sich erst einmal einarbeiten muss. Doch es gibt auch ein paar wenige universelle Rollenspiele, mit denen man jedes erdenkliche Genre umsetzen kann. Ein Satz Regeln für alles. Für Gruppen, die gerne Abwechslung haben, ohne sich dabei jede paar Woche in ein System eindenken zu müssen, sind Universalsysteme die ideale Lösung. Leider ist das Angebot an deutschsprachigen Universalrollenspiele sehr beschränkt, und so stößt der junge Thot Verlag mit seinem Spiel Ephorân in eine Lücke, in der auf jeden Fall noch Bedarf besteht.

 

Erst einmal muss man wissen, dass der Thot Verlag eigentlich eine One-Man-Show ist, hinter der Ingo Heinscher steht, der die Arbeiten an Ephorân fast im Alleingang gestemmt hat. Dafür gebührt ihm auf jeden Fall schon mal Respekt, denn zu oft enden solche Ein-Mann-Projekte als Dateileichen oder lose Blättersammlung in Schubladen.

 

Wie sieht es aus?

Ephorân ist ein Hardcover mit 176 Seiten und Lesebänchen, das man für 30 EUR bei gut sortierten Internethändler bestellen kann (Achtung Werbung! Mein Tipp lautet Sphärenmeisters Spiele). Dass der Umschlag in weiß gehalten ist, gefällt mir sehr gut. Weiß wirkt bei Rollenspielbüchern immer sehr Edel. Das gelungene und atmosphärische Cover aus der Feder von Karsten Schreurs ist dreigeteilt und zeigt somit auf, dass wir es hier mit einem Spiel zu tun haben, mit dem man verschiedene Genre spielen kann. Das nächste was auf dem Cover auffällt, ist das in Grau gehaltene Logo von Ephorân, das ein wenig aussieht, als hätte man es mit WordArt entworfen. Ein bisschen mehr Farbe hätte dem Logo sicher ganz gut getan. Schaut man sich das Cover ein wenig genauer an, erkennt man, dass sowohl das Coverbild, so wie die Logos unscharf weil leicht pixelig sind.

 

Im innern von Ephorân sieht man gleich, dass hier kein professioneller Layouter am Werk war. Der zweispaltige Textaufbau, das Fehlen eines Rahmens, die sehr zweckmäßigen Tabellen, viele freie Flächen, all das, gepaart mit der Tatsache, dass man hier auf rechte freie Bilder zurückgegriffen hat, hinterlässt den Eindruck, dass man es hier mit einem Schulbuch zu tun hat und nicht mit einem Rollenspiel. Aber immerhin hat man es hier nicht mit einer Bleiwüste zu tun und wichtig ist ja was drinsteckt.

 

Wie funktioniert es?

Die Charakterschaffung bei Ephorân wird über ein Punktesystem geregelt. Die Anzahl der Charakterpunkte die man für die Erschaffung seiner Figur bekommt, hängt von der Art der Kampagne und die Stellung der Charaktere innerhalb dieser Kampagne.

Die Punkte werden erst einmal für die körperlichen Grundeigenschaften vergeben: Grundschaden, Stabilität, Ausdauer, Resistenz, Traglast, so wie die verschiedenen Bewegungsarten (laufen, schwimmen, springen, klettern). Der spielerische Kern des Spiels sind aber die Fertigkeiten, die definieren was ein Charakter kann. Davon gibt es ganze 10, was bedeutet, dass jemand, der Punkte auf Handwerk vergibt, gleich mal eine ganze Palette an handwerklichen Fähigkeiten besitzt. Die Werte sind nach oben hin offen, wobei 5 schlecht, 10 durchschnittlich und 20 (und mehr) Weltklasse ist. Jeder Charakter kann jede Fertigkeit erst einmal mit einem Wert von 10. Will man es verbessern, kostet es CP (Charakterpunkte), man kann aber auch die Fertigkeiten schwächen und erhält dafür CP.

Um den Spielern zu erlauben ihre Charaktere ein wenig zu diversifizieren, kann man sich in den Fertigkeiten spezialisieren. Dabei wird man besser, je spezifischer die Spezialisierung wird (Feuerwaffen +1, Pistolen +2, Glocks +3).

 

Die Proben werden mit drei W6 gewürfelt, wobei der Fertigkeitswert dazu addiert wird und das Ergebnis auf einer Schwierigkeitstabelle verglichen. Um eine einfache Aufgabe zu bewältigen muss man ein 20 schaffen, für eine herausfordernde Aufgabe eine 24, mit einer 30 schafft man schwierige Aufgaben.

 

Neben den Eigenschaften und Fertigkeiten können die Spieler auch Vorteile und Nachteile für ihre Charaktere kaufen. Um die Vorteile zu benutzen muss allerdings erst einmal eine Vorteilsprobe gegen 20 gelingen. Die Liste der Vor- und Nachteile ist lang und beinhaltet neben den „üblichen Verdächtigen“ (wie zum Beispiel Beidhändigkeit oder Pech) auch übernatürliche Fähigkeiten. Dabei ist die Auswahl für „normale“ Charaktere recht beschränkt, denn gerade bei den Vorteilen findet man vor allem solche Superkräfte.

Die Kosten der Vor- und Nachteile sind manchmal ein wenig unausgeglichen. So kostet der Vorteil „Braucht weniger essen“ 20 Punkte, Gestaltwandlung aber nur 10 Punkte pro Gestalt.

 

Hat man sich für ein paar Vor- und Nachteile entschieden, ist man aber noch nicht fertig, denn man kann diese Fähigkeiten noch durch verschiedene Faktoren verändern. Jede dieser Veränderungen sind mit Multiplikatoren verbunden, die sich auf die Kosten auswirken.

Die Multiplikatoren bewegen sich irgendwo zwischen einfach (x 0,5 oder x 2) bis hin zu ohne-Taschenrechner-nicht-machbar (x 5,96) und ich muss ehrlich zugeben, dass ich beim Lesen manches mal das Gefühl hatte, dass hier ein Mathestudent am Werke war, vor allem weil sich nie wirklich nachvollziehen lässt, wie die Multiplikatoren zustande kommen.

 

Leider erhärtet sich das Gefühl, dass der Autor eine gewisse Sympathie für Mathematik haben muss, denn ich bin bisher keinem Rollenspiel begegnet bei dem ich auf so viele Multiplikationsfaktoren gestoßen bin, wie bei Ephorân. Das mag zwar wohl dem Realismus dienen, kann man aber nicht gerade als intuitiv bezeichnen. Alleine schon beim Anblick der „Tabelle der Fernkampfmodifikatoren“ bekomme ich als alter Zahlen-Muffel Angstattacken.

Es gibt Modifikationen für die Entfernung (in Metern), für die Größe des Ziels (in cm und Metern) und die scheinbare Geschwindigkeit des Ziels (in Meter pro Sekunde).

 

Der Kampf in seiner Grundform läuft recht dynamisch ab. Der Charakter mit der höchsten Wahrnehmung handelt zu erst, dann der Charakter mit dem zweithöchsten Wert und so weiter.

Jeder Charakter hat zwei Aktionen pro Runden mit denen er sowohl angreifen, wie auch verteidigen kann. Ein interessanter Punkt ist die Möglichkeit die Differenz zwischen einem gelungenen Angriff und der Verteidigung (den Erfolgswert) zu nutzen, um die Wirkung des Angriffes zu verbessern, wie beispielsweise durch eine schmerzhafte Verletzung, die dem Gegner ein Malus für die nächsten Runden beschert. Leider kommt auch hier wieder der Matheliebhaber durch, denn Wurzelberechnungen bin ich bisher auch noch in keinem Rollenspiel begegnet. Hier wird sie benutzt, um den Rüstungsschutz verschiedener Materialien zu errechnen (Das Material und das Gewicht pro dicke in mm und Quadratzentimeter ergibt den Rüstschutz pro Wurzel der Dicke in mm).

 

Was steckt sonst noch drin?

Neben einem Kapitel mit Werten für Tiere und Fahrzeuge, bietet Ephorân noch ein Magiesystem mit ein paar Zaubersprüchen, einige Beispielcharaktere für verschiedene Settings und ein ausführliches Beispielspiel.

 

Auf den letzten 60 Seiten werden drei Spielwelten für Ephorân vorgestellt.

- Den Anfang macht Theoyxora eine Fantasywelt, die in denen einige Weltkulturen (aus verschiedenen Zeiten) aufeinander treffen (römisches Reich, europäisches Mittelalter, Wikinger, alten Griechen, Ägypter). Das ganze wird noch durch ein paar typischen Fantasyvölker (Elben, Zwerge, Zentauren ...) erweitert. Nette Idee, wenn auch nur sehr oberflächlich dargebracht.

- Für Freunde der Science-Fiction gibt es Galactis, eine Space-Opera Welt. Sehr klassisch, weiß aber zu gefallen. Dazu gibt es noch neue Rassen, Regeln für Raumschiffe und passende Ausrüstung.

- Zum Schluss gibt es ein Horror/Superhelden Setting namens Katoptron, in dem man World-of-Darkness-Manier Vampire oder Werwölfe spielen kann, aber auch die sogenannten Berührten, Menschen mit besonderen Fähigkeiten.

 

Diese drei recht kurz gehaltenen Spielwelten sind eigentlich mehr Beispiele für mögliche Ephorân Settings, als ausführliche Hintergrundbeschreibungen. Wer sich gerne eigene Welten ausdenkt, findet auf den letzten Seiten des Regelwerkes noch einen Leitfaden zur Entwicklung von Hintergründen und Kampagnen. Abgeschlossen wird das Buch durch einen ausführlichen Index.

 

Wie finde ich es?

Das Universalrollenspiel Ephorân steckt voller guter Ansätze, die aber leider zu oft durch den Wunsch nach Realismus und den dadurch entstehenden Hang zu Komplexität untergraben werden. Manches mal hatte ich wirklich das Gefühl eher in ein Mathe- oder Physikbuch zu blättern, als in einem Rollenspielbuch. Mir persönlich ist das System einfach zu zahlenlastig und zu wenig intuitiv. Für Spielleiter oder Gruppen, die ein universelles System suchen und gerne eigene Welten entstehen lassen, sollten auf jeden Fall mal einen Blick in Ephorân werfen. Universalrollenspiele gibt es auf dem deutschen Rollenspielmarkt ja nicht wie Sand am Meer.

 

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Ephorân Universalrollenspiel

Grundregelwerk

Verlag Thot

Rollenspiel 176 Seiten, Hardcover, gebunden, kaschiert

Umschlag vollfarbig Inhalt einfarbig

Autor: Ingo Heinscher

Titelbild von: Karsten Schreuers

Illustrationen: Gemeinfreie

ISBN-10: 3981230507

ISBN-13: 978-3981230505

Erscheinungsdatum: 25. Juni 2008

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 17.09.2008, zuletzt aktualisiert: 28.04.2023 13:10, 7375