Mit den Erzählbänden Fiktionen (1944) und Das Aleph (1949) gelingt endlich der literarische Durchbruch. Übersetzungen ins Französische 1951 markieren den Beginn seines Weltruhmes. Als Perón vom Militär gestürzt wird, erheben die neuen Machthaber Borges zum Direktor der argentinischen Nationalbibliothek – gerade zu dem Zeitpunkt, als sich die Sehschwäche, an der er seit Kindheitstagen leidet, zur Erblindung auswächst. Den (eher repräsentativen) Direktionsposten hält er von 1955 bis 1973 inne.
Borges hat stets eine demokratische Gesinnung vertreten, doch Frustration über das anhaltende Chaos im Lande und Abscheu gegen den immer noch virulenten Peronismus lassen ihn 1976 Partei für eine neue Militärjunta ergreifen. Auch ist er sich nicht zu schade, im benachbarten Chile von General Pinochet eine Ehrung entgegenzunehmen. Zwar distanziert sich Borges bald wieder von der Diktatur in Argentinien, doch diese Eskapade hat ihn wohl jede Chance genommen, jemals den Literatur-Nobelpreis zu erhalten, obgleich Niveau und Einfluss seines Werkes unumstritten sind. (Alleine schon der »Magische Realismus« der lateinamerikanischen Literatur ist ohne Borges gar nicht denkbar.)
Borges‘ Verhältnis zu Frauen war stets schwierig und von Komplexen geprägt. Die enge Bindung an die Mutter lässt gerade Beziehungen zu ihm intellektuell ebenbürtigen Partnerinnen scheitern. 1967 heiratet Borges eine alte Jugendfreundin, doch diese von seiner Mutter eingefädelte »Vernunftehe« hat nicht lange Bestand. Eine glückliche dauerhafte Beziehung findet Borges erst im hohen Alter mit seiner langjährigen (und erheblich jüngeren) Assistentin María Kodoma. Allerdings stimmt sie erst spät einer Ehe zu; im April 1986 heiraten die beiden in Genf. Borges war bewusst in die schweizerische Stadt zurückgekehrt, um dort den Tod zu erwarten. Er stirbt schließlich am 14. Juni desselben Jahres.
Das Werk, das Borges hinterlassen hat, ist von kleinen Formen geprägt: neben Lyrik finden sich Erzählungen und Essays, die zumeist nur wenige Seiten lang sind. Realistische Geschichten aus dem gewaltgeprägten Südamerika stehen neben Detektivstories (viele zusammen mit seinem Freund Adolfo Bioy Casares verfasst) und dem phantastischen Genre, dem Borges seine Bekanntheit verdankt. Auch die Essays decken ein weites Themenspektrum ab. Es gibt literaturhistorische bspw. über James Joyce, Cervantes, Tausendundeine Nacht, Franz Kafka, die altnordischen Sagen und Dante. Als Skeptiker schreibt Borges über die Kabbala und den schwedischen Mystiker Swedenborg, über den Buddhismus und die christliche Dreieinigkeitslehre. Immer wieder kreist er um die philosophischen Probleme von Zeit, Gedächtnis und Identität.
Da Metaphysik für Borges auch nur eine Spielart der (phantastischen) Literatur ist, nimmt es nicht Wunder, dass gerade diese Themen oftmals auch in den Erzählungen aufgegriffen werden – essayistische und fiktionale Texte erscheinen vielfach als gegenseitige Erläuterungen. Freilich mögen dadurch seine Geschichten einigen Lesern überreflektiert erscheinen; mitunter tritt die Handlung gänzlich in den Hintergrund oder ist gar nicht vorhanden. So beispielsweise in der berühmten Phantasie Die Bibliothek von Babel, die ein Universum schildert, das aus einer unendlichen Aneinanderreihung von Bibliotheksgalerien besteht. (Umberto Eco hat sich hier für die Struktur der Klosterbibliothek in Der Name der Rose inspirieren lassen.) Die Bücher selbst sind gefüllt mit zufälligen Wortgefügen, die oftmals keinen Sinn ergeben, manchmal aber eben doch.
Angemerkt sei hier, dass Borges‘ Erzählungen zwar anspielungsreich sind, er selbst aber keineswegs Einwände hatte gegen ein »hedonistisches« Lesen, das sich um die verschiedenen Bedeutungsebenen einfach nicht kümmert. (So, wie er auch der »Trivialliteratur« Wert zuerkannte und dem Hollywood-Kino positiv gegenüberstand, da es den Menschen die großen Epen zurückgegeben habe.) Auch ist Borges, auf der rein sprachlichen Ebene, nicht schwer zu lesen. Sein Stil ist klassisch-klar und eher nüchtern, jedoch (was man leicht übersehen kann) nicht ohne feinen Humor und Selbstironie. Diese Klarheit im Ausdruck kontrastiert mit dem Verwirrspiel auf inhaltlicher Ebene. Eher selten präsentiert Borges in sich abgeschlossene Fantasy-Welten; Thema ist vielmehr oft das Einbrechen des Phantastischen in die Wirklichkeit, die Vermengung und Verwischung beider Bereiche bis Realität und Fiktion, Traum und Wirklichkeit nicht mehr unterscheidbar sind.