Freddy Krueger: Eins, zwei, der Böse kommt vorbei
 
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Freddy Krueger: Eins, zwei, der Böse kommt vorbei

Artikel von Karin Reddemann

 

Fröhliches Seilhüpfen. One, two, Freddy’s coming for you. Brauner Schlapphut. Eins, zwei, Freddy kommt vorbei. Rot-grün gestreifter Pullover. Drei, vier, schließ ab deine Tür. Brandnarben im Gesicht. Fünf, sechs, jetzt holt dich gleich die Hex’. Rechts ein Handschuh. Sieben, acht, schlaf nicht ein bei Nacht. Klingen an den Fingern. Neun, zehn, wir woll’n nicht schlafen gehen.

 

Weiter noch? »Elf, zwölf, Angst und Schrei und Not; dreizehn geht nicht mehr, denn dann sind wir tot.« Ende. Würde noch passen, ist aber unbedarft hinzu gedichtet. Bei zehn steht im Kinderlied die Uhr. Totenstille. Und das Licht geht aus.

Are you ready for Freddy?

Den hageren hässlichen Finsterling kennen wir (fast) alle, der 1984 erstmalig in der Horror-Szene auftauchte, bombastisch böse einschlug und sich in Hirn und Herz, – oh ja, er wird geliebt –, fest krallte. »Three, four, better lock your door. Five, six, grab your crucifix. Seven, eight, gonna stay up late.« Deutsch, englisch, egal, das können wir mitsingen, da können wir nebenbei fragen und ernten immer ein Nicken, Grinsen, Seufzen und große, wissende Augen: »Are you ready for Freddy?«

 

Die Weltpremiere von A Nightmare on Elm Street (Nightmare – Mörderische Träume) fand in Bayern auf den Internationalen Hofer Filmtagen statt; Schwerpunkt dort ist zwar alljährlich neben vereinzelten ausländischen Produktionen vor allem der deutsche Film, aber Wes Cravens Version vom schwarzen Mann, der seine Mörderklauen in junges, unverdorbenes Menschenfleisch schlägt, ließ alle im Regen stehen, die wohlerzogen ihre Intellektuellenbrillen aufgesetzt hatten. Die fielen von den Nasen, Freddy alias Robert Englund kam, erschreckte, jagte, kriegte, killte. Alle.

Monster zum Kaffee

Er war der Star, wurde global berühmt, galt und gilt als Schauer-Ikone, die in den Folgejahren in acht Fortsetzungen (letzte: 2003: Freddy vs. Jason, 2010: A Nightmare on Elm Street, Remake von Teil 1 mit Jackie Earle Haley anstelle von Englund als Krueger) das Furcht-Podium bestimmte. Freddy, der Anti-Held, einer der ersten großen »Teenie-Slasher« (= Schlitzer) in den Fußstapfen von Jason Voorhees (Freitag, der 13., 1980) und Michael Myers (1978, Halloween – Die Nacht des Grauens, 1978), ein mordendes Monster, spontan erschaffen, als Regisseur Wes Craven einen Kaffee trank und Zeitung las.

 

Ganz normal soweit, das machen wir alle. Und mit etwas Glück lesen wir (vielleicht) auch mal was gut Brauchbares. Wie die Story über einen jungen Mann, der ständig von furchtbaren Albträumen geplagt wird, davon erzählt, weiter ungern träumt und sich grausig quält, bis er im Schlaf verstirbt. Aus. So war das, so gefiel es Craven. Er dachte sich den Kindermörder Freddy Krueger aus und benannte ihn nach einem Jungen aus seiner Schulzeit, der ihn als Kind geärgert hatte. Die Grundidee: Wer vom bösen Freddy träumt und im Schlaf von ihm getötet wird, stirbt gleichzeitig auch in der Realität. Simpel, aber schrecklich unschön, fies krank und effektiv.

 

New-Line-Cinema-Produzent Robert Shaye war von Cravens Projekt höchst begeistert, obwohl Horror-Filme nicht unbedingt sein Fall waren. Er verriet Craven und damit der Presse und ergo der Welt, selbst gebrandmarkt zu sein von schrecklichen Angst-Träumen in seiner Kindheit. Einige Szenen im Film will Shay im Schlaf selbst erlebt haben, beispielsweise, dass man in einer Treppe einsinkt wie im Moor. Da steht Shay nicht allein mit seinen schlimmen Bildern, Wiedererkennungswert ist allemal gegeben, das Publikum erinnert(e) sich, der Schweiß, das blanke Entsetzen, die Schreie … alles ureigen, selbst durchgemacht. Und voraus gedacht vermutlich auch: Was wäre bloß, wenn das jetzt stimmen würde?!

Sohn von hundert Irren

Ursprünglich schuf Wes Craven als geistiger Vater Freddy Krueger ohne eine in sich abgerundete Geschichte. Das änderte sich, Freddy bekam ein Leben davor, das bei seiner unter (natürlich) unheilvollem Stern stehenden Geburt beginnt: Seine arme Mutter war die Nonne Amanda Krueger, die man irrtümlich in einem Turm einsperrte, der ein Unterbringungsort für gefährlich Geisteskranke war, die sie misshandelten. Amanda überlebte knapp, wurde schwanger und bekam einen Sohn: Frederick Charles. Sein späterer Stiefvater schikanierte ihn, seine Mitschüler quälten ihn, die Kinder riefen ihm »Sohn von hundert Irren« hinterher.

 

Freddy litt fürchterlich unter Ablehnung, Abscheu und Aggression, wurde psychisch krank. Sehr krank. Er entwickelte sich zu etwas durchweg Schlechtem. Kalt, unbarmherzig, Und bösartig. Als Kind tötete er grundlos und auf grausame Art Tiere, als Erwachsener entführte er zwanzig Kinder der Bewohner aus der Elm Street in der fiktiven Stadt Springwood, brachte sie in das Kraftwerk, in dem er mal gearbeitet hatte, tötete alle und verbrannte die Leichen. Nach seiner Verhaftung kam er aufgrund eines gewaltigen Justizirrtums frei, wurde dann umgebracht von den völlig entsetzten, wutentbrannten Anwohnern, die sein Haus ansteckten. Er verbrannte. Seine Knochen versteckten die Rächer in einem Sack in einem roten Cadillac auf dem Schrottplatz. Doch Freddy kam wieder. Viel schlimmer, da unfassbarer im doppelten Sinn.

Dämonischer Pakt

Ein weiterer Lebensabschnitt von Krueger wird im sechsten Freddy-Film behandelt, grundsätzlich ohne Not, aber als eventuell noch verwendbarer Zusatzstoff immer gut: In einer Rückblende zeigt man ihn als verheirateten Mann und Vater der kleinen Kathryn. Das Mädchen sieht, wie der Vater die Mutter im Garten erwürgt, nachdem diese seinen geheimen Raum im Keller mit etlichen Mordutensilien entdeckt hat. Auch Kathryn war im Verbotenen, mit ihr geschieht aber (vorläufig?!) nichts; sie wird dann später zur Adoption freigegeben und Maggie Burroughs genannt. Vater Freddy, nun der einsame Streiter und Killer, wie man ihn kennt, begeht die Entführung und Ermordung der zwanzig Jungen und Mädchen aus der Nachbarschaft, kommt in den Flammen um und kehrt zurück.

 

Ein dämonischer Pakt ermöglicht es ihm, in den Albträumen der ihm verhassten Kinder und Jugendlichen aufzutauchen und sie bestialisch umzubringen, meist mit seinem Klingenhandschuh. Die schaffen es nur, ihn aufzuhalten, wenn sie das, was in den Träumen passiert, unter Kontrolle bringen können. So was ist grundsätzlich nicht zum Scheitern verurteilt, ist aber wohl wahrlich keine der leichtesten Übungen, zumal Freddy es meisterhaft versteht, die typischen und speziellen Schwächen, Fehler und Ängste seiner Opfer für sich zu nutzen. Die Erfolgsquote der kleinlaut Hoffenden fällt dementsprechend mager aus, soll sie auch, die Panik muss schließlich Früchte ernten.

 

In »Nightmare« funktioniert es so: Wenn der junge Träumer Freddy packen und gleichzeitig aufwachen kann, – umso schwieriger, da der Schlaf mit Freddy ungewöhnlich tief und fest ist –, zieht er ihn in die reale Welt. Hier ist er vorübergehend aus Fleisch und Blut, damit angreifbar und verletzlich.

 

Vor Feuer schreckt er furchtsam zurück, darin ist er schon einmal gestorben.

Und dann sterben die Freunde

In seinem Albtraumdasein aber, das keine Naturgesetze kennt, ist Freddy übernatürlich stark und mächtig. Er kann übelste Illusionen erzeugen, Groteskes, Ekeliges, Böses, Angstmachendes herbei holen. Seine Kraft holt er sich aus dem Glauben an ihn. Skeptiker und tapfere Ignoranten schwächen ihn. Wer sich allerdings ziemlich sicher ist, dass Freddy existiert oder zumindest echt sein könnte und das anderen auch noch erzählt, hat im Regelfall nicht die besten Karten. Das Mitteilungsbedürfnis in solchen Fällen ist höchst verständlich, die anschließende Extrem-Nervosität ist obligatorisch: Man erfährt, dass dieser grauenhafte Mann mit eindeutigen Tötungsabsichten auch in den Träumen der anderen auftaucht, – ergo keine bloße Spinnerei –, und dann wird man noch von den Eltern darüber aufgeklärt, dass es den Kerl tatsächlich gab. Gibt. Und dann sterben die Freunde.

 

Das ist (schon) Horror. Der nicht verachtet wird. Der durchaus gut ist und der als Markenzeichen einwandfrei gemocht wird. Freddy Krueger, eine skurrile Persönlichkeit mit zynischem Humor, Freude an Qual, Schreien und Sadismus, der pointierte Einzeiler von sich gibt, während er die Messer wetzt, ist bekannt und beliebt wie eine Pop-Ikone.

Traumschlächter gleich Hauptgewinn

Für den Freddy-Darsteller Robert Barton Englund ( geb. 1947 in Kalifornien), einen bis dahin unauffälligen, wenig gesichteten Schauspieler, wurde seine Entscheidung, die Rolle des Traum-Schlächters zu übernehmen, zum Hauptgewinn. Zuerst durch das Kino, später durch das Fernsehen, – der TV-Freddy ist meist geschnitten, da sollte man richtig gucken –, wurde er zu einer Figur, die einem phantastischen Comic mit Sammlerwert entsprungen zu sein schien. Nach dem Durchbruch 1984 spielte Englund Freddy noch sieben Mal, stets unter anderer Regie bis auf Freddy’s New Nightmare exakt zehn Jahre später; da nahm nochmals Ur-Schöpfer Craven ihn unter seine Fittiche. Englund wurde zum gern geladenen Talkshow-Gast, er war allseits auf sympathische Art präsent und machte seinen Freddy salonfähig. Eine Nightmare-Fernsehserie mit verfilmten Kurzgeschichten wurde auch produziert, in der Robert Englund im Freddy-Krueger-Outfit am Anfang und am Ende bissig-böse Kommentare abgibt.

 

Sein eigenes Debüt als Regisseur mit 976-EVIL (1989) stieß auf bescheidene Aufmerksamkeit, fair oder nicht wirklich, Englund sollte Freddy bleiben. Punkt. In »Freddy vs. Jason« vor dreizehn Jahren durfte er das zuletzt, für das zwar ordentlich zeitgemäß gemachte, prinzipiell aber überflüssige Remake, – oder nicht?! –, des spektakulären ersten Teils 2010 zog er selbst Pullover und Handschuh nicht an und überließ das seinem Kollegen Haley.

 

Ob das Lied jetzt aus ist? Bis zehn darf noch gezählt werden: Nine, ten, never sleep again. Besser noch: Nine, ten, he’s back again. Stimmt doch. Irgendwie ist er ja einer von uns.

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Erstellt: 10.06.2020, zuletzt aktualisiert: 28.02.2024 16:07, 18669