Furien (Autor: Richard Laymon)
 
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Furien von Richard Laymon

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Lieben oder hassen. Ein Dazwischen gibt es bei Richard Laymon nicht. Doch genau so hatte es der am 14. Februar 2001 verstorbene Autor auch stets gewollt. Demzufolge schätzte er den positiven Input jener Zeitgenossen, die seine Arbeiten verehrten gleichermaßen wie die Verrisse seiner schärfsten Gegner. Nur die Leute, die keine Ahnung hatten, was sie von Richard Laymons Publikationen halten sollten; die in jener bedeutungslosen, grauen Zone der Bedeutungslosigkeit schwebten – die waren dem Mann zu Lebzeiten stets suspekt. Apropos: Wer Laymon aufgrund seiner oftmals exzessiven Gewaltdarstellungen gegenüber dem (meist nur spärlich gekleideten) weiblichen Geschlecht als halbseidenen Stelzbock abstempelt, der tut dem Mann unrecht. Um den Autor Richard Laymon zu verstehen, sollte man zunächst einen Blick auf dessen Hintergrund werfen. Und dieser hat weniger mit den feinfühligen Schauerliteraten Marke Poe, denn vielmehr mit jenen B-Filmen gemein, die vor allem in den 70er Jahren für Furore sorgten. Ob Spit on your Grave (1978) oder Mother's Day (1980) – das subversiv-reißerische Wesen des Grindhouse-Kinos lebt(e) in Laymons Werken weiter. Freilich mit einem gehörigen Schuss pechschwarzen Humors, der scheinbar insbesondere in unseren Breitengraden noch immer größtenteils nicht verstanden wird. Sicher, Laymon WILL provozieren, er WILL schockieren – aber nur, um an den Gittern eines teilweise doch arg eingefahrenen Genres zu rütteln. Insofern ist sein viel zu früher, überraschender Tod durchaus als Verlust zu sehen, der wohl niemals adäquat aufgewogen werden kann. Auch wenn Laymons Erben längst am Start sind, etwa der auch in Deutschland immer erfolgreicher werdende Brian Keene. Dennoch wird es wohl niemand auf Richard Laymons Thron schaffen; wird wohl kein zweiter Autor so dermaßen unbeeindruckt jegliche Etiketten und Konformitäten einfach über Bord werfen wie der Kult-Autor aus Kalifornien.

 

Doch so radikal Laymon bisweilen war, so produktiv war er auch. Weit über vierzig Bücher und mehr als siebzig Kurzgeschichten sprechen eine deutliche Sprache. Furien (Originaltitel: Fiends) beinhaltet neben der titelgebenden Novelle ein Dutzend weiterer, mehr oder weniger langer Kurzgeschichten.

Den Einstieg bildet jedoch der Beitrag von niemand Geringerem als Dean Koontz, einem guten Freund der Laymons. Mit der für ihn so typischen Sprachgewandtheit und einem prächtigen Sinn für Humor stellt der Bestsellerautor »seinen« Kumpel Richard Laymon vor – und macht gleichzeitig dem geneigten Leser klar, dass er keinen Liebesroman in Händen hält.

 

Unholde, die Auftaktnovelle beweist dies mit überdeutlicher Geradlinigkeit. Die Hauptperson Marty, ein junges Mädchen Anfang Zwanzig, begegnet nach Jahren ihrem einstigen Peiniger Willy wieder. Dieser landete hinter Gittern, nachdem er sein damaliges Opfer brutal vergewaltigt und misshandelt hatte – und sinnt nun auf Rache! »Unholde« ist Grindhouse at it’s Best: ein gleichermaßen rasantes wie schnörkelloses »Rape and Revenge«-Szenario, wobei die Rollen zunächst anders verteilt zu sein scheinen. Zunächst, wohlgemerkt …

 

Der Katzenwurf: Die Ankündigung, dass Nachbar Bishop junge Kätzchen kostenlos abzugeben hat, ruft die gleichermaßen vorlaute wie raffinierte Monica auf den Plan. Zu dumm, dass das Mädchen ausgerechnet auf jenes Tier beharrt, das Bishop um jeden Preis behalten möchte …

So durchtrieben wie seine fiktive Rotzgöre präsentiert sich Laymon in dieser nachtschwarzen Kurzgeschichte, welche von einem mächtig bösen Finale gekrönt wird.

 

In Die Blutspur verwandelt sich ein scheinbar normaler Arbeitstag im lokalen Kino für den Platzanweiser Byrne in ein haarsträubendes Abenteuer. Unzählige Möglichkeiten spielen sich im Kopfe des Mannes ab, während er der mysteriösen Blutspur nachgeht. Doch was ihn am Ziel erwartet, übersteigt seine kühnsten Vorstellungen bei weitem …

Eine weitere überdurchschnittlich gute Erzählung. Ohne viele Worte baut Laymon Spannung und Tempo auf und weiß auch, wie er sie halten kann. Einzig das, selbst für Laymon-Verhältnis etwas übertriebene Ende ist ein klein wenig enttäuschend.

 

Der Anhalter in der Wüste kann von außerordentlichem Glück sprechen, nachdem sich ihm ausgerechnet an solch einem unwirtlichen Ort eine Mitfahrgelegenheit bietet – oder? Hier kommt eine weitere Stärke des Autors zur Geltung: das Verwischen von klassischen Gut-Böse-Schemata. Eine herrliche Kurzgeschichte, welche diesmal auch durch eine wunderbar stimmige Pointe gekrönt wird.

 

Die Maske: Schon mal auf dem Nachhauseweg einer maskierten Dame begegnet? Für Allan ist es auch das erste Mal. Und obwohl der diese reichlich merkwürdige Begegnung aus seinem Verstand verbannen möchte, wird er sie nicht mehr los – und begibt sich schließlich auf die Suche …

Wer auf herzhafte Kost gehofft hat, der mag ein wenig enttäuscht von dieser Geschichte sein, die zwar erneut prächtig stimmig beginnt, zum Ende hin aber immer weiter abflaut. Allenfalls guter Durchschnitt und sicherlich der schwächste Beitrag in diesem Band.

 

Vorkoster: Auch wenn ihm seine neueste Klientin, die arrogant-schrullige Mabel Wings, zuwider ist, so kann der abgehalfterte Privatschnüffler Duke Scanlon ihre großzügige Offerte keinesfalls abschlagen. Bis er ihre Geschichte zu hören bekommt. Denn die arrogante Mrs. Wings ist felsenfest davon überzeugt, dass sie jemand vergiften möchte. Aus diesem Grund rührt sie auch schon seit Monaten keine Nahrung mehr an. Was das Ganze mit Scanlon zu tun hat? Er soll als Vorkoster dienen …

Hier kommt er wunderbar zur Geltung, der eingangs erwähnte, rabenschwarze Humor. »Vorkoster« ist eine herrliche Krimigroteske, die vom Stil als auch von der Story her stark an den Filmklassiker Ladykillers (1955) erinnert.

 

Die Jagd: Seit Wochen hält der als »Mount-Bolton-Schlächter« getaufte, unbekannte Irre Behörden und Bevölkerung in Atem. Könnte der Fremde, der die junge Kim von seinem Auto aus beobachtet, jener wahnsinnige Mörder sein?

»Die Jagd« ist klassischer Laymon: Gemein, rasant und verdammt blutig. Ein kurzer Ausflug in die dunkelsten Gefilde der menschlichen Seele.

 

In Einschnitte lernen wir den schüchternen Studenten Charles kennen. Dieser hat schon seit längerer Zeit ein Auge auf Lynn geworfen. Doch wie wird sie reagieren, wenn sie erfahren muss, dass der scheinbar harmlose Charles in Wahrheit ein ziemlich durchtriebener Zeitgenosse ist, der zudem einen ganz besonderen Fetisch pflegt? Was bei anderen eine altbekannte Liebesstory gewesen wäre, wird dank Laymon und seinem ganz speziellen Zusatz zu etwas gänzlich anderem.

 

Der nachfolgende Beitrag, In der Wildnis ist zwar die kürzeste Erzählung des Buches, beweist aber, dass manchmal auch nur wenige Seiten vonnöten sind, um ein Maximum zu erzielen.

 

Nicht ganz so überzeugen kann Ungebetene Gäste, zweifellos eine Hommage an den Hitchcock-Film Immer Ärger mit Harry (1955). Mit dem Unterschied, dass es sich diesmal um eine zu entsorgende Frauenleiche handelt und die vermeintlichen Entsorger alles andere als gewöhnliche – oder zurechnungsfähige – Menschen sind. Leider fehlt der Geschichte ein wenig der Biss, um vollends überzeugen zu können.

 

Die Auserwählten ist die einzige Story mit einer übernatürlichen Komponente, genauer gesagt mit Vampiren. Diese haben die Menschheit endgültig unterjochen können und herrschen nun über den Planeten. Eine der zahllosen Sippen bedient sich dabei menschlicher Opfer, die entweder als Nahrung enden oder zum Nachwuchszeugen missbraucht werden. Bis sich eines gegen ihr vermeintliches Übel zu wehren beginnt …

Nanu? Nach all den Irren und Killern nun ein paar Blutsauger? Stimmt. »Die Auserwählten« wurde nämlich nicht für diese Sammlung geschrieben, sondern war Bestandteil einer Anthologie namens Under the Fang aus dem Jahre 1991, in der die besten Horrorautoren von damals auf die möglichen Auswirkungen einer globalen Vampirherrschaft eingingen – darunter auch Richard Laymon, der erneut mit vielen seiner Markenzeichen (Tempo, Gewalt und reichlich nackte Haut) punkten kann.

 

Joyce lautete der Name von Darrens erster, verstorbener Frau. Doch statt in ihrem Sarg, liegen die plastifizierten Überreste der Dame ausgerechnet unter dem Bett ihres einstigen Ehemanns Darren. Verständlich, dass Darrens Neu-Ehefrau, Barbara, alles andere als begeistert ob dieser Entdeckung ist – und Darren zudem kein Verständnis für ihre ablehnende Haltung hat …

»Joyce« ist eine Art Hybrid diverser, vorangegangener Geschichten: es gibt eine handfeste bizarre sexuelle Neigung, jede Menge schwarzer Humor und zum Finale hin eine handfeste Menge Blut und Gewalt – auch wenn Laymon erneut ein klein wenig über das Ziel hinausschießt.

 

Ein ruhiges, stilles Örtchen: George ist klein, fett und obendrein eine Nervensäge. Keine guten Voraussetzungen, um eine Freundschaft mit Rick und seinem Kumpel Jim anzufangen. Bis ihm die beiden Kumpel die Chance geben, sich bei einer gewagten Mutprobe beweisen zu können …

Erneut wechseln Gut und Böse die Plätze; bildet diese gemeine Kurzgeschichte einen wahrhaft krönenden Abschluss.

 

Fazit:

Auch die kürzere Form des Geschichtenerzählens wird von Laymon meisterhaft beherrscht. »Furien« ist bis auf wenige Ausnahmen ein schonungslos-gemeiner Trip in die dunkelsten Winkel und Abgründe der menschlichen Seele. Wer Laymon kennt (und mag), der wird bestens unterhalten, Neulinge sollten ihren ersten Abstecher ins »Laymon-Land« unbedingt hier beginnen.

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Buch:

Furien

Original: Fiends

Autor: Richard Layon

Taschenbuch, 352 Seiten

Festa-Verlag, 16. November 2010

 

ISBN-10: 3865521363

ISBN-13: 978-3865521361

 

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 26.03.2011, zuletzt aktualisiert: 24.08.2023 21:35, 11671