Galerie der Phantasten Folge 1
Unheimliche Geschichten aus Frankreich
Szenische Lesung
Rezension von Ralf Steinberg
Verlagsinfo:
Ähnlich wie in die ursprüngliche Reihe Galerie der Phantasten ist auch die vorliegende Hörbuchserie eine Klammer für Perlen phantastischer Literatur. Der Schwerpunkt liegt auf Frankreich und auf einer Zeit, die fast überall in Europa von fundamentaler Veränderung und Verunsicherung geprägt war: Die Folgen der industriellen Revolution waren längst überdeutlich, und die phantastische Literatur spiegelte ab der Jahrhundertwende die Ängste vor der neuen industriellen Umwelt wider, später kündigte sich das Unheil des ersten Weltkriegs, danach die Weltwirtschaftskrise an. Die Phantastik verarbeitete das Abgründige ihrer Zeit oft in Form von morbiden Untergangs- und Todesentwürfen. Auch die beiden Geschichten dieser CD – Das Rendezvous von Maurice Renard aus dem Jahr 1909 und Das Haus von André Maurois von 1931 – haben den Tod zum Thema.
Rezension:
Es gibt immer mal wieder so kleine Liebhaber-Projekte, die trotz aller Mühe und Kunstfertigkeit in der Masse unterzugehen drohen. Der Hörbuchreihe Galerie der Phantasten droht dieses Schicksal, obwohl sie zu den schönsten Phantastik-Produktionen des Jahres gehört.
Thematisch orientiert sie sich an der Buchreihe phantastischer Literatur von Hans Heinz Ewers, die er von 1914 bis 1922 in acht Bänden herausgab.
Die Idee für eine szenische Lesung der Texte wiederum stammt vom Musikalisch-Literarischen-Theater ARTRES, deren Künstlerinnen auch an der Hörbuchproduktion beteiligt waren.
So finden sich Iris Artajo als Regisseurin, Gundi Eberhard als Sprecherin und Vera Claus als Pianisten in der Aufnahme. Unterstützt werden sie vom Dorian Hunter-Sprecher Thomas Schmuckert, der die Rolle des männlichen Ich-Erzählers in Das Rendezvous übernahm.
Die Erzählung von Maurice Renard aus dem Jahre 1909 handelt von der gierigen Liebe eines Architekten zur Frau seines Freundes. Als er durch Zufall herausfindet, dass er seine Angebetete hypnotisieren kann, nutzt er die Situation aus, und gibt ihr den Befehl, jede Woche für zwei Stunden leidenschaftlicher Hingabe zu ihm zu kommen.
Doch als die junge Frau unter dem Rätsel der beiden Stunden, an die sie sich nie erinnern kann, zu leiden beginnt, gerät die Liason außer Kontrolle …
Die klassische Wiedergängergeschichte entwickelt in der Inszenierung eine ungeheure Eindringlichkeit. Gundi Eberhard kommentiert dabei die Geschehnisse aus der Sicht Juliettes mit genau der richtigen Mischung aus zunehmenden Horror und Leidenschaft, die das unausweichliche Übel direkt in die Ohren der HörerInnen treibt.
Thomas Schmuckert gelingt es dabei, die allmählich drängende Zeit der Rahmenhandlung und das selbstverschuldete Verderben, sowie die selbstsüchtige Liebesgier so auszudrücken, dass man gefesselt und ängstlich den Ereignissen lauscht. Atemlos.
Untermalt mit exquisiter Klaviermusik und dezenten Geräuschen ergibt sich in der Summe ein beeindruckendes Hör-Erlebnis.
Die zweite Geschichte, Das Haus von André Maurois, in der der Traum einer jungen Frau plötzlich sehr real wird, ist deutlich kürzer, aber mit gleicher Qualität produziert.
Das plötzliche Ende der CD nährt den Wunsch nach dem baldigen Erscheinen einer weiteren Folge, jedoch wird man abwarten müssen, ob die Finanzierung über Startnext erfolgreich verläuft.
Fazit:
Sehr atmosphärischer Start einer Reihe mit phantastischen Geschichten aus Frankreich, die es wert ist, fortgesetzt zu werden.
Die inszenierte Lesung versetzt die HörerInnen fast auf die Bühne, so fesselnd und spannungsreich wie es nicht jeder Hörbuchproduktion gelingt.
Nach oben
