Rezension von Olaf Kieser
André Franquin (1924 – 1997 ) war einer der bedeutendsten und einflussreichsten europäischen Comic-Zeichner. Er erschuf nicht nur eine Reihe von schillernden Figuren wie dem Fantasietier Marsupilami und den chaotisch-liebenswerten Gaston. Auch sein Zeichenstil war prägend und Vorbild für viele europäische Comiczeichner wie z.B. auch Peter Puck. Arbeitete Franquin zunächst als Zeichner für die Serie Spirou und Fantasio, so entwickelte er 1957 mit Gaston seine eigene Serie. Carlsen veröffentlicht nun in einer Neuauflage die gesammelten Werke oder besser Katastrophen Gastons.
Gaston ist Bürogehilfe in der Redaktion des (real existierenden) Comic-Verlages Dupuis bzw. in der des Carlsen-Verlages in der deutschen Ausgabe. Doch Leserbriefe beantworten, Aufräumen und die Auslieferung von Texten zum Lettern fordern den genial veranlagten Gaston nicht wirklich, weshalb er eine eher geringe Arbeitsmoral an den Tag legt. Seine wahren Talente liegen in den Bereichen des Erfindens und der Musik. In dem 10. Band finden sich neben den Strips 535 bis 574 auch ein vierseitiger dokumentarischer Bericht über die Evolution des berühmt-berüchtigten Gastophon, dessen unverwechselbarer Klang an die Posaunen von Jericho erinnert. Ansonsten ist alles beim Alten. Der arme Demel, Gastons Vorgesetzter, führt einen ewigen, nervenaufreibenden Kampf gegen die Faulheit und den Basteltrieb seines Untergebenen, die immer wieder die Produktivität der gesamten Redaktion lahmzulegen drohen. Natürlich wird auch jeder Vertragsabschluss des Geschaftsmannes Bruchmüller erfolgreich torpediert. Dann ist da noch der diensteifrige Wachtmeister Knüsel, mit dem Gaston immer wieder zusammen gerät und oft ein Schnippchen schlägt. Einzig Fräulein Trudel ist immer auf Gastons Seite, ist sie doch in ihn verliebt. Das mag der Grund dafür sein, dass sie alles was Gaston tut positiv bewertet. Besonders hervorzuheben sind in diesem Album Gastons Kampf mit einer Nuss und sein selbst kreierte Raumsprays, die immer eine durchschlagende Wirkung haben.
Das Album hat wie gewohnt keine Zusammenhängende Handlung, die einzelnen Strips sind nur lose thematisch miteinander verbunden. Die Konstante ist die Hauptfigur Gaston. Doch auch die zahlreichen Nebenfiguren besitzen einen für die Reihe zuträglichen Wiedererkennungswert. Besonders Demel verdient Beachtung und Aufmerksamkeit. Zwar reagiert er mitunter geradezu hysterisch auf Gastons Späße und Erfindungen. Doch ist er auch um seinen Angestellten besorgt und beweist oft einen nahezu übermenschliche Gleichmut im Umgang mit Gaston. Welcher Chef würde einen Mitarbeiter mit einer negativen Produktivität beschäftigen? Gaston erledigt nicht nur seine Arbeit nicht, er verhindert regelmäßig Vertragsabschlüsse und richtet immer wieder erhebliche Sachschäden an. Es wäre also nur zu verständlich, sollte Demel Gaston entlassen. Aber er tut es eben nicht. Das zeugt von Größe. Und vielleicht braucht Demel auch den chaotischen Gegenspieler, dessen Treiben ja im Grunde gut gemeint ist. Es kann durchaus sein, dass Demel, auch wenn er das wohl nicht zugeben würde, die Abenteuer mit Gaston schätzt, bringen sie doch Abwechslung und unterhaltsame Unberechenbarkeit in den Arbeitsalltag.
Neben der Schlusspointe der einzelnen Strips sorgen ebenso die großartigen, detailreichen Zeichnungen in den einzelnen Panels wie auch die witzigen Texte, Wortspiele und Anspielungen für große Erheiterung beim Leser. Es gibt auch beim wiederholten Lesen immer wieder etwas zu entdecken. Das Album kommt in der gewohnten Carlsen-Qualität daher.
Es fällt leicht, ein positives Fazit zu ziehen. Carlsen hat sich bei der Überarbeitung der Reihe große Mühe gegeben. Gaston ist ein zeitloser, sehr unterhaltsamer Klassiker.