Geweckte Hunde von Martin Hoyer, Dirk Wonhöfer & Sylke Brandt,
Reihe: Saramee - Stadt der Vertriebenen Bd. 12
Rezension von Christel Scheja
„Die Stadt Saramee – ein Schmelztiegel von Abenteurern, Glücksrittern, Vertriebenen und verlorenen Existenzen auf der Suche nach Ruhm, Reichtum und einen Neuanfang in ihrem Leben.“
Nach einer etwas längeren Pause ist „Saramee - Stadt der Vertriebenen“ wieder zurück, wenn auch in einer etwas anderen Aufmachung als gewohnt. Nicht mehr länger sollen die Erzählungen und Kurzromane zwei- bis dreimonatlich als dünne Hefte von etwa 70 Seiten Länge erscheinen, sondern zweimal im Jahr als Taschenbücher mit der dreifachen Dicke, aber zu einem insgesamt günstigeren Preis.
Mit dem Wechsel im Format wird auch eine neue Richtung im Saramee-Universum eingeschlagen. Was sich in den ersten Bänden der Serie vage angekündigt hat, scheint nun Form anzunehmen. Der Rat der Stadt hat nun doch dem Bündnis mit dem Westlichen Imperium zugestimmt, um endlich der Piraterie der Inselvölker Herr zu werden - aber das ist nur die Spitze des Eisberges.
Denn niemand ahnt, dass noch eine weitere Partei ihre Intrigen spinnt und aus der unvermeidlichen Konfrontation zwischen den Bündnispartnern und den Freibeutern einen eigenen Vorteil ziehen will. In „Geweckte Hunde“ macht Martin Hoyer nun ein für alle mal klar, welche Rolle der ehemalige Vertreter des Westlichen Imperiums, Ralec, in der kommenden Zeit einzunehmen gedenkt.
Die Geschichte liest sich im Prinzip wie der Prolog zu einem viel längeren Roman, da zwar einiges an Hinweisen gegeben, aber viel mehr Fragen gestellt, als beantwortet werden. Man muss schon Ralecs Vorgeschichte kennen, um das volle Ausmaß seiner Pläne zu erkennen, daher ist die Erzählung gerade für Neueinsteiger nicht ganz so interessant.
Val Carrac und die Besatzung der „Cassaia“, ahnen noch nichts von dem drohenden Konflikt, als sie zu einer neuen - nicht ganz legalen Fahrt aufbrechen wollen. In „Curucoc“ von Dirk Wonhöfer bekommen sie jedoch eine Ahnung von den Methoden, die man gegen die Inselvölker einsetzen möchte. Doch ist das heimtückische Gift an den Waffen ihrer Gegner wirklich die stärkste Waffe, die man gegen sie richten kann? Und vor allem: Woher gibt es das Gegengift? Bis diese Fragen beantwortet sind, haben die Männer und Frauen eine abenteuerliche Reise mit vielen Gefahren vor sich.
Hier überzeugt vor allem die Charakterdarstellung der Besatzung der „Cassaia“. Man wird fast sofort mit Val Carrac und seinen Leuten warm, da sie sehr liebevoll und lebhaft dargestellt werden und ihre Macken haben. Auch die seefahrttechnischen Details wirken glaubwürdig und tun ihr übriges zu der spannenden Geschichte hinzu, die schon einmal eine Facette des kommenden Konflikts erzählt.
Nach den beiden Abenteuern auf hoher See und an fremden Orten kehrt „Tänzer am Abgrund“ von Sylke Brandt nach Saramee zurück und schildert das Wirken eines geheimen Kultes im Untergrund von Saramee. Einige Angehörige der Wache und Söldner kommen dank aufmerksamer Beobachter auf die Spur der Fanatiker, die ihren zumeist sehr wohlhabenden Gönnern wie der Edlen Maid Barella die Erlösung von Schmerzen und der Last des Alters versprechen, dafür aber andere Menschen in einem grausamen Ritus vom Leben zum Tod befördern. Ganz offensichtlich gibt es auch in ihren eigenen Reihen Verräter und Kultisten, die alles versuchen, um eine Enttarnung zu verhindern.
Zwar spinnt die Geschichte nicht unbedingt den Hintergrund weiter, vermittelt aber eine andere Seite von Saramee, die den Lesern seit den ersten Bänden bekannt ist. In ihrer Rolle als Schmelztiegel der Völker, und erbaut auf den Überresten älterer Besiedlung, bietet die Stadt auch Menschen Unterschlupf, die beschlossen haben, einem dunklen Weg zu folgen. Zwar tauchen auch frühere Helden der Autorin, wie die erfahrene Schwertfrau Gwendis auf, ein noch größerer Fokus liegt aber auf der Kultistin Blutblume, aus deren Sicht viele der Ereignisse erzählt werden und in einem ganz anderen Licht erscheinen als man denkt. Diese Ambivalenz zwischen den verschiedenen Sichtweisen macht den Reiz der ansonsten eher konventionellen Geschichte aus.
Was man bei Saramee vor allem erhält sind Geschichten, die ein breites Spektrum der Fantasy abdecken und vor allem eine spannende und unterhaltsame Handlung in den Vordergrund stellen, bei dem die Figuren und die Atmosphäre stimmt. Der neue Band beweist wieder einmal, dass die Autoren diesem Ruf gerecht werden.
Bei ihnen stehen vor allem die Menschen und ihre Erfahrungen mit den Gefahren in und um Saramee herum im Vordergrund, das Böse mit all seinen Gesichtern ist zwar immer präsent, aber nicht das bestimmende Element der Geschichten. Wer also nicht unbedingt immer nur über epische Schlachten, exotische Hintergründe und heroische Kämpfe lesen möchte, greift auch bei diesem Band der Geschichten aus Saramee nicht daneben.
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