Grendl (Autor: Frank Schweizer)
 
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Grendl von Frank Schweizer

Rezension von Christian Endres

 

Lobeshymnen, wohin man innerhalb der Szene derzeit auch nur blickt. Eine wunderbare Aufmachung im Hardcover. Empfehlungen von Kollegen auf dem Backcover, deren Wort durchaus Gewicht hat. Frank Schweizers phantastisches Romandebüt »Grendl« liefert einige Gründe, sich mit dem belletristischen Erstling des deutschen Autors beim Otherworld Verlag zu beschäftigen ...

 

Es geht alles recht schnell: Im einen Moment ist es nur ein Riss am Himmel, im nächsten hält Max Merkur (der im Lauf des Romans übrigens stets Max Merkur bleibt, wodurch eine – philosophische? – nüchterne Distanz bewahrt wird) sein Diplom der Philosophie in den Händen – und dann geht auch schon das Universum unter, die Apokalypse ist nahe, Einhufer, Eichhörnchen und Katholiken treffen sich vor den Gut/Böse-Detektoren in der weitläufigen Vorhalle des Nachlebens (»Himmelsbahnhof«) und warten darauf, nach oben oder nach unten, also in den Himmel oder in die Hölle, gebeamt zu werden.

 

Max [Merkur] hat allerdings einen Vorteil: Er hat in dem Moment, da die Welt unterging, in einer Kirche geflucht und gleichzeitig mit Weihwasser um sich gespritzt – also will man ihn weder im Himmel, noch in der Hölle. Als Borderliner zwischen den Mächten von Gut und Böse und aufgrund seiner fundierten Kenntnis der Philosophie scheint Max Merkur genau der richtige zu sein, um dem Teufel Lutherion dabei zu helfen, den Sinn des Lebens zu finden, damit dieser in die allmächtige Gleichung eingesetzt werden kann, die am Ende wieder dafür sorgen soll, dass das Universum eine zweite Chance kriegt – und das Böse damit eine Gelegenheit, »ordentlich« über das Gute zu triumphieren ...

 

Spätestens seit Douglas Adams weiß der Leser witzig-phantastischer Literatur jedoch, dass die Suche nach dem Sinn des Lebens oder auch nur die Frage danach eine heikle Angelegenheit sein kann. Die Teufel haben deshalb auch ein Ass im Ärmel, um Max [Merkur] und Lutherion die Suche zu erleichtern: Sie haben Petrus (!) Handy (!!) entwendet, in dessen Kurzwahlspeicher alle großen Philosophen der Menschheit eingespeichert sind – wobei man vielleicht noch erwähnen sollte, dass das Handy von Petrus Zeitreisen ermöglicht. Also machen sich Max Merkur und sein teuflischer Gefährte auf, die Philosophen der Vergangenheit zu besuchen, um ihnen die Frage nach dem Sinn des Lebens zu stellen. Dabei unterhalten sie sich nicht nur mit Sokrates in der Todeszelle und geben ihm den letzten Trunk, sondern debattieren auch mit dem »mittelalterlichen« Thomas von Aquin über »Gott und die Welt«, wonach noch ein paar andere mehr oder weniger philosophische Gespräche in der Vergangenheit anstehen, in denen Max [Merkur] seinen Vorbildern und Vordenkern gegenüber zu treten hat, ehe es zum großen Showdown mit dem Erzbösen – und natürlich dem titelgebenden, geflügelten, feuerspeienden Unhold – kommt und die zweite Chance der Welt auf der Kippe steht und von einem modernen Philosophen und einem nicht weniger modernen Teufel abhängt ...

 

Schweizer hat das sehr geschickt gemacht: Auf der einen Seite nimmt er ein klassisches Grundmotiv der phantastischen Literatur – die Queste –, während er auf der anderen Seite innovative Ideen und witzige bis charmante Einfälle und lustige Szenen zu Hauf um eben dieses Leitmotiv der Fantasy anordnet und seinen Roman damit – ebenso wie Max Merkur – zu einem Grenzgänger macht, der abseits ausgetretener Pfade wandelt und sein eigenes Abenteuer erlebt, ohne dass zuvor schon tausend Hobbits oder Elfen das Gras platt getrampelt haben. Schweizers Humor, den er an zahlreichen Stellen in die Handlung einstreut, führt dabei weniger zu echten Schenkelklopfern, profiliert sich dafür aber zumeist durch (s)einen äußerst klugen, geistreichen Charakter und Charme.

 

Stilistisch ist es manchmal hingegen etwas holprig, und die kursiv gesetzten, »erklärenden« Stellen (die quasi den Stempel Witzig!! tragen ...) nehmen der Handlung mehr von ihrem Drive und ihrem lebendigen Tempo, als dass sie der Geschichte in der Stumme wirklich gut tun. Sie passen durchaus in die Story und sind auch sinnig gesetzt – aber aus dramaturgischer Hinsicht sind sie eher ein Maulwurfshügel, über den Max Merkur und Lutherion bei Zeiten doch gehörig stolpern.

 

Auch wenn der Otherworld Verlag noch recht jung ist, kann man an dieser Stelle schon von einer »gewohnt guten« Aufmachung sprechen. Die bisher veröffentlichten Bücher im aufwendig gestalteten Hardcover mit Schutzumschlag, Lesebändchen, Prägedruck und technisch einwandfreier Verarbeitung haben mich bisher immer begeistert, und »Grendl« bildet hier keine Ausnahme. Abgerundet wird das rundum gelungene Erscheinungsbild des knapp 200 Seiten starken Büchleins durch ein plakatives Covermotiv sowie schöne Innenillustrationen, allesamt geschaffen von Jan Balaz.

 

Fazit: Um es gleich vorweg zu nehmen: Anders als einige Kollegen sehe ich hier keinen pointierten und routinierten Edelstilisten wie Terry Pratchett und auch keinen Schenkelklopfer-Lieferanten wie den frühen Robert Asprin. Stattdessen sehe ich hier in erster Linie einen unverbrauchten, frischen Autor mit ebenso unverbrauchten und vor allem innovativen Ideen, der einen gelungenen Mix an Themen vor einem phantastischen Setting aufbereitet und mir mit klugem Witz immer wieder ein Schmunzeln oder Grinsen auf die Lippen gezaubert hat, während ich seinem Helden durch die Wirren von Zeit und Raum und Himmel und Hölle folgen durfte, um mit ihm und seinem skurrilen, teuflischen Gefährten dem Sinn des Lebens hinterher zu jagen und mich an ihrer Seite einer finsteren, erzbösen Macht entgegen zu stellen.

 

Alles in allem ein gelungenes und über weite Strecken wirklich originelles Debüt aus einer Ecke der Phantastik, die sonst nur von Autoren aus dem englischen/amerikanischen Sprachraum geprägt wird. »Grendl« ist ein durch und durch andersartiger Fantasy-Roman voller Innovation, sicher – in erster Linie ist er aber eine positive Tendenz, deren Entwicklung es ebenso wie die Entwicklung des Autors selbst (und natürlich das Treiben der Teufel ....) definitiv zu beobachten gilt.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404250726426b305f9e
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Gremdl

Autor: Frank Schweizer

Hardcover, 192

Otherworld Verlag, April 2007

ISBN: 3950218556

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 21.05.2007, zuletzt aktualisiert: 24.04.2024 15:50, 3910