Gullivers Reisen (Autor: Jonathan Swift)
 
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Gullivers Reisen von Jonathan Swift

Rezension von Christine Schlicht

 

Schon wieder Gullivers Reisen!

 

Was unterscheidet diese neue Version des schon über Generationen von Lehrern als Foltermittel für ihre Schüler verwendeten uralten Traktates, das 1726 anonym von Swift herausgegeben wurde, von den gefühlten 10.000 vorhergehenden Publikationen? Wie viele Schüler musste sich schon mit Interpretationen über diese Satire die Nächte um die Ohren schlagen, weil sie tagsüber was Besseres zu tun zu haben glaubten? Wie könnte man diese dazu bewegen, sich noch einmal mit diesem eigentlich zauberhaften, wirklich fantastischen Werk zu beschäftigen? Kann es diese Auflage?

 

Nun, da ist zum Beispiel die Aufmachung. Ein großes Hardcoverbuch in mit ungewöhnlichen, das Regal sprengenden Kantenlängen. Schwer und schön bunt anzusehen mit einem lustigen Bild der Gefangennahme Gullivers durch die Liliputaner. Ein haptischer und optischer Genuss.

 

Ein weiterer Pluspunkt ist die Tatsache, dass hier alle vier Reisen des Gulliver in einem Band zu finden sind und das auch noch liebevoll und detailreich von Chris Ridell illustriert, den man bislang in Sachen Kinderbüchern als rechte Hand von Paul Stewart (Klippenland-Chroniken) kannte. Damit wird diese Neuauflage alten Kulturgutes auch brauchbar für alle Altersgruppen von 5- 100. Einem Kind wird sich die Ironie und der Zynismus des Autoren nicht erschließen, aber so ist es immerhin eine lustige und spannende Geschichte. Für Jugendliche, welche dann entnervt für die Schule die bewussten Interpretationen schreiben müssen, wird der reine Text aufgelockert mit detailreichen Darstellungen, die für sich schon mindestens einer ausführlichen Bildbeschreibung wert sind.

 

Chris Ridells Fähigkeit, Bilder Bände sprechen zu lassen und sei es nur durch die Mimik der dargestellten Personen ist einfach großartig und ausgereift. Es ist ein Augenschmaus, die großformatigen Bilder lange zu betrachten und immer wieder neue Details zu erfassen. Ältere Leser können sich mit diesem Buch wieder in alte Zeiten zurückversetzt fühlen und können ganz sicher doch so einige Parallelen zur heutigen politischen Lage ziehen. Denn die Menschen haben sich in den letzten paar hundert Jahren doch nicht wirklich verändert und so manche satirische Bemerkung Swifts könnte auch heute noch passen.

 

Muss man an dieser Stelle jetzt wirklich eine Inhaltsangabe schreiben? Müsste schon, aber eigentlich kennt man den Inhalt doch, oder?

 

Na gut, dann hier noch mal der Verlauf der vier Reisen, aber ohne Interpretation:

 

Die Reise nach Lilliput

 

Das Schiff, auf dem Lemuel Gulliver als Schiffsarzt dient, kentert bei einem schweren Sturm. Als er wieder zu sich kommt, befindet er sich auf einem Strand, gefesselt von winzigen Menschlein. Er kann das Vertrauen des Kaisers gewinnen, sieht sich aber bald beständigen Intrigen gegenüber und tritt von einem Fettnäpfchen ins nächste. So kann er zwar einen Brand im Kaiserpalast mit der Erfüllung eines menschlichen Bedürfnisses löschen, leider ist es aber verboten, öffentlich zu urinieren. Als er davon erfährt, dass man ihn verhungern lassen will, flieht er zunächst zu einer Nachbarinsel, wo er ein gekentertes Rettungsboot findet, mit dem er die Inseln verlassen kann.

 

 

Die Reise nach Brobdingnag

Lange hält er es nicht zuhause aus, wo er dank der winzigen Kühe und Schafe, die man ihm in Lilliput mitgab, zu einem gewissen Vermögen gekommen ist. Auf einer neuerlichen Seereise wird er auf einer Insel vergessen, als die Seeleute beim Wasser- und Proviantaufnehmen von einem gigantischen Menschen überrascht werden. Jetzt ist Gulliver der Lilliputaner und die Sensation auf den Marktplätzen. Ein Riesenmädchen wird seine Betreuerin und bleibt auch bei ihm, als er an die Kaiserin verkauft wird.

 

Für das Fürstenpaar ist er eine Art Haustier und er muss ihnen alles über seine Welt erzählen. Die Regierungsstrukturen in Europa mit ihren beständigen Kriegen rufen großes Befremden hervor. Der Kaiser befiehlt, alle Schiffe der kleinen Menschen abzufangen und ein Weibchen für Gulliver zu besorgen, damit er sich vermehren könne. Doch das will er nicht, aber Gelegenheit zur Flucht gibt es auch nicht. Da wird sein „Käfig“ von einem gigantischen Adler weggetragen, der ihn jedoch fallen lässt. Ein englisches Schiff fischt das „Haus“ aus dem Wasser und er kehrt nach Hause zurück.

 

Die Reise nach Laputa, Balnibarbi, Glubbdubdrib, Luggnagg und Japan

Auf dieser Reise wird das Schiff, auf dem er als Schiffsarzt mit fährt, von Piraten gekapert und Gulliver wird mit einem Boot ausgesetzt. Er gelangt auf eine kleine, tote Insel und sieht plötzlich eine Insel heranschweben. Er begegnet den leicht durchgeknallten Bewohnern der schwebenden Insel Laputa, welche die darunter liegende Insel Balnibarbi terrorisieren und ihr Leben damit verbringen, völlig überflüssige Erfindungen zu machen. Alle Leute, die sich noch halbwegs „normal“ verhalten, werden schräg angesehen und für Schmarotzer gehalten, denn denen geht es überraschend gut. Die „modernen“ Erfindungen hingegen brachten den anderen Bewohnern bislang nichts als Armut und Probleme. Aber es ist eben Mode.

Auf der nahebei liegenden Insel der Zauberer tritt er in Kontakt mit Verstorbenen, unter anderem Homer und Aristoteles, die großen Feldherren Hannibal, Alexander und Cäsar kennen und erfährt so manche Wahrheiten, die keine Geschichtsschreibung lehrt. Ein weiteres Erlebnis sind die Vor- und Nachteile der Unsterblichkeit, beziehungsweise die Vorteile des Todes.

 

Die Reise ins Land der Houyhnhnms und Yahoos

Auf seiner letzten Reise, die er als Kapitän eines Handelsschiffes antritt, wird er erneut von Piraten gefangen und auf einer Insel ausgesetzt. Dort begegnet Gulliver dann vernunftbegabten und rational agierenden Pferden, die sich wilde Humanoide, die Yahoos, die ein bisschen an Neandertaler erinnern, als Haus- und Lastentiere halten. Diese Pferde, die weder Not, noch Krieg, noch Krankheit kennen, sind beim Auftauchen Gullivers verwirrt, da er zwar das Äußere eines Yahoo hat, aber offensichtlich auch die Vernunft eines Houyhnhnms. Daher wird er nicht wie die wilden Yahoos behandelt, die auch alle schlechten menschlichen Eigenschaften zu haben scheinen. Gullivers Verhältnis gegenüber Pferden ändert sich nach dieser Reise hingegen grundlegend. Er verbringt seine Tage im Stall bei seinen Pferden und verbannt seine Frau und die Kinder aus seiner Nähe und wird zum absoluten Menschenfeind.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202412111722096b3f7a81
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Titel:

Gullivers Reisen

Autor: Jonathan Swift

Illustrator: Chris Ridell

Gebundene Ausgabe: 144 Seiten

Verlag: Sauerländer; Auflage: 1 (Januar 2006)

Sprache: Deutsch

ISBN-10: 3794160487

ISBN-13: 978-3794160488

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 23.03.2007, zuletzt aktualisiert: 27.01.2021 19:28, 3691