Gwyna - Im Dienste des Zauberers (Autor: Philip Reeve)
 
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Gwyna - Im Dienste des Zauberers von Philip Reeve

Rezension von Christel Scheja

 

Eigentlich müsste man annehmen, dass die Legende um König Artus auch im Kinderbuch-Sektor bereits gründlich ausgeschlachtet wurde, denn jedes Jahr gibt es mindestens ein halbes Dutzend Bücher, dass auf dem Sagenkreis basiert. Um so erstaunlicher ist es, wenn es dem ein oder anderen Autoren doch noch gelingt, der Geschichte eine weitere Facette abzugewinnen, die man noch nicht so kennt.

Philip Reeve versucht in seinem Roman „Gwyna – Im Dienste des Zauberers“ erst gar nicht, ein farbenprächtiges und verspieltes Mittelalter zu erschaffen. Er greift stattdessen auf die Erkenntnisse zurück, die Archäologen und Historiker über das fünfte und sechste Jahrhundert nach Christus gewonnen haben.

 

Nach dem Rückzug der Römer ist Britannien ebenso wie der Rest des Kontinents im Chaos versunken. Nur noch wenige Menschen in den größeren Städten versuchen römische Lebensweise aufrecht zu erhalten und ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Doch das wird durch die vom Kontinent hinüberdringenden Angeln und Sachsen sowie die miteinander rivalisierenden Kleinkönige nicht einfacher gemacht.

Auch Artus ist einer der Männer, die mit ihren Heereshaufen herumziehen und sich einen Machtbereich aufzubauen versuchen. Anders als die anderen Anwärter auf einen Thron hat er aber einen Mann an seiner Seite, der klug voraus denkt, mit Tricks arbeitet und den Ruf eines Zauberers hat – Myrddhin.

Eines Tages nimmt sich dieser eines halberfrorenen Mädchens an, das er am Ufer eines Flusses findet. Auch wenn sie eindeutig zu den Gegnern zu gehören scheint, nimmt er sich ihrer an, denn etwas sagt ihm, dass sie seinen Zwecken nützlich werden kann, da sie schwimmen kann wie ein Fisch.

Auch später, als Artus bereit König eines eigenen kleinen Landes und Herr über einige Vasallen ist, schlüpft sie in verschiedene Rollen. Lange Jahre lebt sie als Junge im Heerhaufen. Später wird sie Spionin am Hofe der neuen Königin Ginevra, die aus einer der alten römischen Familien stammt und durchaus ihren eigenen Kopf hat. Und schließlich muss sie sich entscheiden, wem sie am meisten Loyalität schuldet, dem Mann, der ihr das Leben gerettet, sie aber auch lange Jahre als sein Werkzeug eingesetzt hat, oder der Frau, die mitschuldig am Tod eines ihrer ältesten Freunde ist.

Und nicht zuletzt kommt auch der junge Peredur ins Spiel, der ähnlich sie sie lange Jahre verleugnen musste, wer und was er eigentlich wirklich ist.

 

Philip Reeve erhebt nicht den Anspruch, die Artus-Sage genau nachzuerzählen oder das Bild eines möglicherweise historischen Herrschers zu vertiefen. Er nutzt die Legenden vielmehr als Hintergrund für eine spannende Geschichte um eine so wandlungsfähige wie selbstbewusste Heldin, die durch eine Welt reitet, die im Wandel ist und neue Wege sucht. Wie ihr Lehrmeister Merlin blickt sie hinter die Kulissen von Aberglauben und Hoffnung und lernt, wie leicht zu manipulieren die Menschen sind.

Auf der anderen Seite erkennt sie aber auch was im Leben wirklich wichtig ist – Liebe und Freundschaft ist Quellen, die einem Kraft geben, um weiter zu machen und auch in dunklen Zeiten nicht zu verzweifeln. Deshalb ist ihre Entscheidung um so klarer, als sie treffen muss. Und an diesen Scheidepunkt bewirkt sie auch einen erstaunlichen Wandel in einem Menschen.

Das alles wird sehr lebendig und packend erzählt. Die Beschreibungen bleiben ausgesprochen nüchtern und verfallen niemals in unglaubwürdige Klischees und Kitsch, so dass man fast schon bedauert, dass die Geschichte so schnell ihr Ende findet.

Mit eingebunden sind Beschreibung des Lebens in der Völkerwanderungszeit, die vor allem die Atmosphäre noch mehr vertiefen.

 

Heraus kommt ein rundum zufriedenstellendes Buch, dass zwar auf eine altbekannte und schon tausend mal erzählte Geschichte zurückgreifen mag, den Abenteuer aber auch noch neue Seiten abzugewinnen mag und sich sehr schnell zu einem sehr eigenständigen Werk entwickelt.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329043516d0fb3b3b
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Gwyna - Im Dienste des Zauberers

Autor: Philip Reeve

gebunden - 318 Seiten

cbj, erschienen August 2008

Übersetzung aus dem Englischen von Alexandra Ernst

Titelbild von Comin Andersch

ISBN-10: 3570134202

ISBN-13: 978-3570134207

Erhältlich bei: Amazon


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Erstellt: 22.09.2008, zuletzt aktualisiert: 02.01.2024 18:47, 7381