Druckversion: Ha ha, said the Clown

Ha ha, said the Clown

von Karin Reddemann

 

… has the king lost his crown … – Warum jetzt dieses frech gemeinte und recht beschwingte 1968er-Lied von Mighty Garvey anstimmen, mag der weltoffene Leser sinnieren? Weil es tatsächlich so gar nichts mit dem geplanten Programm, – Wir wollen über Horror sprechen. Prinzipiell Punkt. – , zu schaffen hat, mir aber unbeeindruckt vom eigentlichen Bestreben nicht mehr aus dem Kopf gehen will.

 

Ich stelle mir King’s Schauerclown vor, sehe sein verschlagenes Grinsen, die bösen Augen, die spitzen Zähne … und summe es. So etwas kommt vor, das irritiert wohl auch nur am Rande. Mich gleichsam. Trotzdem.

 

Ha! Ha! said the clown

Is it bringing you down,

That you've lost your chance …

 

Ich stelle mir den anderen vor, nicht Pennywise, sondern den, der die Haut nicht mehr abbekommt. Da hört der Gesang abrupt auf, weil die Stimme einfriert. (Eli Roth's) Clown von John Watts aus dem Jahr 2014 stampft jegliche Art von Humor, die einem trotz ernster Sachlage, – die liegt hier vor! – , in den Sinn kommen könnte, in Grund und Boden. Der »Normalo« Kent McCoy (Andy Powers) mutiert vom fleißigen, liebenden Familienvater in ein abartiges Wesen, das Kinder frisst.

Die grandios-schauerliche Verwandlung vom Menschen über den Clown zum absoluten Alptraum erinnert ein gutes Stück an Die Fliege, der große Rest ist eigene Geschichte: Um seinem Sohn auf dessen Geburtstagsparty eine Freude zu bereiten, schlüpft Immobilienmakler McCoy, der in einem leerstehenden Haus zufällig ein altes Clownskostüm gefunden hat, in eben dieses, tritt als der gute Dumbo auf … und kann sich am Abend weder ausziehen noch gescheit abschminken noch Perücke und Nase absetzen. Alles ist mit ihm verwachsen. McCoy ist verzweifelt. Panisch. Sucht Hilfe. Und verändert sich nach und nach. Tatsächlich ist das Kostüm Dämonenhaut. Es wird schrecklich. Ich finde das gruselig schlimm. Und die Idee phänomenal.

 

Ha! Ha! Said the clown

… hear the jokes, have a smoke, and a laugh at the clown …

 

Von wegen. Darüber lachen! Das Lied gehört jetzt in die Schublade, passt nicht, auch wenn’s weiterhin hier herum spuken und verwirren will. Vorerst festzuhalten bleibt: So wirklich geeignet furchtbare Lieder über furchteinflößende Clowns im Herkömmlichen gibt es natürlich auch gar nicht. Es gibt das grammatikalisch liebevoll verformte »Oh mein Papa sein eine wunderbare Clown …« und den wehmütigen Blick »Where are the clowns? Send in the clowns …«, das sind Hymnen für Gutmenschen und Glückselig-Macher ohne finstere Hintergedanken.

 

Finstere Hintergedanken

Für den Clown in der Arena, der gar keiner ist, hat Ennio Morricone komponiert. Aber Il Mercenario ist nichts zum Gruseln. Die deliziöse Pasta wurde mit Blei, selbstredend auch mit Blut, aber nicht mit abgeschälter Gänsehaut gekocht. Horror findet nicht in der Arena statt. Und ist grundsätzlich nicht das Ur-Zuhause eines bunt bemalten und gewandeten Spaßtreibers.

Meine Großmutter lächelte stellvertretend für Charlie Rivel beifallheischend in die Runde, wenn er über den Bildschirm stolperte und »Akrobat schööön!« sagte. Da war der berühmte spanische Clown mit der poppigen Vierkantnase und dem roten Haarkranz um die Glatze schon hochbetagt und hatte so warmherzige Weisheiten erkannt wie:

 

Glück ist, wenn man die Persönlichkeit hat, ein Clown zu sein.

 

Keine Spur von Skepsis, keine graue Wolke am Himmel … der Clown war lieb. Lustig. Lebensfroh. Manchmal bekümmert, wenn seine Seifenblasen platzten. Das großes Kind mit den riesigen Schuhen und den ganz kleinen Sorgen, das staunt und »Nit möööglich!« ruft, wenn seine Geige singt. Sein Name war Grock. Fratellino. Popov. Nicht Pennywise, der etwas anderes möglich machte: Vor ihm so richtig Panik zu kriegen. Vor dem Clown.

Nun ist der als Angstmacher, – Coulrophobie (Furcht vor Clowns) kennen erstaunlich viele umsichtig fröstelnde Zeitgenossen – , nicht King’s Erfindung. Aber dieses entsetzliche Grauen, das tatsächlich greifen und zubeißen kann, wenn das Vertrauen eines Kindes oder eines naiven Erwachsenen in ein vermeintlich gutes, freundliches Gesicht ausgenutzt wird, um Böses in die Tat umzusetzen, ist allein sein genialer Schachzug. Der Clown als Nur-fast-Mensch mit puppenhafter Lächel-Maske bleibt, sei er noch so kumpelhaft, ein Unbekannter mit dichter, künstlicher Fassade.

 

Wer oder was sich hinter der gezielt fröhlichen Kostümierung verbirgt, bietet viel Raum für Ahnungen. Misstrauen. Und selbstredend Phantasie. Die vermag es, dass hübsche rosa Wattewolken fette hässliche blutige Tropfen regnen lassen. Dann wird’s kalt und böse. Darauf sind wir vorbereitet.

Wir kennen den Joker, Gegenspieler vom großen Batman. Permanent grotesk belustigt. Ein ewig grinsender Oberschurke, genial, verrückt und de facto ein übler Kerl, faszinierend durchaus und grad deswegen so herrlich böse abgefahren.

Wir haben über den Serienkiller John Wayne Gacy gelesen, der als Clown Pogo in seiner Heimatstadt den allseits beliebten Entertainer gab und Jungs für seine Lust ermordete, wenn die Maske fiel.

Urväter: Hofnarren

Wir haben auch, irgendwann, irgendwo mal, von den Hofnarren aus längst vergangener Zeit erfahren, die hier als Urväter des modernen Clowns gelten dürften: Die waren prinzipiell von Natur aus mit physischen und psychischen Defiziten belastet, Randfiguren der Gesellschaft, Prügelknaben und Entertainer der Herrschaften, Zielscheiben oft kleingeistiger Spötter, zugleich selbst Verspottende, da sie sich in Wort, Sinn und Tat so einiges an Frechheiten und Dreistigkeiten herausnehmen durften. Sie waren die offiziellen Narren, auffällig gekleidet und geschminkt, spezifisch anders mit dieser gewissen Freiheit versehen. Aber eben einer Freiheit, die auch und manchmal extrem von den Launen des Publikums abhing. War dem das alles zu viel der Verulkung, ging der Daumen hinunter. Das Leben der Hofnarren stand stets auf der Kippe. Und außerhalb ihrer Bühne mussten sie damit klar kommen, die ewigen Außenseiter zu sein, skurrile Subjekte, mit denen etwas nicht stimmte. Die weder vertrauenswürdig noch irgendwie sympathisch wirkten. Die Scheu verursachten. Unwohlsein. Und eben auch Angst.

Das hat sich nicht geändert. Sind es auch wirklich anständige Leute mit großen Namen, die den typischen Zirkusclown geprägt haben, – da war der Pantomime Jean-Gaspard Deburau, der 1816 mit schwarzer Kappe, weißem Kittel mit schwarzen Bommeln und schneeweißem Gesicht den französischen Pierrot schuf, Joseph Grimaldi (1799 – 1837), der erste zeitlos moderne Clown, Tom Belling (1843 – 1900), der als »Dummer August« Vorbildcharakter für drollige Tollpatschigkeit hatte – , so bleibt immer eine Scheu, dieser Argwohn vor ihnen bestehen, sobald sie sicheres Terrain verlassen.

Ein klar zu definierender Clown im Zirkuszelt ist die eine Sache, ein weniger durchschaubarer Vertreter seines Genres nachts auf menschenleerer Straße eine gänzlich andere.

Laut Sheffield-Studie von 2008 empfinden viele Kinder Clowns nicht als lieb und lustig, sondern einschüchternd und bedrohlich, was jedem Elternteil, das bis dahin zum Kindergeburtstag als Überraschungsbonbon einen kunterbunten Spaßmacher besorgte, noch nachträglich schwer zu schaffen machen dürfte. Freilich muss angemerkt werden, dass den Kindern für diese Studie teils auch wahrlich groteske Fotos vorgelegt wurden, prinzipiell ungeeignet, um spontane Sympathie und Freude erwecken zu können.

Aber für die berechtigt Vorsichtigen bleibt es eh ein klarer Fall: Der Clown schürt die Ur-Angst vor der Maske, die irgendwas verbirgt. Im Film Zombieland (2009) ist es ein hungriger Untoter, der im verseuchten Vergnügungspark im Kostüm steckt. In (Eli Roth's) Clown ist es der nette Nachbar. In King’s Es ist es Es. Bei den Simpsons das oberfrech personifizierte Laster. Die nackte, nimmersatte Unmoral. Präsentiert von Krusty, dem Clown. Und im Alltag waren es vor einigen Jahren die als Horror-Clowns verkleideten Mitläufer auf populärer Schiene, die weltweit Aufmerksamkeit suchten, indem sie wüst harmlose Leute erschreckten. Originell ist anders.

Kleiner Szenenwechsel: An unserer alten Kirche radeln zwei kleine Jungs vorbei, ich schnuppere dort grad mit den Hunden an durstigen Kastanien, und wir hören, wie der eine zum anderen sagt:

 

»Wenn Menschen richtig lachen, finde ich das schön.«

 

Mehr war nicht drin, da waren sie schon wieder weg. Aber diesen einen Satz hab’ ich mir notiert. Er ist richtig. Und wenn ein Clown Menschen aus vollem Herzen lachen lassen kann, dann sehe ich da nichts Falsches. Mich bringt er wohl nie dazu. Mag sein, dass ich dafür einfach zuviel weiß. Oder zu wenig.

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, zuletzt aktualisiert: 09.04.2024 19:17