Reihe: Andrea Cort Bd. 1
Rezension von Carina Schöning
Rezension:
„Halbgeist“ ist der erste ins Deutsche übersetzte Roman des amerikanischen Science Fiction Autors Adam-Troy Castro und zugleich auch der erste Fall der introvertierten Ermittlerin Andrea Cort. Im Original wurde „Emissaries from the Dead“ 2008 mit dem Philip K. Dick Award als bester Roman des Jahres ausgezeichnet. Bei uns erscheint der Roman als hübsch gestaltete Klappenbroschur im Großformat mit zusätzlich sechs stimmigen Farb-Grafiken des Künstlers Arndt Drechsler.
Die selbstbewusste, aber auch menschenscheue Andrea Cort ist durch einen Vorfall in ihrer Kindheit auf Lebenszeit dem Diplomatischen Corps verpflichtet. In deren Auftrag reist sie auf die verschiedensten Welten und fungiert als Counselor mal als diplomatischer Vermittler zwischen verfeindeten Parteien oder auch als Ermittler in Sachen Mord. Wie auch hier in der künstlich geschaffenen Zylinderwelt One One One. Erdacht und erbaut von den zwielichtigen KIquellen, deren Ziele und Motivation niemand wirklich durchschaut, ist die riesige Dschungelwelt nicht gerade geeignet für Menschen. Während die Bodenregion mit giftigen Gasen bedeckt ist, leben in den Höhen von den KIquellen geschaffene Wesen, die so genannten Brachiatoren. Normalerweise ist es vertraglich für alle Alienrassen verboten empfindungsfähige, intelligente Wesen als „Sklaven“ zu halten, daher hat die menschliche Regierung eine kleine Gruppe von Diplomaten und Forscher auf die seltsame Zylinderwelt geschickt, um die Wesen und deren Abhängigkeit von ihren Erschaffern genauer zu untersuchen. Dabei kommt es natürlich zu Problemen. Ausgerechnet zwei Forscherinnen, die sich aufgrund ihrer gegensätzlichen Persönlichkeit nicht leiden können, sterben auf grauenerregender Weise. Die Eine wird während eines Einsatzes mit den Krallen der Brachiatoren förmlich gekreuzigt und verblutet erbärmlich und der Anderen wird einfach das Befestigungsseil ihrer Hängematte durchtrennt und sie fällt in die unheimliche Tiefe. Die nicht ganz schwindelfreie Andrea Cort reist nun nach One One One, um die Vorkommnisse genauer zu untersuchen. Jedoch haben ihre Vorgesetzten schon im Vorfeld unmissverständlich klar gemacht, dass in dieser verzwickten Situation ein Sündenbock her muss. Die KIquellen dürfen auf keinen Fall beschuldigt oder angeklagt werden, da sie ein wichtiger Handelspartner des Diplomatischen Corps sind. Zudem muss sich Andrea nicht nur mit der laschen Führung der Forschungsgruppe und einigen speziellen Individuen herumschlagen, sondern erhält auch während ihrer Untersuchungen immer wieder anonyme Drohungen, die nichts Gutes versprechen.
Hoch über den Wolken, in einer aus Tauen verbundenen Hängemattenstadt und unter einem schweben blaue Fantasy-Drachen herum. Allein das Setting von „Halbgeist“ ist außergewöhnlich und überrascht positiv, da der schwache Klappentext wieder einmal etwas irreführend daher kommt. Obwohl der Science Fiction Roman fast ausschließlich in der weitläufigen Raumstation spielt, steigt die Spannung kontinuierlich. Nicht nur die KIquellen haben Geheimnisse, sondern auch die einzelnen Crewmitglieder der Forschungsstation verfolgen eigene Pläne. Die Mischung aus Action, Dramatik und Dialogen ist dabei gut gewählt und auch die Darstellung der Figuren kann überzeugen. Allen voran Andrea, die anfangs eher spröde, fast schon antisozial auf den Leser wirkt. Aufgrund ihrer Vergangenheit und ihre nicht ganz so passive Rolle bei einem Massaker zwischen Menschen und Bocai wird sie von verschiedenen Alienrassen und Institutionen verachtet und gehasst. Seitdem geht sie anderen Menschen lieber aus dem Weg oder begegnet ihnen mit Arroganz und bitterbösen Sarkasmus. Erst im Laufe der Handlung wird die hübsche und intelligente Einzelkämpferin etwas weicher und menschlicher. Erzählt wird das Ganze einfach und flüssig lesbar, obwohl einige Passagen sprachlich dann doch eher sperrig und komplex ausfallen. Schön sind auch einige philosophische Betrachtungen und Ideen, die der amerikanische Autor geschickt in die Handlung hineingebaut hat und die der abwechslungsreichen Geschichte insgesamt mehr Tiefgang geben. Die Auflösung kommt zwar etwas abrupt, ist aber ins sich schlüssig und logisch. Das nächste Abenteuer von Andrea Cort, die Fortsetzung „Die dritte Klaue Gottes“ erscheint dabei leider erst im Frühjahr 2010.
Insgesamt ist „Halbgeist“ ein spannender und abwechslungsreicher Science Fiction Roman, der zurecht ausgezeichnet worden ist. Das Setting und die nicht immer sympathische Antiheldin Andrea Cort können dabei voll überzeugen und durch die größtenteils einfache Sprache eignet sich der Roman auch für Einsteiger und Genre-Neulinge.
