Halo and Sprocket
 
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Halo and Sprocket

Rezension von Christian Endres

 

Man nehme einen supermächtigen Engel, einen gnadenlos auf Logik bedachten Roboter sowie eine allein stehende junge Frau und stecke diese ferner in eine der unkonventionellsten (Comic-)Wohngemeinschaften aller Zeiten – dabei heraus kommt nicht etwa eine billige Sticom in gedruckter Form, sondern ein vor fabelhaften Ideen nur so sprühender Comic mit haarsträubend komischen und gleichzeitig intelligenten Kurzgeschichten, der für mich eigentlich die Überraschung des Sommers, ja vielleicht sogar des gesamten Jahres darstellt und neben seinem ganz eigenen Charme auch echtes Hit-Potential besitzt.

 

Wie Halo, Sprocket und Katie zusammen gekommen sind und weshalb sie sich eine Wohnung teilen? Keine Ahnung ... das wissen die drei, wie sie gleich zu Beginn auf der zweiten Umschlags- und der ersten Buchseite freimütig zugeben, nicht einmal selbst. Die Klärung dieser Frage rückt jedoch deutlich in den Hintergrund, da der geneigte Leser eine dermaßen hochkarätige Mischung aus slapstickartigem Humor auf der einen und höchst philosophischen Anwandlungen auf der anderen Seite geboten bekommt, dass ihn der Grund für diese außergewöhnliche Konstellation eigentlich auch gar nicht weiter interessiert, solange er nur immer weiter Seite für Seite die Abenteuer dieses außergewöhnlichen Trios lesen kann.

 

Schon die erste Geschichte (die gleichzeitig auch als Preview auf der Verlags-Homepage einzusehen ist und mich erst – glücklicherweise! – auf den vorliegenden Band aufmerksam gemacht hat) zeigt, worauf man sich als Leser denn überhaupt freuen darf. Die Sache mit dem halb vollen (oder war es doch halb leer?) Wasserglas und Sprockets bis ins letzte Detail brutal analytischer Betrachtung dieses typisch menschlichen Unterscheidens zwischen Pessimist und Optimist ist der perfekte Einstieg in die Abenteuer des ungleichen Trios und ein Musterbeispiel für die Diskussionen, Erlebnisse und Nöte, die eben unausweichlich sind, wenn ein Roboter, ein Engel und eine junge Frau zusammen unter einem Dach leben, den Alltag mit all seinen Schikanen und Hürden meistern müssen und sich oder den Wertevorstellung und Denkmustern der anderen dabei gerne einmal auf den Zahn fühlen und auf die Füße treten.

 

Schnell findet man sich in der ungewöhnlichen Wohngemeinschaft ein, so dass man eigentlich von der ersten Seite an die witzigen, zugleich aber auch intelligent geschriebenen Geschichten genießen kann, und so folgen wir den beiden ebenso ungleichen wie unerschrockenen Freunden Halo und Sprocket unter anderem bei einem nächtlichen Ausflug ins Museum, lernen Katies 'netten' Nachbarn Frank kennen, begleiten das Trio auf eine Kunstausstellung und erfahren zudem, wie ein Engel und ein Roboter einen kleinen Jungen zu Bett bringen und ihm eine gute Nacht wünschen – bis wir schließlich einen Telefonverkäufer in den Wahnsinn treiben und sogar eine kleine Zeitreise machen. Zwischen diesen längeren Geschichten gibt es aber auch immer wieder kleine, einseitige Strips, die nicht minder ansprechend sind als ihre längeren Verwandten und trotz, vielleicht aber auch gerade wegen ihrer Kürze das bereits nach einer Hand voll Seiten typische Halo and Sprocket-Feeling vermitteln können.

 

Inhaltlich sind die Stories jedenfalls ganz große Unterhaltungskunst, die optisch zwar einfach, aber ansprechend klar und vor allem erfrischend witzig und frech umgesetzt werden, und über die man auch nach beendeter Lektüre noch das ein oder andere Mal nachdenkt – und was kann ein Comic schon mehr erreichen, als dass man sich auch nach dem Lesen noch gedanklich mit seinem Inhalt und den darin aufgeworfenen Fragen und Denkanstößen beschäftigt?

 

Die Verarbeitung des Bandes ist für ein Kleinverlag-Produkt äußerst gelungen, kommt in ansprechender Qualität und Aufmachung daher und lässt so manches Erzeugnis aus größerem Hause vor Neid erblassen. Das Paperback-Format eignet sich in diesem Fall perfekt für Geschichten, denen der Mangel an Farbe überhaupt keinen Abbruch tut – im Gegenteil, ich mag die edlen Grautöne und möchte mir Halo and Sprocket gar nicht anders vorstellen. Das Druckbild auf einem angenehmen und recht hochwertigen Papier ist gestochen scharf und sauber, und die Schrift trotz des Taschenbuchformats von der Größe her durchgängig angenehm zu lesen. Das kleinere, taschenbuchähnliche Format passt zudem wie die Faust aufs Auge, und die Seitenaufteilung und dynamischen Bilder bergen auf manch einer Seite die ein oder andere Überraschung oder Finesse, während die kleine Sketch-Gallery anderer (vorwiegend ebenfalls Independend-)Künstler, weitere Kurzgeschichten und natürlich ein paar Infos zur Serie das Debüt von Kerry Callens witziger Serie auf dem deutschen Comicmarkt schön abrunden.

 

Fazit: Willkommen in der Menschlichkeit! Der erste und bisher einzige Band der Abenteuer um das ungleiche Engel-Roboter-Mensch-Trio überzeugt auf ganzer Linie und rechtfertigt die positiven, ja fast schon überschwänglichen Kritiken der amerikanischen Kollegen durchaus. Auch ich gebe ohne Scham zu, zwar erst spät auf diese Serie aufmerksam, mittlerweile aber regelrecht süchtig nach Callens hintergründigen und scharfsinnigen Geschichten geworden zu sein, und dass ich sie auch nach dem ersten Lesen noch ein paar Mal aus dem Regal genommen und durchgeblättert habe – und zwangsläufig hie und da hängen geblieben bin und zum wiederholten Male darin gelesen habe, ohne dass die einzelnen Geschichten dabei etwas von ihrem Witz oder Charme verloren hätten.

 

Wer also gerne intelligente Comics mit einem guten, pointierten Humor mag und sich für schrullige Charaktere begeistern kann, der ist bei Halo and Sprocket bestens bedient und sollte nicht zögern, sich den Band zuzulegen. Ich für meinen Teil habe die Lektüre des Bandes jedenfalls genossen, und neben Wanted aus dem Hause Infinity und der gelungenen Neuauflage von Frank Millers Meisterwerk Sin City aus dem Hause Cross Cult ist Halo and Sprocket für mich das Highlight des Jahres auf dem deutschen Comicmarkt, von dem ich mir wünsche, dass es die Anerkennung und Fangemeinde finden wird, die Kerry Callens kleines Meisterwerk in dieser Aufmachung zweifelsohne verdient hat.

 

Und wer nicht genug von Halo and Sprocket bekommen kann und nach diesen 128 Seiten gerne mehr von Kerry Callen lesen möchte, dem sei das deutschsprachige Comic-Magazin Comixene empfohlen, in dem die restlichen, unveröffentlichten Strips exklusiv erscheinen.

 

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240424091630b5d20409
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Comic:

Halo & Sprocket

Autor: Kerry Callen

Verlag: Eidalon

Format: Softcover

Sprache: Deutsch

ISBN-Code: 3936686866

Anzahl Seiten: 128


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Erstellt: 03.10.2005, zuletzt aktualisiert: 31.12.2023 11:30, 1298