Hannibal Rising (Autor: Thomas Harris)
 
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Hannibal Rising von Thomas Harris

Rezension von Carina Schöning

 

Hannibal the cannibal is back - Ganze sieben Jahre brauchte Thomas Harris für die lang erwartete Fortsetzung der „Hannibal Lecter“ – Reihe. In dem Prequel zu „Roter Drache“, „Das Schweigen der Lämmer“ und „Hannibal“ beschreibt er die Kindheit und Adoleszenz des fiktiven Serienmörders Hannibal Lecter.

 

Mitten im Zweiten Weltkrieg fallen die Deutschen in Litauen ein. Hannibal und seine jüngere Schwester Mischa, Nachfahren von Hannibal dem Schrecklichen, müssen zusammen mit ihren Eltern und dem jüdischen Hauslehrer Jakov die Burg Lecter verlassen. Sie fliehen ins versteckte Jagdhaus mitten im Wald und versuchen bestmöglich zu überleben. Hannibal ist zu diesem Zeitpunkt zwar erst acht Jahre alt aber schon sehr weit fortgeschritten und begabt. Trotz der Verzweiflung und der ständigen Angst befasst er sich mit Mathematik und lernt Fremdsprachen. Jakov freut sich über die Ablenkung und ist sehr stolz über seinen wissbegierigen Schüler.

 

Zufällig findet die Besatzung eines sowjetischen Panzer das Jagdhaus und bittet Hannibals Eltern friedlich um frisches Wasser. In diesem Moment stürzt ein deutsches Flugzeug ab und tötet die Besatzung sowie seine Eltern. Hannibal muss mit ansehen wie sie qualvoll verbrennen und sterben. Er verbarrikadiert sich mit Mischa im Haus, aber das Feuer zieht Plünderer an. Die Litauer Vladis Grutas und seine Komplizen wechseln je nach Siegeschancen die Seiten und geben sich nun als Rot-Kreuz Helfer aus, um die verkohlten Leichen zu fleddern. Sie bleiben komischerweise im Haus und nehmen Hannibal und Mischa gefangen. Als sie vor Hunger und Durst immer verzweifelter werden wollen sie eins der Kinder essen.

 

Hannibals Gedächtnis blendet ab diesem Punkt die Geschehnisse aus. Er kann sich nicht mehr daran erinnern und „verlernt“ aufgrund des Traumas seine Sprache. Sowjetische Soldaten finden den verstörten Jungen im Wald und bringen ihn in ein Waisenhaus. Sein Onkel Robert Lecter, ein bekannter slawischer Maler wird benachrichtigt und nimmt den Jungen bei sich auf.

 

Auf seinem Chateau in Frankreich lebt Robert Lecter mit der schönen japanischen Diplomatentochter Lady Murasaki Shikibu zusammen. Sie ist es auch, die durch ihre reservierte aber doch liebevolle Art Hannibal mit dreizehn Jahren wieder zum Sprechen bringt. Zwischen ihnen entsteht eine vorsichtige zarte Liebe. Sie ist aber auch der Grund weshalb er zum ersten Mal jemanden tötet.

 

Gemeinsam mit ihr macht Hannibal sich auf nach Paris, um mehr über sein Gedächtnis und die Lücken heraus zu finden. Er kann sich an die Geschehnisse im Jagdhaus nicht mehr ganz erinnern und wird jede Nacht von Alpträumen gequält. Mit achtzehn Jahren reist er zum erstmal wieder nach Litauen und besichtigt das Jagdhaus und die Überreste seiner Familie. Zufällig trifft er auf einen der früheren Plünderer und beschließt an allen Rache zu nehmen.

 

Das Problem mit Roman-Reihen ist, dass sie immer wieder mit den Vorgängern verglichen werden – besonders bei bekannten. Leider kommt Hannibal Rising in keiner Weise an Roter Drache, Das Schweigen der Lämmer und selbst den etwas schwächeren Hannibal“ heran. Die Handlung ist nicht ganz durchdacht und weist leider viele logische Fehler auf. Die Figuren sind zudem nicht sehr glaubwürdig gehalten. Hannibal ist in den früheren Romanen eine Figur, die auf den Leser sowohl abstoßend als auch faszinierend wirkt. Er ist sehr kultiviert und intelligent, aber auch leidenschaftlich und böse. Besonders das spannende Katz und Maus Spiel mit Clarice Starling zeigt seine intelligente und diabolische Art – aber auch seinen versteckten ironischen Humor. In „Hannibal Rising“ hat er leider gar nichts davon. Leidenschaftslos und scheinbar unbeteiligt tötet er seine Gegner. Von der späteren Raffinesse ist nichts zu merken. Er empfindet dabei weder eine Art von Spaß noch Bedauern und das ist für einen Dreizehnjährigen, selbst wenn man den Hintergrund bedenkt, absolut merkwürdig und unrealistisch. Lady Murasaki hält sich dabei ganz zurück und sagt nichts gegen das Töten. Im Gegenteil sie hilft ihrem kleinen Mörder auch noch. Welche (Zieh-) Mutter würde sich so verhalten?

Die Ermittlungen der Polizei wirken ebenfalls unrealistisch. Sie basieren dabei hauptsächlich auf Spekulationen und Verdächtigungen statt Indizien. So etwa riecht eines der Opfer leicht nach Nelkenöl und sofort fällt der Verdacht auf Lady Murasaki, da sie natürlich die einzige in ganz Frankreich ist, die Nelkenöl besitzt?

Diese logischen Fehler und Ungereimtheiten ziehen sich leider komplett durch die Handlung: Hannibal übt Rache, weil Vladis Grutas seine Schwester gegessen hat, seltsamerweise wird er dadurch zum Kannibalen? Er bekommt zum Schluss einen Schuss in den Rücken und kann sich schlecht bewegen, aber trotzdem kann er meilenweit fliehen?

Die Sprache von Thomas Harris ist sehr anspruchsvoll. Viele Begriffe aus der französischen oder japanischen Küche, der menschlichen Anatomie, Kunst und Sprichwörter werden verwendet und sorgen für Verwirrung. Teilweise sprechen Hannibal und Lady Murasaki in Haikus, japanische Gedichte, miteinander.

Auch sollte man als Leser die wichtigsten Geschehnisse und Personen des Zweiten Weltkriegs kennen, um die Zusammenhänge zu erkennen.

 

Insgesamt ist „Hannibal Rising“ für Fans leider eine herbe Enttäuschung. Wenn man ihn einzeln außerhalb der Reihe betrachtet, ist er nur ein durchschnittlicher Thriller mit unsympathischen und unrealistischen Figuren. Neueinsteiger sollten daher lieber „Roter Drache“ oder „Das Schweigen der Lämmer“ lesen.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20240329001417754490e6
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Buch:

Hannibal Rising

Autor: Thomas Harris

Original: Hannibal Rising, 2006

Übersetzer: Sepp Leeb

Hoffmann & Campe, 2006

Gebundene Ausgabe, 345 Seiten

ISBN: 3455400507

Erhältlich bei Amazon


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Erstellt: 04.01.2007, zuletzt aktualisiert: 29.01.2023 10:49, 3296