Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln herausgegeben von Christian Handel
Anthologie
Rezension von Christel Scheja
Der Drachenmond-Verlag legt bei seinen Publikationen großen Wert auf die Präsentation, so ist ein Buch nicht nur einfach zum Lesen, sondern auch zum Bewundern da, und gerade die Gestaltung von Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln, einer Anthologie mit achtzehn Geschichten von Autoren aus Deutschland und der Welt, ist mehr als gelungen.
Hier dreht sich alles um die Neuinterpretation von Märchen oder klassischen Motiven aus diesen Mythen, die Zusammenstellung geschah durch den erfahrenen Christian Handel, den viele im Fandom sicherlich als Darkstar und durch seinen Blog kennen.
Die Autoren, zu denen bekannte Namen wie Nina Blazon, Juliet Marillier und Christoph Marzi gehören, aber auch bisher eher unbekannte Newcomer präsentieren sehr unterschiedliche Geschichte aus allen Kulturkreise der Welt.
Die Kinderfresserin ist eine der berühmten 13 Feen und zeigt sich diesmal von einer ganz ungewohnten Seite, denn sie kann auch ganz anders sein, als sie dargestellt wurde.
Iftah Ya Simsim ist nicht nur ein ungewöhnlicher Flaschengeist er hat auch eine Herrin, die so gar nicht in das Klischee morgenländischer Frauen passt, denn das unerschrockene und kluge Räubermädchen, dass mit ihm zusammenarbeitet hat einen ganz eigenen Kopf … und ein Faible für einen Händlerjungen.
Schwanengesang folgt dem Weg einer abgehalfterten Bardin, die eigentlich ein neues Instrument bräuchte. Doch die sind für sie unbezahlbar. Da bietet ihr jemand einen unschlagbaren Handel, um, wenn sie bereit dazu ist, seine Rache auszuführen.
Das Gewissen der Welt führt zwei Schwester auf die Spur eines verfluchten Mannes, so dass schließlich nur ein Opfer der Liebe zum Recht verhelfen kann und zu einem bittersüßen Happy End.
Augenzwinkernd geht es in Der Schuh der Dryade zu, denn das dortige Aschenputtel hat ganz andere Träume als man vermuten würde. Sie liebt schon gar kleinen Prinzen, aber etwas anderes ist in seinem Schloss um so spannender. Doch muss man gelegentlich schon einmal zu ungewohnten Mitteln greifen, um sein Ziel zu erreichen.
Auch machen sich andere Autoren Gedanken über die Macht der Geschichten, die Geheimnisse eines alten Wappens, und wie es überhaupt dazu kam, dass ein Prinz die Gestalt eines Biestes bekam.
Schönheit und Verblendung, alte Flüche, Geister und Schatten der Vergangenheit, die Geschichten, spielen mal mehr, mal weniger mit den Versatzstücken, die viele Leser seit ihrer Kindheit aus den ihnen erzählten Märchen kennen. Nur sind die Erzählungen hier dazu bereit, die alten Klischees auf den Kopf zu stellen, wie man sehr schon an den beiden Aschenputteln-Interpretationen merkt, oder den Stories, in denen vermeintliche Bösewichter im Mittelpunkt stehen.
Nicht immer sind die Hexen und dunklen Feen wirklich die fiesen und gemeinen Geschöpfe, als die sie gerne gesehen werden, oft genug zeigen sie auch, dass sie andere Seiten haben. Und wenn sie doch der Finsternis folgen, dann machen sie keine halben Sachen. Auch hier sind die Autoren manchmal erschreckend konsequent, was aber zu gefallen weiß.
Die Geschichten sind ausgezeichnet ausgewählt, decken sie doch die ganze Bandbreite des Themenfeldes ab. Da gibt es augenzwinkernde und humorvolle Geschichte, die kein Wässerchen trüben können, verträumte und poetische Stimmungsbilder, die manchmal eine positive, dann wieder eine bittersüße Stimmung ausstrahlen.
Den Hauptteil jedoch nehmen die Erzählungen ein, in denen auch makabere und gemeine Entwicklungen zu Tage treten. Nicht alle Geschichten gehen gut aus, einige haben es mit wirklich bösen Twists in sich und bleiben so ausgezeichnet im Gedächtnis.
Allen Storys gemeinsam ist allerdings, dass sie es schaffen, sich aus dem Wust ähnlich klingender Geschichten zu lösen, weil sie zumindest Teile ihrer Handlung, die Figuren, aber auch deren Motive abseits der üblichen Erwartungen zu gestalten und so den Leser zu überraschen.
Wer nämlich darauf wartet, dass überwiegend hübsche Prinzessinnen von tapferen Prinzen gerettet werden, der kann das lange tun. Heiraten sind kein großes Thema eher Begleiterscheinungen, im Mittelpunkt stehen schon eher die Momente, in denen sich Helden und Heldinnen emanzipieren, umihren eigenen Weg gehen.
Märchenhafte Fantasy mit Botschaft ist ebenso vertreten wie handfeste Urban-Fantasy – so dass auch hier Unterschiede vorhanden sind. Stilbrüche entstehen dabei auch im Buch nicht, da die Anordnung entsprechend ist.
Natürlich sollte man schon ein Faible für diese Art von Geschichten haben und nicht gerade auf Action und Schlachten stehen, sondern eher auf kleine aber feine Charaktermomente, aber die Sammlung bietet mit Sicherheit für jeden Leser ansprechende Geschichten oder gar Favoriten, die noch lange im Kopf nachwirken. Es ist für jeden etwas da, wenn man sich darauf einlassen kann, und mit der Gestaltung erhält man auch ein Schmuckstück für sein Bücherregal.
Fazit:
Verlag und Herausgeber haben ein gutes Händchen bei der Zusammenstellung und Gestaltung der Anthologie »Hinter Dornenhecken und Zauberspiegeln« bewiesen, denn die Anthologie wird dadurch zu einem Kleinod in der eigenen Sammlung, dass man immer wieder gerne in die Hand nimmt, um in den sehr unterschiedlichen und durchweg lebendigen Geschichten zu lesen, die gut und gerne fast alle mit den gängigen Märchenklischees brechen.
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