Rezension von Dorit Wiebke
Der fünfzehnjährige John Wayne Cleaver ist kein Junge, wie jeder andere. Aufgewachsen in der Leichenhalle eines familiären Beerdigungsunternehmens und gestraft mit einem Namen, den ein bekannter Serienkiller trug, erfasst ihn bereits im kindlichen Alter eine, zur Bessenheit neigende, besondere Faszination für den Tod und seine Begleitumstände. Nach einem Aufsatz in der Schule, in welchem John die Taten eines Serientäters thematisiert, schickt ihn seine Mutter zu dem Therapeuten Dr. Ben Neblin. Hier stellt sich heraus, dass John unter einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung leidet. Einer psychischen Störung, bei der der Patient nicht zu emotionalen Bindungen fähig ist. Während sich seine Mutter Vorwürfe macht, dass sie John bereits im Kindesalter mit in die Leichehalle genommen hat. Ein Ort, an dem er helfen durfte, Tote zu waschen und einzubalsamieren, steigert sich John immer mehr in die Vorstellung hinein, dass das Schicksal für ihn bestimmt hat, dass er ein Serienkiller wird. Um sich dieser, für ihn bereits feststehende Tatsache zu entziehen, vermeidet er jede Situation, die ihn dazu verleiten könnte, Böses zu tun. So ist er besonders nett zu Menschen, die er nicht mag oder umgeht es seine Schulfreundin Brooke zu besuchen, immer in der Angst lebend, dass er gerade ihr etwas antun könnte.
Zur gleichen Zeit, als Johns Mutter mit erschreckender Klarheit bewusst wird, dass ihr Sohn unter einem emotionalen Manko leidet, beginnt in Clayton County ein Dämon zu wüten. Sein erstes Opfer, der Automechaniker Jeb Jolley, wird völlig ausgeweidet, mit Abdrücken von Krallen auf dem Körper, tot aufgefunden. Bei der anschließenden Obduktion stellt der Pathologe fest, dass ihm eine Niere fehlt. Tage später wird die nächste Leiche gefunden. Diesmal fehlt der linke Arm. John, völlig fasziniert von den Geschehnissen in seiner Stadt, wartet gespannt, bis die Toten in die Leichenhalle seiner Mutter gebracht werden. Gefesselt von dem Anblick der stark zugerichteten Leichen beginnt er wie besessen, an den zerfetzten Körpern zu arbeiten und erlebt dabei eine Zufriedenheit, die er noch nie in sich gespürt hat. Seiner Mutter bleibt das sonderbare Benehmen ihres Sohnes nicht verborgen und ab sofort darf er nicht mehr in die Leichenhalle kommen. Von dieser Entscheidung enttäuscht und völlig und aus der Bahn geworfen, verbeißt sich John von nun an in das Ziel, den Dämon zu finden und unschädlich zu machen. Er ist sich sicher, dass nur jemand wie er weiß, wie der Mörder denkt. Tatsächlich gelingt es ihm, diesem näher zu kommen. Eine Tatsache, die, wie sich bald zeigen sollte, nicht nur für ihn, sondern auch für seine Familie lebensgefährlich ist.
Mit seinem Debüt „Ich bin kein Serienkiller“ hat der Autor Dan Wells einen äußerst düsteren und sehr spannenden Thriller geschrieben, in dem er die dunkle Seite des Lebens offenbart. Mit seinem Hauptprotagonisten John Wayne Cleaver hat er eine Figur geschaffen, die besessen von dem Gedanken das ein Serienkiller in ihm steckt, auf die Jagd nach einem Dämonen geht. Ob diese Vision allein von seinem Namen herrührt, den ein bekannter Serienkiller trug, der in Chicago 33 Menschen tötete oder wirklich in ihm steckt, wird der Leser spätestens dann feststellen können, wenn er das Buch gelesen hat. Doch zunächst muss er sich über einige Seiten grausamer und morbid anmutender Details hinweg lesen, die nicht unbedingt jedermanns Geschmack sind. Hier also die Warnung an diejenigen, die etwas zartbesaiteter sind. In Dan Wells Geschichte geht es richtig zur Sache. Mit viel Sorgfalt und sehr akribisch schildert er auch die unschönen Details aus dem Arbeitsleben eines Leichenbestatters und lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.
Neben den doch etwas hart an der Grenze liegenden Beschreibungen der Abläufe im Leichenschauhaus, erfährt der Leser aber auch viel Wissenswertes über die Psyche und der daraus folgenden Handlungen des Täters. Gut recherchiert und gespickt mit umfassenden Details aus der Gedankenwelt von John Wayne Cleaver, lässt er den Leser an seiner Jagd nach dem Mörder teilhaben. Obwohl dieser beizeiten weiß, wer sich hinter dem Clayton-Killer verbirgt, tut das der Geschichte keinen Abbruch. Im Gegenteil. Geschickt baut der Autor auf dieser Tatsache auf und arrangiert ein Versteckspiel, das sich äußerst spannend entwickelt und in einem regelrechten Fiasko sein Ende findet. Mit einem Schreibstil, der flüssig und gut lesbar ist und Charakteren, die lebensecht und vielschichtig gezeichnet sind, ist dieses Buch ein echtes Highlight.
„Ich bin kein Serienkiller“ ist ein hervorragend inszenierter Thriller, welcher insbesondere den Lesern empfohlen werden kann, die sich für die Thematik der Serienkiller und deren gedanklichen Zwiespältigkeiten interessieren. Aber auch die, die sich einfach nur einem spannenden Buch widmen möchten, dessen Autor sich geschickt einiger Elemente aus dem Phantasie- und Horrorgenre bedient, sind mit diesem Buch gut beraten.