Im Hause des Grauens (Autor: Wilfried A. Hary; Teufelsjäger Mark Tate 44)
 
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Racheengel von Wolfgang Hiller

Teufelsjäger Mark Tate Bd.44

Rezension von Jörg Pacher

 

Inhalt: Aus dem Hause Hary-Production erwartet uns ein weiterer Heftroman der Serie „Teufelsjäger Mark Tate“. Wer sich bereits auf die unvergleichliche haptische Erfahrung des schnell vergilbenden Papiers, wie wir es von unzähligen Horror- und Sciencefiction-Heftchen kennen, freut, wird jedoch ein wenig umdenken müssen. Wie seine weiteren Serien bringt Verleger W. A. Hary auch den Teufelsjäger über Print-On-Demand heraus. Ein logischer Schritt für das Urgestein der Heftroman-Szene, das sein Glück im Selbstverlag – als digitaler Vordenker – bereits im letzten Jahrhundert mit Disketten-Romanen versuchte. Das A5-Print-On-Demand-Heft überzeugt mit einem Farbcover (ein gerendeter Frauenkopf) und einer Papiersorte, wie sie uns wohl am häufigsten im heimischen Drucker begegnet.

Besonders die Bindung, die doch sehr an ein Schulheft erinnert, macht uns glauben, dass wir uns mit Mark Tate in ein Feld begeben, wo weniger handfeste finanzielle Interessen, als die Notwendigkeit und inneren Verpflichtung zu erzählen entscheidend sind. L’art pour l’art, quasi, obwohl dieser Eindruck eventuell täuscht und W. A. Hary vielleicht doch einen saftigen Gewinn mit seinen Produkten einfährt. Viel interessanter als solche Überlegungen ist freilich die Handlung des Romans…

Der Teufelsjäger Markt Tate kommt zwar persönlich gar nicht vor, aber zum Glück hat er Helfer, die an seiner statt ins „Hause des Grauens“ verschlagen werden. Dabei handelt es sich um Tab Furlong, „seines Zeichens Chefinspektor bei New Scotland Yard“. Auch der hat „seine Erfahrung mit magischen Dingen“ und obendrein eine Pentagramm-Tätowierung auf der Brust. Furlong kommt mit seiner Frau Kathryn, ehemalige Weltklasse-Ballerina und nebenbei Ex eines gefährlichen Dämonenbeschwörers in finstrer Nacht von der Straße ab. Da sind natürlich dunkle Mächte im Spiel und so landen die beiden in einem Wirtshaus, das – wer hätte es gedacht – gar nicht so harmlos ist, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Eine mysteriöse alte Frau bedient das in Teufelsjagd erprobte Paar und spätestens als noch einige weitere Gäste auftauchen, wird allen klar, dass sie „in ein Höllenhaus geraten sind. Hier werden Dinge wahr, die sich jenseits des menschlichen Begriffsvermögens befinden“. Um nicht die Spannung zu nehmen, sei nur eines versichert: nicht alle der Gäste werden die Nacht überstehen, und jene die es tun, werden sie bestimmt nicht vergessen…

Nun aber genug der Kalauer, die entscheidende Frag ist ja, ob der Leser sich auf diesen Heftroman einlassen, oder ihn einfach vergessen soll. Routinier Hary, der in dem Genre zu Hause und auch einmal einen Roman für die langjährige Perry-Rhodan-Schwesternserie Atlan verfasste, sollte dazu in der Lage sein.

Tatsächlich scheinen sich die ins Wirtshaus Verschlagenen in einer „jenseitigen Welt“ zu befinden, in einer der Kausalitäten und Psychologie ganz anderen Strukturen folgen, als sie uns sonst in Buch, Film und Leben eingetrichtert werden. Zwar spricht Hary manchmal von geistiger Einflussnahme, doch dies wirkt mehr als Alibi denn als Motiv des Heftromans. Um in Regionen „jenseits des menschlichen Begriffsvermögens“ vorzudringen, sollte dieses Vermögen zuerst dargestellt werden.

Tatsächlich verhalten sich die Lebenden jedoch wie Zombies, so konsequenzlos ist ihr Handel, so wenig nachvollziehbar ihre Reaktionen, die entweder ganz ausbleiben, oder sich auf verbale oder körperliche Gewalt (gegenüber ihren Mitgefangenen, nicht gegenüber den Monstern) beschränken. Man sollte nicht verschweigen, dass eine solche Verwandlung von Menschen in binäre Maschinen ihren Reiz oder ihre Qualität haben kann, dass sie sich in einen literarisch-popkulturellen Strang einbeziehen lassen könnte, der spätestens bei De Sade beginnt, in der berühmten letzten Szene von Romeros ersten „Night of the Living Dead“ pointiert weitergetrieben wird und heute so etwas wie den Grundkonsens der unzähligen Hollywood-Splatter-Remakes bildet.

Vielleicht liegt es ja nur an der Veröffentlichungsform, von der man ja schon als Kind gewarnt wurde, dass man Wilfried A. Hary nicht zugestehen will, hier nicht den leichtesten Weg einer Kolportage-Psychologisierung der Charakter gewählt zu haben, sondern geschickt Menschen in Extremsituationen als unmenschliche Selbsterhalter darzustellen.

Für die leichtestenWeg spricht aber auch wie wenig die Charakterisierung des Scotland-Yard-Spezialisten „für das Jenseitige“, der mit dem Übernatürlichen quasi verheiratet ist, von jener simpler Opfer unterscheidet. Hier wird eine konzeptionelle Schwäche einer Grusel-Endlos-Serie einfach ausgeblendet, wenn der Protagonist selbst in Band 44 noch durch Magie überrascht werden kann. So verschwindet etwa die Eingangstür gleich nach Betreten des Haus des Grauens und wird durch eine glatte Wand ersetzt. Tab Furlong sieht dabei zu, um eine Seite darauf zu erkennen: „Die gegenwärtige Situation war nicht nur beklemmend, sondern hatte etwas Unwirkliches, das zur Vorsicht mahnte.“

Überhaupt scheinen die einzelnen Szenen nicht psychologisch mit einander verknüpft zu sein. Es gibt keine Änderung im Verhalten oder gar eine Entwicklung, selbst nachdem man von übernatürlichen Wesenheiten beinahe getötet wurde. Was eventuell eine Atmosphäre wie in einer Traumwelt erzeugen könnte, wirkt im abgehackten Stil, der wohl Tempo und Spannung erzeugen soll, als wäre es aus fertigen Bauteilen zusammengeflickt.

Charmant ist hingegen der Old-School-Sprachgebrauch. Ohne dass jemals das Geschehen auf ein bestimmtes Jahr festgelegt wird, entsteht eine Atmosphäre wie aus den 60ern oder 70ern. Menschen wanken hier eben noch „wie Schilfhalme im Wind“ und auch ein langhaariger Junge mit Spitznamen „Boss“ scheint nicht ganz ins 21. Jahrhundert zu passen. Selbst das Render-Cover kann da nicht mehr verhindern, dass man sich das (nicht vorhandene) Telefon mit Wählscheibe statt Tasten vorstellt. Handys tauchen natürlich auch keine auf – anscheinend ist in England die Welt noch in Ordnung.

Die Auflösung der Geschichte führt uns dann aber erneut konsequent zu den Schwächen des Romans zurück. Sie kommt aus dem Nichts und erzeugt den Eindruck die vorhergehenden 50 Seiten wären nicht notwendig gewesen. Das liegt nicht nur an der fehlenden Entwicklung der Charaktere in ihrer Interaktion untereinander, sondern hauptsächlich an den plötzlichen Geistesblitzen der Protagonisten, die alle Rätsel auf kaum nachvollziehbare Art und Weise auflösen.

Dennoch: auch wenn der Autor dabei direkt auf ein Exposé zurück zu greifen scheint, ist eine gewisser „sense of wonder“ zu bemerken, wenn die größeren Zusammenhänge geschildert werden. Es ist halt eine systemimmanente Schwäche von in Zyklen geschriebenen Romanheft-Serien, dass endlose Seiten für eine mehr oder weniger gelungene Spannungs- oder Action-Handlung verbraten werden müssen, um die Darstellung des Überbaus in wenigen Zeilen abzuwickeln. Aber eben dieser Überbau erhält seine Stärke aus dem Angedeuteten, Nebulösen. Der „sense of wonder“ ist genau, dass was man (noch) nicht weiß. Und je mehr das Unbenannte geerdet wird, desto weniger faszinierend ist es. Diesen Mechanismus, der den gegenwärtigen Heftchenschreibern sehr wohl bekannt sein muss, über die bloße Nachahmung hinaus für seine Zwecke einzusetzen gelingt dem Autor leider nicht.

Fairerweise muss natürlich gesagt werden, dass man dies kaum als die Ambition Harys annehmen kann. Hier schreibt ein Routinier einfach einen weiteren Geister-, bzw. Dämonen-, bzw. Teufelsjäger-Roman und wer sich einmal mit diesem Genre auseinandersetzen will, ist „Im Hause des Grauens“ sicher nicht falsch.

 

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Buch:

Im Hause des Grauens

Reihe: Teufelsjäger Mark Tate Bd.44

Autor: Wilfried A. Hary

erhältlich bei: HaryPro.de


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Erstellt: 23.08.2005, zuletzt aktualisiert: 10.01.2024 19:03, 1072