Druckversion: Interview: Thomas Finn

Interview mit Thomas Finn

Redakteur: Christoph Weidler

 

Weißer Schrecken

Das kleine Dorf Perchtal im Berchtesgadener Land wird eingeschneit und von der Außenwelt abgeschnitten. Plötzlich geschehen merkwürdige Dinge. Inmitten eines Schneesturms finden fünf Jugendliche die Leiche eines Mädchens, die einer der ihren wie aus dem Gesicht geschnitten ist. Keiner der Freunde ahnt, dass sie damit eine uralte und zutiefst bösartige Macht aufschrecken, die alles daran setzt, ihre Entdeckung zu verhindern

 

( www.thomas-finn.de/weisserschrecken )

 

FantasyGuide: Thomas, kurz wie kamst du zu der Idee zu dem Roman „Weißer Schrecken“?

 

Thomas Finn: *Lacht * Oh, die existierte schon etwas länger. Ich war anlässlich einer Weihnachtsveranstaltung vor ca. sieben Jahren gezwungen, mich mit dem Nikolaus und seinen Ursprüngen zu beschäftigen. Da bin ich natürlich zwangsläufig auf auch dessen unheimlichen Begleiter gestoßen: den Knecht Ruprecht. Dass hinter dieser Figur ein schrecklicher Kinderfresser steckt, war mir zu dem damaligen Zeitpunkt selbst neu.

 

FantasyGuide: Die Story in deinem Roman hat mich so fasziniert, dass ich selber ein wenig zu dem Ursprung zu dem Knecht Ruprecht recherchiert habe, und ich war erstaunt wie unheimlich und auch grausig die Basis dieser alten Sagengestalt ist. Wie siehst du selber nun nach deinen Recherchen das Nikolausfest?

 

Thomas Finn: Ach, ganz locker. Der Nikolaus als Geheimwaffe der Kirche soll die bösen Gestalten in seinem Gefolge ja bändigen. Als Kind habe ich den Nikolaustag geliebt. Und als Erwachsener freue ich mich, dass mir Nikolaus & Co einen so exzellenten Hintergrund für einen Mystery-Thriller geliefert haben.

 

FantasyGuide: Du hast in einem anderem Interview angedeutet, dass eine archäologische Entdeckung aus jüngerer Zeit dem Roman noch einen zusätzlichen grusligen Effekt gibt. Um welche Entdeckung handelt es sich dabei?

 

Thomas Finn: Um 2000 wollen Archäologen Hinweise auf den sogenannten Chiemgau-Meteoriten gefunden haben, der vor 2500 Jahren angeblich den nördlichen Teil der Ostalpenregion komplett verwüstet hat. Vorher verehrten die Kelten ihre Götter recht abstrakt, erst danach in Gestalt menschenfressender Entitäten. Da auch der Knecht Ruprecht auf alte keltische Wurzeln zurückgeht, lag es nahe, da eine grausige Verbindung zu ziehen...

 

FantasyGuide: Am Anfang deines Romans war ich ein wenig erschreckt, dass keiner der fünf Freunde ein wirklich glückliches Elternhaus hat. Ein Umstand der die Freunde zwar zusammenschweißt und ein wichtiger Ausgangspunkt für die Story ist, aber doch ein wenig unwirklich erscheint. Erst im letzten Drittel des Buches klärt sich auf warum dem so ist, und das Puzzle setzt sich nach und nach für den Leser zusammen. Hattest du beim Aufbau der Story nicht Sorge den Leser ein zu sehr beklemmendes Gefühl zu geben, oder war das Absicht?

 

Thomas Finn: Das war natürlich pure Absicht. Weißer Schrecken ist immer als unheimlicher Mystery-Thriller angelegt gewesen. Ich wollte den Leser gruseln. Und da ich als Leser reine Effekthascherei ebenfalls nicht schätze, gibt es für all das natürlich auch eine glaubwürdige Begründung.

 

FantasyGuide: Das Spiel mit falschen Fährten, Vertrauenspersonen die keine sind, Freunde die erst nicht so erscheinen. Den Leser mitfiebern und seine eigenen Schlüsse ziehen lassen, welche sich dann doch mitunter als völlig verkehrt erweisen, da man doch wieder einer falschen Spur aufgesessen ist. Genau so stellt man sich als Leser ja ein Roman vor, den man lesen will und „Weißer Schrecken“ liefert hier die ganze erhoffte Bandbreite. Genießt du es als Autor anhand deiner Protagonisten und der Story so mit deinen Lesern spielen zu können?

 

Thomas Finn Unbedingt. Irgendwie ist der Roman ja auch eine Detektivgeschichte, bei der der Leser sogar etwas mehr weiß, als die Protagonisten. Der Spaß besteht für mich beim Schreiben darin, die ausgestreuten Infos so zu verpacken, dass auch der aufmerksame Leser idealer Weise den Wald vor lauter Bäumen nicht sieht. Ich erinnere nur an den schaurigen Prolog des Romans. Ein Hinweis, wie ein Zaunpfahl. Und dennoch haben sehr viele Leser den darin verborgenen Erkenntnisgewinn erst ganz am Ende erkannt. So etwas freut mich natürlich diebisch. Unsportlich wäre es gewesen, besonders wichtige Informationen einfach zurückzuhalten.

 

FantasyGuide: Die fünf Freunde in deinem Roman sind in ihrer Art und Weise jeder für sich ein sehr gut umgesetztes Individuum, in der man sich als Leser wunderbar hineinversetzen kann. Wie schwer war es für dich, dich jedes Mal individuell in den einzelnen der fünf Charaktere hineinzuversetzen und welcher der fünf Freunde ist dir im Laufe der Story am meisten ans Herz gewachsen?

 

Thomas Finn: Oje, das ist eine schwierige Frage. Am einfachsten war es sicher, sich in Andy hineinzufühlen. In gewisser Weise ist er der normalste der Fünf. Bei Robert, Elke und Miriam musste ich eine Menge recherchieren. Und auch die stille Wut von Niklas war nicht schwer nachzuempfinden. Letztlich mag ich sie alle gleichermaßen.

 

FantasyGuide: In „Weißer Schrecken“ spielst du gekonnt mit dem allgegenwärtigen aber nicht fassbaren Grauen, der sich um die Freunde aufbaut. Es sind vielfach die Kleinigkeiten drumherum, die die Atmosphäre aufbauen und deine Protagonisten langsam aber beständig in den Sog des Unheimlichen zieht und den Leser das Buch regelrecht verschlingen lässt. Was fasziniert dich persönlich an dem Mystischen und Unheimlichen?

 

Thomas Finn: Ich schätze mal die Tatsache, dass der Grusel eine der stärksten menschlichen Empfindungen ist. Ich persönlich mag Horror-Romane mit zu hohem Splatteranteil nicht. Mit dem Ekel zu spielen, erscheint mir erzählerisch als zu einfach. Ein Gefühl des immer stärker werdenden Grusels heraufzubeschwören, war jedoch eine Herausforderung, die ich bei diesem Buch gezielt gesucht habe.

 

FantasyGuide: Durch die Christianisierung sind viele heidnische Feste und Bräuche uminterpretiert worden, um sie so besser in einem Einklang mit der Kirche zu bringen. Sei es das norddeutsche "Biike-Feuer", das ursprünglich dazu diente die bösen Geister zu vertreiben und dann später zum Fastnachtstanzfest wurde, oder das Julfest. Dadurch sind aber gerade die doch düsteren Ursprünge der alten Sagen ein wenig in Vergessenheit geraten, und bieten somit ein großes Potential für weitere spannende Romane. Ein für dich weiterhin reizvolles Potential, oder eher nicht?

 

Thomas Finn: Aber ja. Wenn mir zu dem einen oder anderen Thema eine coole Geschichte einfällt, melde ich mich :). Da gibt es ja noch einiges zu erzählen...

 

FantasyGuide: Es gibt passend zu dem Roman auch einen offiziellen Trailer, welcher musikalisch gelungen von der Band Erdenstern untermalt ist. Wie kam es zu dem Trailer und wie wichtig siehst du visuelle Medien bei Buchvorstellungen an?

 

Thomas Finn: Die Erstellung des Buchtrailers zu Weißer Schrecken war ein spannendes Experiment. Als ausgemachter Cineast sehe ich Buchtrailer natürlich sehr gern und lasse mich davon auch neugierig stimmen. Ich bezweifle allerdings, dass Buchtrailer unabdingbar notwendig für den Erfolg eines Romans sind. Andererseits ist die Medienwelt zunehmend vernetzt. Auch ich betreibe eine Webseite und trete in den sozialen Netzwerken auf. Da lag es nahe, auch mal einen visuellen Appetizer zu präsentieren.

 

FantasyGuide: Neben deinen Romanen schreibst du ja auch für das Horror-Rollenspiel-System H.P. Lovecrafts Cthulhu. Reizt dich das Unheimlich sehr, magst du lieber die Arbeit an einem Jugendroman, oder ist es für dich als Autor am reizvollsten alles miteinander zu verbinden?

 

Thomas Finn: Ich liebe den Grusel. Und ich liebe spannende Geschichten – egal welcher Coleur. Da mein persönlicher Geschmack recht breit aufgestellt ist, spiegelt sich dies natürlich auch in meinen Publikationen. Meine Vorliebe für den Cthulhu-Mythos und den Horror im Speziellen sind eine alte Leidenschaft, die zumindest in meinen Romanen bislang nur vage aufgeblitzt sind. Umso mehr hat es mich gefreut, bei Weißer Schrecken mal aus dem Vollen schöpfen zu können. Dass 80% des Romans aus Sicht von Jugendlichen erzählt wurde, liegt hier aber schlicht am zugrunde liegenden Thema.

 

FantasyGuide: Thomas, an welchem Projekt sitzt du gerade, über welchen kommenden Roman von dir darf man sich freuen, und um was geht es in dem Roman?

 

Thomas Finn: Im Juni erscheint „Mind Control“, ein SF-Roman aus Markus Heitz’ Justifiers-Reihe, für die auch einige andere bekannte Kollegen schreiben. Der Roman hat wirklich Spaß gemacht. Auch da konnte ich mal aus dem Vollen schöpfen – etwa durch Einführung eines Schurken, der zur Erfüllung seiner Ziele mal eben mehrere tausend Individuen über die Klinge springen lässt. Vor allem war es toll, sich mal in einem SF-Universum austoben zu können, wozu man als deutscher Autor ja nicht allzu oft Gelegenheit bekommt.

 

FantasyGuide: Ich danke dir sehr für deine Antworten und freue mich schon auf deine nächsten Romane. Viel Glück mit deiner Nominierung beim „Vincent Preis“.

 

Thomas Finn: Vielen Dank!

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MEDIUM:

Weißer Schrecken

Autor: Thomas Finn

Thriller, Piper, Piper 2010

Taschenbuch

496 Seiten, 9,95 Euro

ISBN 978-3492267595

Erhältlich bei: Amazon

, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13