Interview: 8 Fragen 8 Antworten : Visionen - die Anthologie aus dem Hause Shayol
 
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8 Fragen - 8 Antworten : Visionen - die SF Anthologie aus dem Hause Shayol

Redakteur: Michael Schmidt

 

Fantasyguide: Lieber Helmuth. Stell dich und deine Anthologiereihe VISIONEN doch mal unseren Lesern vor!

 

Helmuth W. Mommers: Ich bin ein alter Hase, der bereits in den 60ern als 22jähriger gemeinsam mit A. D. Krauß die inzwischen legendären HEYNE-Paperback-Anthologien zusammengestellt hat. Genau genommen waren wir die ersten Herausgeber von eigenständigen SF-Anthologien im Nachkriegs-Westdeutschland (von einer berühmten Ausnahme-Anthologie abgesehen, die bereits 1952, also noch vor den Heftserien, entstand). Da macht es doppelten Spaß, an die alten Zeiten anzuknüpfen. Mit dem Unterschied allerdings, dass ich es diesmal solo mache und ausschließlich Erstveröffentlichungen deutschsprachiger Autoren zusammenstelle.

 

Fantasyguide: Der dritte VISIONEN Band PLASMASYMPHONIE und andere Visionen ist erhältlich. Neben SF Größen wie Andreas Eschbach, Marcus Hammerschmitt und Ernst Vlcek sind viele übliche Verdächtige wie Michael K. Iwoleit, Frank W. Haubold und Jan Gardemann vertreten. Thor Kunkel erwartet wohl kaum jemand in einer solchen Anthologie. Erzähl uns doch mal was zum Autor und vielleicht auch mal generell über die vertretene Autorenschaft der mittlerweile dreibändigen VISIONEN-Reihe.

 

Helmuth W. Mommers: Thor Kunkel kommt aus dem Mainstream und hat die Literaturszene in Aufregung, aber auch Begeisterung versetzt, dabei kann er aber seine Affinität zur Science Fiction nicht leugnen. Will er auch nicht. Vielleicht verspürt er ja so etwas wie »Hassliebe«, Hass auf die Realität, Liebe für die Irrrealität?

 

Gedacht sind die VISIONEN als Plattform für zumeist erfahrenere, schon profilierte Autoren, die dadurch animiert werden sollen, in Zukunft nicht nur Romane zu schreiben. Wie Oliver Henkel und Fabian Vogt, beide ausgezeichnet für Romane, auch Thomas Thiemeyer, der großartige Coverkünstler und erfolgreiche Buchautor. Der Reigen ließe sich fortsetzen mit Erler, Franke, Gruber, Marrak, Sembten, Simon. Und nicht zu vergessen die»junge Garde« der C’T-Autoren: Hermann, Desirée und Frank Hoese, Isenberg, Küper. Aber gelegentlich haben auch Newcomer eine Chance. – Wen immer ich als Talent entdecke, lade ich zur Teilnahme ein.

 

Zuoberst auf meiner Wunschliste stehen noch Brandhorst, Hahn, Jeschke, Pukallus, Steinmüller u.a., die ich so lange bekniee, bis sie mit von der Partie sind.

 

Fantasyguide: Autoren sind schön und gut, aber natürlich interessiert den Leser vor allem die Geschichten selbst. Was erwartet den Leser in PLASMASYMPHONIE? Übrigens ein ungewöhnlicher Titel

 

Helmuth W. Mommers: So ungewöhnlich ist er nicht, schwirren heute doch Begriffe wie Quanten, Nano und Plasma im SF-Vokabular herum, eine wahre Symphonie im Orchester der Zukunft. – Was den Leser erwartet? Was ich mir von den Autoren erwartet habe: Prima Unterhaltung auf gehobenem Niveau. Die Ingredienzien: Ernst und Spaß, Tiefgang und Abenteuer, Phantasie und Erzählkunst. Daraus versuche ich, einen schmackhaften Cocktail zu mixen, diesmal mit Schwerpunkt Künstliche Intelligenz und Artverwandtes. Ich denke, ich kann das Niveau der vorangegangenen Bände halten, und hoffe, der Leser hat sein Vergnügen an dieser Lektüre und sehnt sich bereits nach der nächsten Ausgabe.

 

Fantasyguide: Dank den VISIONEN – und natürlich auch NOVA, an dem du ja ebenfalls einen großen Anteil hattest - hat sich eine richtige Autorenszene gebildet. Wie lautet dein Fazit nach drei Bänden VISIONEN

 

Helmuth W. Mommers: Nach zwei Bänden kann man eigentlich noch kein gültiges Urteil abgeben, schon gar kein Fazit. Der dritte Band muss erst noch unters Volk, mal sehen wie das Echo darauf ausfällt. – Wie heißt es so schön in der Werbung? »Ein Mal ist kein Mal«. Es ist wie bei einem neu eröffneten Geschäft: Es rentiert erst nach dem 3. Jahr. – Allerdings scheint es außerordentlich schwierig, mit den Möglichkeiten der Kleinverlagsszene die hochgesteckten Auflagenziele zu erreichen, die eine Honorierung der Autoren erst wirtschaftlich rechtfertigen. Vorläufig bezahle ich sie aus der eigenen Tasche, aber das darf kein Dauerzustand sein. Hinzu kommt, dass immer noch viel zu viele Leser diese Bücher über den Handel kaufen, statt die Verlage (und damit die Autoren!) durch Direktbezüge zu unterstützen. Ein kleines bisschen mehr Mühe und sie würden sich selbst einen Gefallen tun, wenn sie die Kleinverlage am (Über)Leben hielten und als Dank dafür NOVA, die VISIONEN und andere Publikationen in Händen hielten. Jammern alleine hilft nicht weiter, man muss auch einen eigenen Beitrag leisten!

 

Und weil ich schon dabei bin, ein mahnendes Wort an die Autoren: Kauft eines oder mehrere Exemplare derjenigen Publikationen, in denen ihr euch den Lesern präsentieren wollt. Informiert euch. Schickt eure Manuskripte nicht einfach in der Gegend herum, ohne den Markt aus eigener Anschauung zu kennen. Das erhöht eure Chancen – und trägt dazu bei, dass ihr überhaupt eine Chance habt. Ohne Leser keine Bücher, ohne Bücher keine Autoren. – Wer sitzt im Elfenbeinturm?

 

Fantasyguide: Und wie beurteilst du die Kurzgeschichtenszene der SF in Deutschland insgesamt? Am Ende jeder Visionen finden sich ja dein Jahresrückblick.

 

Helmuth W. Mommers: Wenn man die internationalen Autoren einbezieht, leidet sie schwer. Es erscheint so gut wie nichts. Für die großen Verlagshäuser ist die KG uninteressant, mit Romanen lässt sich – bei beschränkten Platzangebot der Buchhändler - viel mehr Geld verdienen (und weniger verlieren). Erbsenzähler haben den Platz der Patrons eingenommen, es zählt der Augenblick, nicht die Zukunft. Aber was die deutschsprachige Szene betrifft, hat es noch nie so viele Veröffentlichungen gegeben wie in den letzten paar Jahren. Dank Kleinverlagsszene. Jährlich erscheinen derzeit an die 200 Storys, ein Vielfaches vergangener Zeiten. Dabei ist die Ausbeute an wirklich guten bis hervorragenden Erzählungen prozentual nicht wesentlich geringer. Im Klartext: Die Chancen für deutschsprachige Autoren und deren Leser haben sich massiv erhöht, allerdings bei kleiner Auflage und oft ohne Honorar.

 

Das ist der Grund, warum bei Kleinverlagen kaum Übersetzungen erscheinen. Hier müssen die Autoren in der Regel honoriert werden, allenfalls auch die Übersetzer. – Dabei besteht die Gefahr, dass wir mit der Zeit den Anschluss an das angloamerikanische Niveau verlieren, denn einen »eigenen deutschen Weg« gibt es nicht.

 

Allerdings sehe ich einen Silberstreifen am Horizont: FESTA hat eine Simmons-Sammlung herausgebracht und HEYNE – ganz gegen alle Erwartungen – eine Vinge-Collection, der jetzt sogar zwei Ballard- Kurzgeschichtenbände folgen sollen. So hoffnungslos scheint der KG-Markt nun doch nicht zu sein...

 

 

Fantasyguide: Die VISIONEN haben letztes Jahr den „Deutschen Phantastik Preis“ gewonnen und waren auch dieses Jahr nominiert. Die Geschichten landen regelmäßig auf den Nominierungslisten von KLP, DSFP. Was bedeuten dir diese Preise?

 

 

Helmuth W. Mommers: Viel. Sie sind eine Anerkennung für alle Mitwirkenden, und eine großartige Motivation für die Autoren. Bisherige Preisträger waren Karl Michael Armer, Rainer Erler und Andreas Eschbach. Alle drei haben ihre Story eigens für die VISIONEN und auf meine persönliche Initiative hin geschrieben. – Darüber hinaus wurden 9 weitere Erzählungen für einen oder beide Preise nominiert. Das macht 12 von insgesamt 30 Storys.

 

Fantasyguide: Du bist selbst Autor. Was dürfen wir von dir in der nächsten Zeit und auch im vorliegenden VISIONEN Band erwarten?

 

Helmuth W. Mommers: Wenig. Ich bin des Schreibens ein bisschen müde geworden (hätte ich einen Preis gewonnen, wäre das natürlich ganz anders ....*grins*) Ich habe jetzt insgesamt, einschließlich meiner mit Ernst Vlcek verfassten Storys, deren 50 veröffentlicht (Fanzines natürlich ausgenommen), davon 31 solo seit meinem Comeback 2002. In der diesjährigen Ausgabe der VISIONEN ist meine 51., in NOVA 11 meine 52. Erzählung, da bleiben noch zwei unveröffentlichte (wer reißt sich darum?). Aber wer weiß, vielleicht packt mich bald wieder der Ehrgeiz. Wenn dann noch die Muse mitspielt...

 

Fantasyguide: Ein Wort noch zum Künstler des Umschlagbildes der VISIONEN 3/2006. Wer ist James Warhola?

 

Helmuth W. Mommers:

Ein Neffe von Andy Warhol (geb. Warhola), ein hochangesehener Coverkünstler und Illustrator, der seit 1980 – neben seiner Arbeit für MAD - Hunderte Titelbilder für SF- & Fantasy-Bücher geschaffen hat, sich dann aber vorwiegend auf Bilderbücher verlegt hat. Sein Ölbild wurde von Spider Robinsons »Callahan’s Bar«-Serie inspiriert und ist für jeden SF-Fan eine wahre Augenweide. Ich bin sehr glücklich, dass ich ihn für die VISIONEN gewinnen konnte. – Übrigens kann das Panoramabild auf der website www.visionen.shayol.net kostenlos als Bildschirmschoner heruntergeladen und zum Selbstkostenpreis als großformatiger Poster bestellt werden.

 

Fantasyguide: Wir bedanken uns für das interessante Gespräch und wünschen dir für die Zukunft alles Gute.

 

 

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Erstellt: 01.11.2006, zuletzt aktualisiert: 27.05.2016 12:18, 2984