Interview: Michael Krug
 
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Interview mit Michael Krug

Redakteur: Christian Endres

 

Fantasyguide: Hallo Herr Krug. Ein neuer Verlag erblickt das Licht der Welt, und wie man sich denken kann, steckt da ein gewisser Prozess dahinter: Wie kam es also dazu, dass Sie den Otherworld Verlag ins Leben riefen?

 

Michael Krug: Der Grundgedanke geht auf meine Liebe zum literarischen Übersetzen zurück. Obwohl ich gut zehn Jahre hauptberuflich im Vertrieb und der Projektplanung bei einem Anlagenbauunternehmen tätig war, habe ich schon seit meiner Studienzeit für den Lübbe-Verlag übersetzt und das nie aufgegeben, also nebenberuflich betrieben. Nachdem die Firma dann leider in den Konkurs geschlittert war und von einem Großkonzern übernommen wurde, war das Arbeitsumfeld einfach nicht mehr dasselbe. Ich bin zwar noch ein Jahr geblieben, aber danach war jeder Arbeitstag nur noch eine Überwindung, und so beschloss ich, mich als freiberuflicher Übersetzer selbstständig zu machen. Das hat im Prinzip auch auf Anhieb prima geklappt, nur war das Verhältnis zwischen allgemeinen Fachübersetzungen aus der Wirtschaft und literarischem Übersetzen etwa 70 : 30, weil es nicht ganz so einfach ist, an genügend literarische Übersetzungsaufträge zu kommen, um ausschließlich davon leben zu können. Es hatte mich schon länger gereizt zu versuchen, das Verhältnis zu verlagern, indem ich Bücher, die mir gefallen, selbst herausbringe, nur war mir sowohl das Risiko als auch der Arbeitsaufwand alleine zu hoch, weil es ja nebenher gehen musste, zumal ich eine wunderbare Frau, die mir bei all dem den Rücken stärkt, und drei kleine Töchter zu versorgen habe, die unser größtes Glück sind. Den Ausschlag zur Gründung hat deshalb gegeben, dass ich mal mit meinem besten Freund, der selbst eine Leseratte ist, die ihresgleichen sucht, über meine Idee gesprochen habe. Er war sofort Feuer und Flamme und gern bereit, mit einzusteigen, sowohl finanziell als auch tatkräftig. Damit war der Otherworld Verlag geboren.

 

Fantasyguide: Ihrer Vita kann man entnehmen, dass Sie schon als Übersetzer Kontakt mit Autoren wie Dave Duncan (den Sie nun ja auch im Herbst als ersten Autor bei Otherworld veröffentlichen werden) gehabt haben und demnach schon mit der phantastischen Literatur professionell in Berührung gekommen sind. Können Sie da an dieser Stelle noch ein bisschen weiter ausholen? Wer verbirgt sich hinter Michael Krug, was brachte ihn zur phantastischen Literatur, wie kam er zum Übersetzen und was macht er, wenn er seine Nase nicht in Bücher oder Manuskripte steckt, die erst noch Bücher werden sollen?

 

Michael Krug: Phantastische Literatur hat mich schon immer fasziniert. Schon seit frühester Jugend habe ich viel gelesen, zuerst hauptsächlich Krimis, später dann vorwiegend Thriller und Horror. Zur Fantasy kam ich dann hauptsächlich durchs Übersetzen. Zum Übersetzen wiederum durch meine angeborene Liebe für Fremdsprachen. Als ich das Abitur hinter mir hatte, begann ich ein Doppelstudium – Wirtschaft, weil ich dachte, das braucht man, damit was aus einem wird und Übersetzen, ursprünglich eher aus Spaß an der Freud. Allerdings hat es nicht einmal ein Semester gedauert, bis ich merkte, dass es so nicht klappt. Das Betriebswirtschaftslehrestudium war mir einfach nur ein Graus, während mir das Übersetzerstudium großen Spaß bereitet hat. Somit verabschiedete ich mich vom Gedanken, ein angesehener Betriebswirt zu werden. Beim Übersetzen bin ich geblieben, und über das Studium kam ich dann auch zum professionellen Übersetzen, weil ich eine mit dem Vermerk »druckreif« benotete Hausarbeit aus dem Kurs Literarisches Übersetzen aufs Geratewohl an den Lübbe-Verlag schickte – woraus dann recht bald der erste Auftrag resultierte. Das war damals »Der Präsident« (Absolute Power) von David Baldacci. Und seither war ich eigentlich ständig für Lübbe tätig. Wenn ich weder für Lübbe übersetze, noch für Otherworld den Verleger spiele, dann widme ich mich ganz meiner Familie und verbringe die Zeit mit meiner Frau und unseren Töchterchen.

 

Fantasyguide: Wie reagieren ausländische Autoren oder deren Agenten, wenn plötzlich einer ihrer bisherigen Übersetzer an sie heran tritt und eines ihrer Bücher – oder gar eine ihrer Serien – in seinem neu gegründeten Verlag abseits »der Großen« veröffentlichen möchte, bei dem ja die meisten Bücher just dieses Autoren bisher erschienen sind?

 

Michael Krug: Seitens Dave Duncan war die Reaktion einfach großartig, er hat uns mächtig unterstützt, indem er uns die Rechte für fünf bisher unveröffentlichte Werke zu sehr günstigen Konditionen überließ, wofür wir ihm außerordentlich dankbar sind. Was die Kontakte zu Agenturen angeht, haben wir bisher gemischte Erfahrungen gemacht. Von manchen, die eine Bereicherung des deutschsprachigen Verlagsmarkts durchaus begrüßen, wurden wir insofern unterstützt, als sie ihren Klienten empfohlen haben, unser Angebot zu akzeptieren, obwohl wir uns bei Garantiezahlungen natürlich noch nicht annähernd mit »den Großen« messen können. Andere haben gewisse Vorstellungen über Mindestgarantiesummen, von denen sie auch bei Klein- und Kleinstverlagen nicht abweichen, selbst wenn es sich um Autoren handelt, die auf dem deutschen Markt fast oder gänzlich unbekannt sind.

 

Fantasyguide: Und wie nehmen die Verlage hierzulande, für die Sie bis dato übersetzt haben, diesen Schritt Ihrerseits und die dadurch entstandene Konkurrenzbildung auf? Hat man da gleich alle Brücken hinter sich eingerissen und geht nun volles Risiko ins Verlegerleben, oder gibt es da nach wie vor ein fröhliches Miteinander?

 

Michael Krug: Da weder mein Partner noch ich so naiv sind zu glauben, dass wir von einem Tag auf den anderen von unserem Verlag leben können, bin ich natürlich bemüht, ein gutes Verhältnis zu Lübbe zu wahren und hoffe, auch weiterhin für Lübbe übersetzen zu dürfen. Zum Glück hat man sich dort eigentlich überhaupt nicht an der Gründung des Otherworld Verlags gestoßen. Wir werden insofern nicht als Konkurrenz betrachtet, weil wir primär Projekte in Angriff nehmen, die für große Verlagshäuser wie Lübbe ohnehin uninteressant sind, sei es, weil die Autor/innen auf dem deutschen Markt überwiegend unbekannt sind und daher ein zu hohes Risiko darstellen, oder, wie im Fall von Dave Duncans Reihe »Des Königs Dolche«, weil die Titel nicht ins Verlagsprogramm passen. Die Konkurrenz, die wir für »Große« sein können, hält sich allein deshalb schon in Grenzen, weil wir in ganz anderen Gefilden nach Titeln suchen. Die großen Publikumsverlage unterliegen dem wirtschaftlichen Zwang, das Programm auf Titel auszurichten, bei denen eine bestimmte Auflagenhöhe mit ziemlicher Sicherheit abgesetzt werden kann. Daraus ergibt sich, dass in aller Regel Autor/innen den Weg ins Programm der Großen finden, die wir uns ohnehin nicht ansatzweise leisten können. Dabei bleiben allerdings unzählige Autor/innen und Werke auf der Strecke, die durchaus ihre Leserschaft finden, nur eben nicht in Mengen von 20.000 aufwärts. Und da kommen wir ins Spiel – da wir nicht annähernd so hohe Fixkosten haben wie mittelständische oder große Verlage, brauchen wir keine riesigen Auflagen, damit unterm Strich noch etwas übrig bleibt.

 

Fantasyguide: Es ist kein Geheimnis, dass ein Titel im Hardcover dem Verlag etwas mehr kostet als eine Veröffentlichung im Taschenbuch. Nun steigen Sie und Ihr Verlag direkt mit gebundenen Ausgaben ein ... liegt diese »Risikofreudigkeit« an der Bekanntheit von Autoren wie Dave Duncan, oder hätten Sie auch so direkt mit Hardcover-Bänden aufgewartet, wenn Ihre ersten Titel keinen bekannten Namen auf dem Cover gehabt hätten? Das bringt mich dann auch gleich dazu, Sie nach Ihrer Ambition zu fragen – sprich, Mainstream mit bald schon stark ausgebautem Programm á la Heyne, Bastei und Co. oder doch eher Richtung Edition Phantasia, also feine Liebhaberausgaben in etwas geringerer Auflage?

 

Michael Krug: Im Prinzip trifft beides zu, denn hätten wir Dave Duncan nicht bekommen, wäre es trotzdem ein in deutschsprachigen Gefilden bereits bekannter Autor geworden. Das war von Anfang an der Plan. Wir wollten mit unserem ersten Auftritt demonstrieren, dass unsere oberste Prämisse lautet, für Qualität zu bürgen, sowohl was das Werk an sich, als auch die Aufmachung angeht. Dafür schienen uns ein renommierter Autor und eine hochwertige Ausgabe genau die richtigen Mittel. Dass es dann gleich ein Bestseller-Autor vom Kaliber Dave Duncan wurde, betrachten wir natürlich als riesiges Glück. Was unsere künftigen Ambitionen angeht, haben wir selbst bei entsprechendem Erfolg und auf lange Sicht nicht vor, ein Publikumsverlag zu werden. Da der Verlag beileibe nicht nur aus finanziellen Interessen gegründet wurde, wollen wir uns treu bleiben und Titel herausbringen, die wir selbst gerne lesen. Wir bleiben bei dem, was uns Spaß macht, also bei Fantasy, Horror und Science Fiction, kurzum im Bereich des Fantastischen. Denkbar für die Zukunft ist lediglich die Erweiterung um das Genre (Mystery-) Thriller. Lyrisch oder philosophisch angehauchte Werke, Schicksalsberichte und Lebensgeschichten, Biografien und ähnliches wird es im Otherworld Verlag definitiv nicht geben.

 

Fantasyguide: Das Hardcover, um einmal bei diesem Thema zu bleiben, hat immer etwas Edles, Luxuriöses an sich und eignet sich auch für schöne Sammler- oder Werkausgaben. Sind deshalb Neuausgaben oder Sammelbände bereits in Deutschland erschienener Bücher ein Thema für Sie, oder legen Sie Wert auf Erstausgaben?

 

Michael Krug: Grundsätzlich legen wir Wert auf Erstausgaben. Reine Nachdrucke sind von uns nicht geplant, weder als Neuausgaben noch als Sammelbände. Das einzig Interessante in diesem Bereich ist für uns, Reihen zu Ende zu führen, die von anderen Verlagen begonnen, aber nicht beendet wurden. Speziell im Fantasy-Bereich gibt es einige Beispiele, in denen Reihen auf Deutsch unvollendet geblieben sind. Allerdings würden wir mit größter Wahrscheinlichkeit auch in solchen Fällen mit Neuübersetzungen der bereits erschienenen Bände aufwarten.

 

Fantasyguide: Ein spontanes Beispiel für eine solche Reihe?

 

Michael Krug: Spontan fallen mir Das Schwert der Schatten von J. V. Jones, Lynn Flewellings Tamir Triad-Reihe – von der nur der erste Band als »Das Orakel von Skala « bei Lübbe erschienen ist – und David Farlands Saga Runelords ein.

 

Fantasyguide: Nach dem Sammelband nun im Herbst erscheint 2007 das nächste Buch von Dave Duncan, außerdem bringen Sie mit Brian Keene einen viel versprechenden Autoren aus dem Horror-Bereich nach Deutschland, auf den ich persönlich mich nach all den Vorschusslorbeeren aus Übersee sehr freue. Doch was ist darüber hinaus kurz-, mittel- oder langfristig bei Ihnen in Planung, und auf was darf sich der Leser phantastischer Literatur noch freuen?

 

Michael Krug: Relativ kurzfristig werden wir versuchen, die Rechte an den übrigen, auf Deutsch noch unveröffentlichten Titeln von Dave Duncan zu bekommen. Davon abgesehen, haben wir vor, ähnlich wie im Fall von Brian Keene, noch einige – insbesondere in den USA und Großbritannien – bereits renommierte, aber noch nie auf Deutsch erschienene Autor/innen ins Programm zu holen. Mit (hoffentlich) wachsendem Budget wollen wir uns mittelfristig auch um Werke von auf dem deutschen Markt bereits etablierten Autor/innen bemühen. Auch Autor/innen, die aus den Programmen der größeren Verlage fallen, weil sie nicht oder nicht mehr deren hohe Absatzerwartungen erfüllen, sind für uns interessant, wenn die Qualität stimmt. Außerdem planen wir, uns nächstes Jahr mit dem Thema Anthologien näher zu befassen. Und natürlich sind wir auch bestrebt, deutschsprachige Talente für unser Programm zu finden, was wir nicht zuletzt in Form von mehreren Aufrufen zur Manuskripteinsendung auf unserer Website forcieren.

 

Fantasyguide: Gibt es Wunschkandidaten in Sachen Autoren, die Sie gerne veröffentlichen würden?

 

Michael Krug: Etliche. Im Reich des Illusorischen stünden z. B. Stephen King und Dean Koontz ganz oben auf der Liste. Im realistischeren Bereich allerdings liegen Autoren wie Richard Laymon, James Herbert oder David Farland.

 

Fantasyguide: Auf Ihrer Website rufen Sie talentierte deutsche Autoren dazu auf, Ihnen Manuskripte zu schicken. Das impliziert doch, dass Sie an die deutsche Phantastik-Szene auch jenseits von Dauerbrenner Wolfgang Hohlbein glauben, oder?

 

Michael Krug: Absolut. Es gibt dafür ja durchaus auch einige Beispiele aus der jüngeren Vergangenheit wie Markus Heitz, Christoph Hardebusch, Andreas Gruber und einige andere. Obwohl speziell angelsächsische Literatur unumstößlich immer ein fixer Bestandteil unseres Programms bleiben wird, möchten wir unbedingt auch deutschsprachigen Talenten dazu verhelfen, sich einen Namen zu erschreiben. Allerdings legen wir als Messlatte dafür unsere angelsächsischen Autor/innen an, die ihr Können zumindest auf ihren jeweiligen Heimatmärkten bereits unter Beweis gestellt haben. Deutschsprachige Titel, die bei uns erscheinen, müssen schon in etwa dasselbe Niveau erreichen. Das werden wir konsequent so halten, weil wir uns auf dem Markt einen Ruf für Qualität erarbeiten wollen. Wir denken, dass unbekannte, deutschsprachige Autoren davon erheblich profitieren werden.

 

Fantasyguide: Ich finde es immer interessant zu erfahren, was »Berufs-Leser« auf Ihrem Nachttisch liegen haben, wenn Sie denn einmal privat zum Lesen kommen?

 

Michael Krug: Na ja, privat ist relativ. Wenn ich privat lese, dann fast ausschließlich englische Titel, die aufgrund der Inhaltsangaben und/oder Rezensionen eventuell interessant für den Otherworld Verlag sind. Derzeit liegen da »Crota« von Owl Goingback und »Night Witch« von Jack Priest. Eine Ausnahme ist »Der Crako und der Gierfraß« von Michael Kirchschlager aus dem Festa-Verlag, das ist wirklich ein rein privates Lesevergnügen.

 

Fantasyguide: Herr Krug, ich bedanke mich herzlich für Ihr Interesse, wünsche Ihnen und Otherworld einen erfolgreichen Start im Herbst und freue mich noch auf das, was wir ihn Zukunft von Ihnen hören werden!

 

Michael Krug: Auch ich bedanke mich sehr herzlich.

 

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Erstellt: 23.06.2006, zuletzt aktualisiert: 07.03.2016 13:51, 2443