Interview: André Marx und Boris Pfeiffer
 
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Interview mit André Marx und Boris Pfeiffer

Redakteur: Chris Schlicht

 

 

Schon wieder eine neue Serie für Kinder. „Das wilde Pack“. Mal ausschließlich mit Tieren, schön, aber doch nur eine weitere Reihe, die den Kampf um die Aufmerksamkeit der Masse und den Geldbeutel der Eltern und Großeltern aufnehmen will. Was soll da nun so besonders dran sein?

 

Aber was sieht das aufmerksame Auge denn da? Boris Pfeiffer und André Marx? Die Namen kennt man doch irgendwo her, von wo denn bloß?

 

Da geistern dann doch ein paar Fragezeichen in der Luft, woher, von was und wie komme ich denn auf die? Drei gute Fragen... Drei Fragezeichen!!! Natürlich. André Marx kann man mit gutem Gewissen als einen der Stammautoren der Serie bezeichnen, seit sie nicht mehr unter Alfred Hitchcocks Label läuft und eine neue Ära für die drei Detektive eingeläutet wurde. Und Boris Pfeiffer trägt die Serie Drei ??? Kids mit.

 

Na, das ist doch schon mal eine gute Empfehlung für „Das wilde Pack“, das von den Beiden zusammen entwickelt wurde. Die ersten beiden Bücher, die jüngst erschienen sind, sind auf jeden Fall sehr gut gelungen. Die Story genau so, wie das Gesamtkonzept mit dem schönen Hardcover und den fantastischen Bildern von Sebastian Meyer. Da beginnt man sich doch auch für die Macher dahinter zu interessieren.

 

Und das ist in der Tat ein interessantes, ein spannendes und vor allem weites Feld. Denn die beiden haben noch viel mehr drauf. Boris Pfeiffer zum Beispiel wildert auch schon mal in schriftstellerischen Revieren, die bislang eher von weiblichen Autoren bejagt wurden, sprich einer Serie über Mädchen und Pferde und einen Jugendroman über ein schwangeres Teenie-Mädchen. Ganz nebenbei bestückt er die Bühnen des Theaters mit neuen Stücken und schreibt Drehbücher. Bei solcher Vielfalt lohnt sich doch schon mal ein genauerer Blick.

 

Also los... Natürlich kann ein Interview nicht alle Aspekte aufgreifen, das würde sonst abendfüllend werden und sicher auch ein ganzes Buch füllen. Daher empfiehlt es sich, einen Blick auf die Webseiten der beiden Autoren zu werfen.

 

Über André Marx und seine Biografie könnt ihr unter

www.rocky-beach.com

einiges erfahren.

 

Boris Pfeiffer hat eine eigene, umfangreiche Webseite,

www.borispfeiffer.de

auf der man die ganze Bandbreite seines Könnens finden kann. Auch über seine Tätigkeit und seine Erfolge als Theater- und Drehbuchautor.

 

Über die drei Fragezeichen kann man sich auch umfassend auf der Fanseite

www.3fragezeichen.de

informieren. Dort findet man wirklich alles was das Herz begehrt, alle Folgen, alle Cover und ein Forum für intensive Diskussionen unter Fans.

 

 

Fantasyguide: Hallo, stellt euch doch bitte kurz vor. Nicht ausführlich, das kann man interessehalber ja in den umfangreichen Biografien auf euren Webseiten nachlesen, sondern in Kurzfassung! Nicht der Werdegang, sondern die Person an sich. Ihr schreibt Bücher für Kinder – und bei denen sind „Freundebücher“ die absoluten Renner. Also wie im Freundebuch.

 

André Marx:

Name: André Marx

Spitzname: Ich habe mehrere: Onkel André, Doktor Marx, Andreijewitsch oder auch mal Andi (aber das ist engsten Familienmitgliedern vorbehalten!)

Geboren: in einer eisigen Neujahrsnacht im Jahre 1973

Sternzeichen: logischerweise Steinbock, und ich habe alle seine schlechten Eigenschaften.

Wir kennen Euch von: den drei ???, hoffe ich.

Lieblingsbuch / - autor: zu viele, um sie alle aufzuzählen. Aber das beste Buch der Welt ist immer noch „Die unendliche Geschichte“, weil man es immer wieder lesen kann und dabei jedes Mal etwas Neues entdeckt.

Lieblingsfilm / -serie: auch zu viele. Ich beschränke mich mal auf Serien. Momentan bin ich süchtig nach „Battlestar Galactica“ (das Remake!), habe aber auch alle Staffeln von „Dawson’s Creek“ im Regal (autsch!)

Lieblingssänger / -band: Hunderte! Immer wieder gern genommen: Madonna und Kate Bush, diverse Filmmusikkomponisten, die durchgeknallte Elektro-Band Shpongle und auch mal Caterina Valente.

Leibgericht: Ich bin sehr genügsam und esse fast alles, solange ich es nicht selber kochen muss.

Was ich werden wollte / was ich (noch) werden will: in der Vergangenheit, Gegenwart und vermutlich auch Zukunft: ein guter Autor.

Meine guten Eigenschaften, meine Schlechten: Ich bin ungeduldig und ehrgeizig, letzteres kann sowohl eine gute als auch eine schlechte Eigenschaft sein.

Großes Vorbild: habe ich wohl nicht.

Verheiratet und (oder) Kinder: weder noch.

 

Boris Pfeiffer:

Name: Boris Pfeiffer

Spitzname: Donnergo, Bossemosse, El Borissino, Luigi.

Geboren: am 21. Februar 1964.

Sternzeichen: Fische.

Wir kennen Euch von: vielleicht von den „Drei ??? Kids“, „Kira und Buttermilch“, „Dem Wilden Pack“, vielleicht aber auch von einem Theaterstück oder einem Roman.

Lieblingsbuch / - autor: Habe ich nur selten gehabt. Aber drei Bücher aus den letzten Jahren, die ich sehr liebe, kann ich nennen: „Das große Heft“ von Agota Kristof; „Unter Wilden“ von Dirk Wittenborn und „Die Brautleute“ von Alessandro Manzoni. Und dann die Comics „Diabolik“ und „Paperino“ auf Italienisch. Und mein Lieblingskinderbuch ist immer noch: „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“.

Lieblingsfilm / -serie: Gute Filme sind rar gesät. Gute Serien auch. Okay: Die ersten Folgen von „King of Queens“ und „La meglio gioventu“, ein italienischer Wahnsinnsfilm über die letzten Jahrzehnte, der mich eine Nacht wachgehalten und zum Heulen gebracht hat.

Lieblingssänger / -band: Ich war neulich bei Patti Smith in der Zitadelle. Und das war mindestens große Klasse. Als Junge war ich der totale Abba-Fan. Dann kamen Queen. Dann Alan Parsons, Genesis, ELO, Supertramp. Plötzlich waren auch Mozart und Bach dran, und vor kurzem war ich mal auf nem kurzen Tokio Hotel Trip (die waren für mich wie Udo Lindenberg 2007). Im Moment höre ich Brian Wilson und eine extrem gute Compilation: „Island Blues“. Und dabei fällt mir ein, ich muss mir unbedingt Vienna Nights von Joe Zawinul und Country Preacher von Cannonball Adderley besorgen …

Leibgericht: Tagliatelle al Ragout (also Tagliatelle mit mindestens sechs Stunden gekochter Hackfleischsauce), Sauerbraten von meiner Oma oder ihr Hühnerfrikassee, ihre Königsberger Klopse, die Eier in Senfsauce meiner Mutter, Rapunzelsalat, Rindfleisch mit Zwiebeln im Lee Wah in Berlin … auf Italienisch heißt das: Sono una buona forchetta (Ich bin eine gute Gabel = ich esse alles, was mir schmeckt und sehr gerne).

Was ich werden wollte / was ich (noch) werden will: Ich will schreiben und mir Geschichten in der und über die Welt ausdenken. Und ich will dabei so unabhängig sein, dass ich wirklich nur mit den Leuten zusammenarbeite, mit denen ich zusammenarbeiten will.

Meine guten Eigenschaften, meine Schlechten: Beständig. Verlässlich. Phantasievoll. Großzügig. Menschenfreundlich. / Maßlos und nachtragend (aber nicht immer).

Großes Vorbild: Habe ich nicht.

Verheiratet und (oder) Kinder: Ich bin mit Giovanna verheiratet.

 

 

Fantasyguide: Wie seid ihr zum Schreiben gekommen? Was war euer erster Erfolg? Habt ihr auch, wie so viele Autoren, mit Kurzgeschichten angefangen, oder habt ihr auch erst mal viel Porto für Manuskripte an Verlage ausgegeben?

 

André Marx: Mein erster Erfolg war wahrscheinlich eine Lesung in meiner Schulklasse. Ich war krank gewesen, habe aus Langeweile ein paar Geschichten geschrieben und durfte die dann in der Schule vorlesen. Das war in der dritten Klasse. Danach habe ich alles Mögliche geschrieben, Kurzgeschichten, längere Erzählungen und ein paar Romane. Ich bin irre viel Geld für Porto und Kopien losgeworden, aber mit der Veröffentlichung funktioniert hat es dann erst 1997 mit meinem ersten drei ???-Buch.

 

Boris Pfeiffer: In der Schule sollten wir alle ein Instrument lernen, und ich habe stattdessen Gedichte geschrieben. Mein Lehrer hat sie mal als schlechte Beispiele vor der Klasse vorgelesen. Aber ich habe das weitergemacht, sehr lange und viele Gedichte verfasst. Die habe ich auch hier und da vorgelesen oder wir haben Lieder draus gemacht. Mein erster Erfolg war mein ersten Theaterstück: „Unter der Hungerleuchte“. Ich habe kein Porto ausgegeben. Ich habe zuerst auf der Bühne veröffentlicht.

 

Fantasyguide: Boris, in deiner Biografie habe ich gelesen, dass du auch Landschaftsplanung an der TU Berlin studiert hast – wie kam es denn dazu? Das ist ein eigenartiger Punkt in dem ansonsten doch recht geradlinigen Weg zum Autor?

 

Boris Pfeiffer: Ich habe nach dem Abi nicht gewusst, was ich machen will. Ich bin dann in eine Galerie und Buchhandlung reinspaziert, habe den Chef kennen gelernt und am nächsten Tag dort angefangen zu arbeiten. Nach einigen Jahren reichte es damit, und ich wurde Taxifahrer. Und zum Taxifahren gehörte für mich dann auch das Studieren. Und so habe ich mich an der TU in Berlin eingeschrieben. Ich habe dies und das ausprobiert (Landschaftsplanung, Informatik, Psychologie, Linguistik) und bin dann bald am Theater gelandet.

 

Fantasyguide: Wie kam es zu „Das wilde Pack? Wer macht bei einer solchen Zusammenarbeit was? Von wem kommt die Idee, wer schreibt, wer macht die Recherche, das Konzept? Wie läuft das bei "Das wilde Pack" und wie habt ihr überhaupt zusammen gefunden?

 

Boris Pfeiffer: Das ist eine Frage, die uns in letzter Zeit immer wieder gestellt wird. Ich glaube, dass zwei Autoren zusammen ein Buch schreiben, erscheint viel ungewöhnlicher, als es in Wahrheit ist. Ich habe schon früher gelegentlich mit anderen Autoren, wie Felix Huby, zusammen geschrieben, und das auch gut, mit Freude und erfolgreich. Zusammen zu schreiben kann natürlich auch mitunter schwierig sein, weil nicht immer beide genau die gleiche Vision der Geschichte haben, und sich zwei Sichten annähern müssen - aber vor allem ist es eine Freude und ein Genuss, wenn man sich auf die Fähigkeiten des Partners verlassen kann!

André und ich haben uns vor ein paar Jahren auf der Frankfurter Buchmesse kennen gelernt. Am Abend saßen wir mit den Kosmosleuten zusammen, und irgendwann kamen wir darauf, wie es wäre, was zusammen zu machen. Ich warf ein Idee hin - ich glaube es ging um Raumschiffe und sprechende Blumen oder so was - André zeigte mir einen Vogel, wir fingen an, zusammen rumzuspinnen, und das Ganze machte Spaß. Dann riefen Silke Arnold, Martina Zierold und Julia Röhlig, die drei Lektorinnen, es würde ihnen Spaß machen, uns zuzuhören. Dieser Abend war der Anstoß. André und ich, wir leben ja beide in Berlin, fingen an uns zu mailen, trafen uns dann regelmäßig und dachten uns „Das Wilde Pack“ aus.

Das bedeutet nicht, einer macht das Konzept oder recherchiert, und der andere schreibt. Obwohl man auch so arbeiten kann. Aber wir machen beide beides. Und jeder noch mehr. In der Regel arbeiten wir so, dass wir uns treffen, um über den nächsten Band zu sprechen. Da kommen unsere Ideen zusammen, prallen aufeinander, ergänzen sich, ringen miteinander, befruchten sich ... Dann legen wir eine erste Fassung der Geschichte fest, und einer von uns schreibt los. Wir sind jetzt übrigens beim fünften Band, und wir haben schon gewisse Stilmerkmale in den Büchern, auf die wir beide zurückgreifen können und aus denen sich wiederum neues ableitet. Nach diesem ersten Schreiben bekommt der andere den Text. Er liest und überarbeitet ihn, und schreibt ihn dann weiter. Das ist ganz wichtig: Jeder liest und überarbeitet immer noch mal, was der andere geschrieben hat. Auf diese Weise diskutieren wir die Geschichte sehr stark, bewegen sie noch mal, feilen, suchen nach Verbesserungen. Das tut den Büchern gut.

Zuerst dachten wir auch beide, dass jeder von uns immer ein Buch schreiben wird. Aber dann hat es sich eben so ergeben, wie wir es jetzt machen. Inzwischen haben wir unser Wildes-Pack-Café, in dem wir uns treffen, die nächste Geschichte überlegen, die jetzige überarbeiten. Dabei fliegen manchmal ganze Szenen wieder raus, manchmal geht es um einzelne Wörter. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass wir uns grundsätzlich als Autoren und Menschen vertrauen und schätzen, uns aber auch anmachen und auseinandersetzen. Bücher zusammen zu schreiben ist eine Beziehung. Und die pflegen wir.

 

André Marx: Tja, jetzt hat Boris alles schon so schön erzählt, dem kann ich gar nicht viel hinzufügen. Außer vielleicht: Es macht eine Menge Spaß! Ich habe die letzten zehn Jahre im stillen Kämmerlein geschrieben, und das ist nicht immer ganz einfach, weil man ja ständig nur im eigenen Saft schmort. Und wenn man mal mit einer Geschichte nicht weiterkommt, dann kann einem da auch so schnell niemand weiterhelfen, weil ja niemand sonst die Geschichte und die Figuren so gut kennt wie man selbst.

Jetzt mit Boris ist das eine solche Erleichterung! Ich schreibe einfach so lange, wie ich Zeit und Lust und Ideen habe. Und wenn ich dann nach zehn, zwanzig, dreißig Seiten nicht mehr mag, dann gebe ich den Staffelstab einfach ab, und das Buch schreibt sich praktisch wie von selbst weiter, denn - oh Wunder über Wunder! - wenn ich es zurückbekomme, ist es schon wieder zehn, zwanzig, dreißig Seiten länger!

Aber auch ich muss unterstreichen: Extrem wichtig ist gegenseitiges Vertrauen, und man darf auf gar keinen Fall an jeden Satz sein Herz hängen, denn die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass der Satz die nächste Fassung nicht überlebt. Und: reden, reden, reden! Nur so können wir garantieren, dass wir auch wirklich die gleiche Geschichte schreiben wollen und nicht doch jeder seine ganz eigene Vision verfolgt.

Fazit: Es fliegt immer jede Menge wieder raus. Der "Ausschuss", also die Teile, die zwar geschrieben wurden, es aber nicht ins fertige Buch schaffen, ist ziemlich groß. Und trotzdem habe ich den Eindruck, dass wir immer sehr schnell vorankommen.

 

Fantasyguide: Wie viele Bände von „Das wilde Pack“ sind denn geplant? Steht das Konzept denn schon bis zu einem bestimmten Ende oder ist das Ende offen?

 

André Marx: Wir haben die Reihe so konzipiert, dass wir sie nach acht, neun oder zehn Bänden beenden könnten, wenn wir müssten, aber auch zwanzig oder mehr schreiben können, wenn wir dürfen und wollen. Das Ende steht einerseits fest, andererseits ist es aber auch offen. Schwierig zu erklären ... Boris, sag du doch mal was dazu.

 

Boris Pfeiffer: Eigentlich ist das Ende offen. Wir haben zwar eine Idee, wie wir einen letzten Band der Geschichte jetzt sofort schreiben könnten. Aber je mehr Bände wir bis dahin geschrieben haben werden, desto mehr wird sich auch dieser letzte Band ganz bestimmt verändern. Ehrlich gesagt, wir denken im Augenblick nicht so sehr an das Ende, als an die Charaktere und ihre Geschichten.

 

Fantasyguide: In den Bänden von „Das wilde Pack“ sind wunderbare Illustrationen von Sebastian Meyer enthalten. Wie seid ihr an Sebastian gekommen und wie läuft die Zusammenarbeit mit ihm ab? Hat er die Gnade, alle Bücher schon vor dem Erscheinen zu kennen oder gebt ihr ihm Szenen, die ihr gern visualisiert sehen wollt? Kanntet ihr Sebastian Meyer schon länger oder hat man ihn euch seitens des Verlages „zur Verfügung“ gestellt?

 

André Marx: Wir haben gemeinsam mit dem Verlag nach einem Illustrator gesucht und uns Hunderte von Bildern angesehen. Langsam kristallisierte sich eine engere Auswahl heraus. Sebastian Meyer war zum Glück unser aller Favorit, und das noch viel größere Glück war, dass er Lust und Zeit hatte, für „Das Wilde Pack“ zu arbeiten. Wir sind sehr froh darüber und freuen uns jedes Mal, wenn wir neue Bilder von ihm sehen. Er bekommt die Manuskripte sobald sie fertig sind, und sucht sich dann die Szenen, die er illustrieren will, selbst aus. Er muss lediglich schauen, dass sie halbwegs gleichmäßig in der Geschichte verteilt sind.

Boris: Sebastians Bilder sind ein großes Glück für uns und das „Wilde Pack“. Gerade sind einige Bilder für Band drei reingeflattert. Mein Eindruck und mein Gefühl sind, seine Bilder verbinden sich immer mehr und immer freier und schöner mit den Geschichten.

 

Fantasyguide: Meine Tochter kam gerade mit „Kira der Wirbelwind“ aus der Schulbücherei. Dieser kleine Zufall bringt mich auf die nächste Frage: Boris, du hast auch Bücher über Mädchen und Pferde geschrieben, Kira und Buttermilch. Wie ist es dazu gekommen? Das scheinbar reine Mädchenthema Pferde wird doch – was mir als ehemaligem Pferdebücherfan so einfällt – ziemlich ausschließlich von weiblichen Autoren bedient. Tina Caspari, Laura Brooke oder Lisbeth Phanke, um mal ein paar zu nennen, die mir gerade so einfallen. Wie kommt man als Mann zu diesem Segment? Und dann ein Roman über eine schwangere 15-jährige...?

 

Boris Pfeiffer: Ich hatte einige Jahre fürs Fernsehen gearbeitet, Drehbücher und Konzepte geschrieben und war an einem Punkt angekommen, wo ich merkte, ich mache viel zu viel nur noch für Geld und verkaufe, ganz sprichwörtlich, meine Seele. Und ich musste mich entscheiden: will ich so sein? In dem Moment, als ich mich dazu entschloss, einen Strich zu ziehen und mit der Arbeit fürs Fernsehen aufzuhören, kam die Frage von Kosmos, ob ich eine Kinderbuchreihe für sie entwickeln wollte. So kam es zu „Kira und Buttermilch“.

Ich bin damals losgezogen und habe sehr viel recherchiert. Ich war mit einer Hufschmiedin unterwegs, habe ein paar Tage auf einem Pferdehof verbracht und dann das Konzept für die Bücher geschrieben. Und daraus sind dann die acht Bände geworden. Ich habe mich in die Pferdewelt eingelebt.

Die Frage, wie kann ein Mann, noch dazu lebendig und sensibel über ein schwangeres Mädchen schreiben, wird mir oft gestellt. Für mich war es gar nicht so schwer, ich fand das auch nie merkwürdig. Ich weiß noch genau, wie ich eines Nachts aufwachte und die Hauptfigur aus „Baby im Bauch?“, Janna, vor mir hatte, sie richtig klar vor Augen sah. Von da an habe ich von ihr erzählt. Natürlich habe ich für den Roman noch viel recherchiert. Aber das Erzählen kam mir aus dem Inneren, es floss. In meinem nächsten Jugendroman, „One-Night-Stand“, der wieder bei Ravensburger erscheinen wird, wird es übrigens auch mal einen Jungen geben!

 

Fantasyguide: Wie lange braucht man im Schnitt für ein:

- ??? – Buch ?

- Ein Kinderbuch wie Kira und Buttermilch

- Einen „Das wilde Pack“ – Band?

Also von der Idee zur Ausführung und bis es dann in Druck kommt?

 

André Marx: Für einen drei ???-Classic-Band brauche ich zwischen drei Wochen, wenn es sehr, sehr gut läuft, und fünf Monaten, wenn es sehr, sehr schlecht läuft. Dazwischen ist alles schon mal vorgekommen. Einen Band vom „Wilden Pack“ schreiben wir gemeinsam in, ich würde mal sagen, fünf bis zehn Wochen. Da vier Bände im Jahr erscheinen, können wir uns leider keine fünf Monate damit Zeit lassen.

 

Boris Pfeiffer: Für ein „Drei ??? Kids“ Buch brauche ich etwa einen bis anderthalb Monate, wenn ich Recherche und das Nachdenken vorher mit einrechne. Das gleiche gilt für einen Kira Band. Ein Jugendroman dauert mindestens ein dreiviertel Jahr.

 

Fantasyguide: Kommen alle Ideen von euch oder gibt man auch Themen seitens des Verlages vor? Wenn irgendetwas aktuell oder „in“ ist?

 

André Marx: Bei den drei ??? kam es in der Vergangenheit schon mal vor, dass der Verlag fragte: Willst Du nicht mal was mit Computern machen? Oder mit Fußball? Aber ich habe dieses Ansinnen ein paar Mal im Keim erstickt, da es absolut nicht zu meiner Arbeitsweise passt, und inzwischen werde ich auch nicht mehr gefragt. ;-).

 

Boris Pfeiffer: Es sind alles unsere Ideen und wir sind frei.

 

Fantasyguide: Bei den ??? – Bänden bewegt man sich in einem ziemlich engen Korsett, vorgegebene Charaktere, deren Eigenarten nun vollends bekannt sind und nicht, wie es im Rollenspiel heißt, OOC (out of character) handeln dürfen. Geschichten, die an einem bestimmten Ort spielen, einen festgelegten Hintergrund haben. Wie kommt man da noch auf neue Storylines? Bei den drei ??? könnte ich mir vorstellen, dass es nach dieser großen Anzahl von Bänden irre schwierig ist, „neue“ Ansätze zu finden, ohne das man als Leser anfängt zu gähnen „Hat man doch schon alles gehabt“. Wie geht ihr damit um?

 

André Marx: Es stimmt schon: Ich finde es mittlerweile irre schwierig. Es gibt mittlerweile über 130 Bände, ich selbst habe 27 davon geschrieben, und ich muss sehr stark aufpassen, mich nicht selbst zu wiederholen, von Wiederholungen innerhalb der gesamten Reihe ganz zu schweigen. Einen Trick gibt es da nicht, da heißt es jedes Mal aufs Neue: nachdenken, nachdenken, nachdenken! So lange, bis einem doch noch was Neues einfällt. Und wenn das nicht der Fall ist, muss ich überlegen, ob ich vielleicht eine Geschichte, die es so ähnlich schon mal gab, nicht vielleicht ganz neu erzählen kann. Und dann stelle ich immer wieder fest: Es geht. Es gibt noch neue Ideen und Herangehensweisen. Man muss nur lange genug suchen. Und jedes Mal ein kleines bisschen länger ...

 

Boris Pfeiffer: Ich sammle meine Geschichten rund um die Uhr. Noch fliegen sie mir zu. Ich habe bisher zehn „Drei ??? Kids“ geschrieben und noch einiges in Petto.

 

Fantasyguide: Als „Altleser“ der ??? finde ich, dass die neuen Bände mehr auf Action ausgelegt sind als früher, als vor allem Köpfchen und Recherche gefragt waren. Hat sich das einfach so entwickelt, oder hat man sich da einfach ein bisschen dem Zeitgeist angepasst?

 

André Marx: Ich finde, die Reihe hat inzwischen eine größere Bandbreite als früher. Die ersten Bände waren vor allem auf Rätsel und Mystery aufgebaut. Hätte man sich darauf beschränkt, hätte man niemals 130 Bücher damit füllen können. Früher oder später musste sich der drei ???-Kosmos also vergrößern. Es kamen also actionbetonte Geschichten dazu oder reine Krimis, die ohne Mystery auskamen. Die beliebten „altmodischen“ Geschichten gibt es aber immer noch, nur eben nicht mehr ausschließlich. Mit Zeitgeist hat das nur selten etwas zu tun. Es war einfach wichtig, den Rahmen, innerhalb dem man Geschichten erzählen will, zu vergrößern, sonst hätte sich die Reihe irgendwann totgelaufen.

 

Boris Pfeiffer: In den dünneren und für ein jüngeres Publikum bestimmten Kids Bänden gilt es von vornherein, die Figuren überschaubar zu halten und sie auch rasant genug zu gestalten. Das ist durchaus auch eine Einschränkung, weil ich den Fall und seine Aufklärung eher knapp erzählen muss und keine großen Nebenwege anlegen kann. Aber das ist schon die Sicht eines Älteren. Die jüngeren Leser bemängeln das nicht! Das machen nur die älteren, die denken, ah, da ist zu einfach.

Und auf der andern Seite muss ich sagen, schränkt das auch meine grundsätzliche Phantasie überhaupt nicht ein. Ich schreibe natürlich für meine jüngeren Leserinnen und Leser. Wenn die mit dem Fall mitgehen, wenn sie mit den Figuren Freude und Spannung und insgesamt Liebe zum Buch empfinden und es gerne lesen - dann ist das Buch gelungen. Neulich hat mir ein Junge geschrieben: für dieses Buch von Dir sind die Worte „Witz, Spannung und Action erfunden worden“, er hat eindeutig was davon gehabt.

Auf alle Fälle steht auch bei den „Drei ??? Kids“ die Freude am Spiel, am Detektivischen, am geheimnisvollen Entdecken von Möglichkeiten vor der puren Realität. Das Urbild des Rätsels ist, denke ich, entscheidend. Und die soll auch genug Action haben.

 

Fantasyguide: Vor kurzem hatte ich ein Exemplar der neuen Auflage der alten Bücher (Black Edition, drei Bücher im Schuber) in Händen und war etwas erstaunt, dass das Markenzeichen „Alfred Hitchcock präsentiert“ nicht mehr da ist und die Person des Krimi-Altmeisters gegen einen „Albert Hitfield“ ausgetauscht wurde. Wisst ihr, warum? Oder ist das ein Verlagsgeheimnis? In den neuen Büchern ist er überhaupt nicht mehr vertreten.

 

André Marx: Der langjährige Lizenzvertrag, der mit Alfred Hitchcock, bzw. seinen Erben bestand, lief aus und wurde nicht erneuert. Es war ja ohnehin etwas schwierig, die Reihe unter diesem Namen laufen zu lassen, schließlich ist Hitchcock seit einem Vierteljahrhundert tot. Also verzichtet man seit einigen Jahren auf Hitchcock, was aber auch dazu führte, dass die Figur Hitchcock, die in den ganz alten Bänden auftaucht, in den Neuauflagen ersetzt werden musste. Das ist wirklich schade. Dass Hitchcock auf dem Cover fehlt, finde ich allerdings nicht schlimm. In den Geschichten taucht er ja eh schon seit über hundert Bänden nicht mehr auf.

 

Fantasyguide: Boris, André, ich danke Euch für die ausführlichen Antworten und dass ihr euch die Zeit für das Interview genommen habt.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202403291246236e88dc94
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Erstellt: 29.09.2007, zuletzt aktualisiert: 16.10.2023 21:13, 4991