Fantasyguide: Servus, Jeremy! Herzlichen Dank, dass Du Dir die Zeit genommen hast. Zuallererst möchte ich Dir meinen Glückwünsch aussprechen. »Nemesis« (OT: Project Nemesis) ist ein großartiger Roman – und Deine ganz persönliche Liebesbekundung an die sogenannten Kaiju-Filme, richtig?
Jeremy Robinson: Ja! Als Kind bin ich mit dem samstäglichen Konsumieren von Godzilla- und Gamera-Filmen (sowie jeder Menge anderer Filme und Cartoons) praktisch groß geworden; die haben sich gewissermaßen in mein Unterbewusstsein eingepflanzt. Zwar dauerte es ein Weilchen, bis ich begriff, dass ich als Schriftsteller ebensolche Geschichten erzählen kann, aber als mir schließlich die Erleuchtung kam, gab's kein Halten mehr.
Fantasyguide: Sieht so für Dich die ›ultimative Kaiju-Erfahrung‹ aus?
Jeremy Robinson: Absolut. »Godzilla« wurde in jungen Jahren Teil meiner Weltanschauung, obgleich er stets praktisch am anderen Ende der Welt agierte. Als Dreikäsehoch mag ich aus dem Fenster geschaut und mir vorgestellt haben, wie »Godzilla« meine Heimatstadt platt macht, dennoch war er dank der Filme stets unerreichbar weit weg. Also erschuf ich in »Nemesis« mein eigenes Kaiju und ließ es die Gegend rings um und meinen Wohnort zerstampfen, der ja außerdem die Basis der in »Nemesis« vorkommenden Abteilung der Homeland Security beheimatet.
Fantasyguide: Der – absolut gerechtfertigte – Untertitel auf Deiner Website lautet King of the Monsters – König der Monster' Was ist dran an riesigen, überwiegend bösartigen und menschenfressenden Ungetümen?
Jeremy Robinson: Ich finde, dass sie unsere echte Welt besser darstellen als tatsächliche, durchaus reale Angstvorstellungen. So ist »Godzilla« beispielsweise eine Metapher für die Nuklearbombe und weil die dazugehörigen Filme dem japanischen Volk geholfen haben, diese Furcht und den Schrecken zu verarbeiten, wurde er dort auch so populär. Dafür sind, meiner Meinung nach, Monster geschaffen worden – sowohl die modernen wie die altertümlichen. Auch wenn sie grausam und Furcht erregend sein mögen, helfen sie uns doch dabei, unsere Ängste zu verstehen und zu begreifen; ganz gleich ob es sich dabei um Terrorismus, die Übergriffe Russlands oder Donald Trumps Frisur handelt.
Fantasyguide: Neben Deinen Monster- und Kaiju-Romanen behandelst Du auch gerne andere Themen, etwa Sagengestalten, Atlantis, außerirdisches Leben und selbst die Post-Apokalypse. Auch wenn die Frage ein alter Hut ist, aber – woher beziehst du Deine Inspirationen?
Jeremy Robinson: Auch wenn’s komisch rüber kommen mag, aber dieses ganze Zeug geistert mir schon seit meiner Kindheit durch den Kopf. Ich war schon immer stark interessiert an allem was unwirklich war, an den Monstern und Mythen dieser Welt. Falls ich nicht gerade irgendwelche Science-Fiction-, Horror- oder Fantasyfilme glotzte, dann las ich über Dinge wie Loch Ness, Big Foot und Ufo-Sichtungen. Solche Themen haben mich stets magisch angezogen und jetzt, da ich Geschichten darüber schreibe, werde ich zwar dafür bezahlt, bin aber im Innern noch immer der Junge von damals.
Fantasyguide: Der Ullstein-Verlag hat, so weit mit bekannt ist, zwei Deiner Delta-Team-Romane veröffentlicht (die übrigens spitze sind). Besteht die Hoffnung, in nächster Zukunft auch die übrigen Teile auf Deutsch lesen zu dürfen? Und wie steht’s mit dem Festa-Verlag? »Nemesis« ist der Auftakt einer Serie. Werden die Fortsetzungen auch dort erscheinen?
Jeremy Robinson: So weit mir bekannt ist, fanden bei Ullstein während der Veröffentlichung meiner ersten drei »Delta Team«-Romane personelle Veränderungen statt und der neue Abteilungsleiter wollte die Serie nicht fortführen. Sollte man mir dennoch ein neues Angebot unterbreiten, würde ich bestimmt nicht nein sagen. Was Festa anbelangt: dort hat man einen Super-Job gemacht und ich würde wirklich sehr gerne das Verhältnis fortführen, habe aber bislang nichts Neues gehört. Wie sich das Buch verkauft, kann ich nicht sagen. Aber wie im Falle von Ullstein: käme eine neue Offerte, wäre ich an Bord.
Fantasyguide: Nochmal »Nemesis«: Ich kann mir nicht helfen. Dein narrativer Aufbau war grandios und erinnerte mich stellenweise an einen Klassiker des Monster-Films, Der Weiße Hai. Auch wenn ihm gezwungenermaßen keine Wahl blieb, weil sein Hai nicht funktionierte, ging Spielberg dazumal ganz ähnlich vor, indem er sich Zeit ließ, bis er sein Ungetüm zum ersten Mal in ganzer Pracht dem Kinopublikum präsentierte. Kann es sein, dass Dich »Der Weiße Hai« zum Teil während des Schreibprozesses von »Nemesis« (mit-)beeinflusst hat?
Jeremy Robinson: Du bist der allererste dem dies aufgefallen ist; ganz schön scharfsinnig. Jaws (OT von »Der Weiße Hai«) hatte mit den größten Einfluss auf meine Art, Geschichten zu erzählen. Seit Kindheitstagen schaue ich mir den Streifen mindestens einmal pro Jahr an. Das ist ein wahrhaft perfekter Film – und ähnelt einem zweiten massiven Einfluss, nämlich Alien – Das unheimliche Wesen aus einer fremden Welt von Ridley Scott. Die Art und Weise, wie beide Filme auf das jeweilige Ungetüm neugierig machen, die kleinen Stückchen und Häppchen bis zur großen Offenbarung, das baut in der Tat Spannung auf. Es stimmt also: »Der Weiße Hai« hatte einen tiefgreifenden Einfluss auf meine komplette Erzählweise.
Fantasyguide: Da viele Deiner Bücher gewaltige Ausmaße haben und sich geradezu cineastisch anfühlen – welche Filmgattungen bevorzugst Du? Wer sind deine Lieblingsregisseure? Was hältst du von dem gegenwärtigen Kaiju-Boom, unter anderem los getreten von Filmen wie etwa dem »Godzilla«-Reboot und Guillermo del Toros Pacific Rim – von diversen Romanen, Deinen eingeschlossen, ganz zu schweigen.
Jeremy Robinson: Vor meiner Karriere als Schriftsteller bin ich Drehbuchautor gewesen. Schreibe ich ein neues Buch, dann stelle ich es mir als Film vor, was man, wie ich finde, im Tempo und dem visuellen Stil, die ich verwende, erkennen kann. Meine Lieblingsregisseure sind der frühe Steven Spielberg (»Der Weiße Hai«, Unheimliche Begegnung der dritten Art, E.T.), der frühe James Cameron (Aliens – Die Rückkehr) und der frühe M. Night Shyamalan (Unbreakable, Signs). Aktuell mag ich Regisseure wie J. J. Abrams, del Toro und Ridley Scott. Was den angesprochenen Kaiju-Boom betrifft, so hoffe ich, dass dies erst der Anfang ist (aus offensichtlichen Gründen). »Nemesis« würde einen fantastischen Film abgeben, doch darüber hinaus werden 2016 noch weitere Kaiju-Romane erscheinen.
Fantasyguide: Zurück zum geschriebenen Wort: Wer sind Deine Lieblingsautoren? Was liest bzw. was schreibst du am vorzugsweise? Wie, Deiner Meinung nach, sollte ein perfekter Action-Thriller-Roman aufgebaut sein?
Jeremy Robinson: Knifflige Sache, das mit den Lieblingsautoren. Vergangenes Jahr etwa habe ich überwiegend Indie-Autoren gelesen, deren Namen mir entfallen sind. Darum beantworte ich die Frage schlicht mit ›Indie-Autoren‹. Deren Geschichten sind einfach wesentlich unkonventioneller und phantasievoller. Zugegeben, es gibt bedeutend mehr miese Bücher, durch die man sich quälen muss. Jedenfalls sind für mich gute Indie-Bücher frischer Wind. Was die Action-Thriller anbelangt: ich denke, die müssen im Fluss sein. Leicht zu lesen, ohne sich dabei mit ellenlangen Beschreibungen aufzuhalten. Jeder Satz sollte nach Möglichkeit Kraft besitzen. Kapitel sollten mit Cliffhangern aufwarten. Die Handlung hat schlagkräftig und originell zu sein. Wenn diese Ingredienzien nicht vorhanden sind, dann klappe ich das Buch zusammen und falls ich beim Schreiben nicht ebendiese Elemente verwende, dann langweilt mich mein eigenes Buch und ich höre auf, daran zu arbeiten.
Fantasyguide: Wie konstruierst Du ein neues Buch?
Jeremy Robinson: Früher habe ich mich hingesetzt und einen Entwurf verfasst, der bis zum Ende alles beinhaltete. In jüngster Zeit verwende ich lediglich eine grobe Skizzierung der Handlung, ergänze sie durch mehrere Charaktere, die mir wichtig sind und lege dann los. Dadurch wächst und gedeiht der Roman während des Schreibprozesses und gelegentlich kommt dabei ein Ende raus, das selbst mich aus den Latschen kippen lässt. Diese Herangehensweise mag schwieriger sein, ergibt aber nicht selten eine wesentlich überraschendere Geschichte.
Fantasyguide: Deine Produktivität ist unglaublich beeindruckend. Ich habe gelesen, dass Du pro Jahr etwa fünf neue Romane veröffentlichst. Wie kriegst du das hin?
Jeremy Robinson: Genau genommen sind es sogar sechs Bücher pro Jahr und, wenn man die Projekte mit Co-Autoren hinzu nimmt, nochmals vier weitere. Es gab Jahre, in denen ich sogar vierzehn Bücher und mehr publiziert habe. Für 2016 sind neun neue Veröffentlichungen geplant, allerdings kann sich die Zahl durchaus kurzfristig ändern. Wie ich das hinkriege? Indem ich 2000-4000 Worte pro Tag schreibe (mit Pausen zwischen den einzelnen Projekten). Kriegt man das hin, dann ist ein Roman in ungefähr einem Monat vollendet. Es gab sogar Bücher, die ich in kürzerer Zeit verfasst habe. Zudem schreibe ich sehr solide Erstfassungen. Das Gros meiner Werke benötigt keine großartigen Überarbeitungen. Das ist natürlich auch ziemlich von Vorteil.
Fantasyguide: Zu guter Letzt: Was steht als nächstes für Jeremy Robinson an? Was sind Deine nächsten, zweifelsohne großen Projekte? Können wir eines Tages womöglich mit einer Filmadaption rechnen?
Jeremy Robinson: Erst kürzlich habe ich einen meiner wohl monumentalsten Romane, Apocalypse Machine abgeschlossen. Dabei handelt es sich um eine weitere Kaiju-Geschichte und beinhaltet das wohl bislang gewaltigste Kaiju, das einem je in der Erzählliteratur untergekommen ist. Im Frühjahr 2015 dürfte es erhältlich sein. Davor wird Feast erscheinen, der Nachfolger von meinem Roman Hunger (den ich unter meinem Pseudonym Jeremiah Knight verfasst habe), der achte Roman um das »Delta-Team« und außerdem Project Legion, der fünfte Teil der »Nemesis«-Saga, der außerdem mit sehr vielen Querverbindungen zu vielen meiner anderen Werke aufwarten kann.
Der Regisseur Jabbar Raisani versucht gerade, die Rechte für die »Delta-Team«-Romane zu bekommen. Noch gibt es kein grünes Licht, was die Produktion anbelangt, aber ich bin informiert, dass sie alles dransetzen, es geschehen zu lassen. Was die anderen Romane betrifft, da scheint der Fokus samt und sonders auf »Nemesis« zu liegen. Zusätzlich gibt es ja mittlerweile eine Comicbuchreihe, ein Videospiel und zu guter Letzt den fünften Roman; verständlich, dass die Fans auf einen Film hoffen. Tue ich ja auch!
Fantasyguide: Vielen herzlichen Dank, dass Du dir die Zeit genommen hast, Jeremy. Außerdem alles Gute, einschließlich nie enden wollender Inspirationen! Bis zum nächsten Mal!
Jeremy Robinson: Danke schön! Und wer mehr über meine Bücher erfahren will und auf dem Laufenden mit den Romanen, den Comics sowie den Videospielen und möglichen Verfilmungen bleiben möchte, darf gerne die Seite bewareofmonsters.com besuchen und sich für den Newsletter anmelden!