Interview: Magazin "ALIEN CONTACT"
 
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Interview - Magazin "ALIEN CONTACT"

Redakteur: Michael Schmidt

 

ALIEN CONTACT erscheint als eZine in Internet-Ausgaben. Erzählungen, Interviews, Essays und Kolumnen. Einmal im Jahr erscheint ein Jahrbuch, das alle längeren Beiträge versammelt und erscheint im Shayol-Verlag.

Der Shayol-Verlag wurde von Medienprofis gegründet, um in einer Zeit, in der es die Meinungsmacher in Wirtschaft & Politik nicht einmal mehr für nötig erachten, wenigstens so zu tun, als wäre ihnen Kultur auch nur ein Lippenbekenntnis wert, Inhalte zu transportieren - »tapfer wie ein gallisches Dorf und mit professionellem Anspruch.« (SÄCHSISCHE ZEITUNG). Neben dem mehrfach preisgekrönten Science-Fiction-Magazin ALIEN CONTACT erscheinen bei Shayol Sekundär-Bücher, die Werkausgaben von Erik Simon und Angela & Karlheinz Steinmüller sowie Sammelbände und Romane deutscher und internationaler Autoren. Shayol-Bücher wurden mehrfach mit dem Kurd Laßwitz Preis, dem Deutschen Phantastik Preis und dem Deutschen Science Fiction Preis ausgezeichnet.

 

 

ALIEN CONTACT, ein Magazin mit Geschichte und ein wichtiger Anlaufpunkt in der deutschen Science Fiction Szene. Wir haben Hardy Kettlitz und Ronald Hoppe einige Fragen zu ALIEN CONTACT, dem Shayol-Verlag und der deutschen Science Fiction Szene gestellt.

 

Fantasyguide: Hallo ALIEN CONTACT. Wer steckt hinter ALIEN CONTACT? Stellt euch doch mal den Lesern des Fantasyguide kurz vor.

 

ALIEN CONTACT: Derzeit besteht die Redaktion aus sieben Mitgliedern. Hardy Kettlitz ist Chefredakteur, wählt gemeinsam mit anderen Redaktionsmitgliedern die Texte aus und macht das Layout der Print- und PDF-Ausgaben; Hannes Riffel und Bernhard Kempen besorgen das Lektorat, kümmern sich um die ausländischen Autoren und die Übersetzungen; Ronald Hoppe ist unser »Chef vom Dienst« und baut die Homepage; Siegfried Breuer ist zuständig für die Rezensionsrubrik »Phantastik aus Deutschland« und sammelt fleißig Zitate zur SF-Literatur; Gerd Frey betreut die Rubrik »SF Interaktiv« und sorgt für die Innenillustrationen; Arno Behrend bespricht alle wichtigen SF-Filme. Außerdem werden wir von vielen anderen »Außenmitarbeitern« seit Jahren tatkräftig unterstützt. Uwe Schlegel zum Beispiel liest seit fast zehn Jahren alle Ausgaben Korrektur, Hans-Peter Neumann steuert seine exzellenten Bibliographien bei, Jakob Schmidt übersetzt einige der Rubriken und schreibt Essays. Hinzu kommt ein Stamm von rund einem Dutzend Autoren, die regelmäßig Texte beisteuern, Bücher rezensieren usw.

 

 

Fantasyguide: ALIEN CONTACT war laut meinen Informationen eine Zeitschrift, die in der ehemaligen DDR in hoher Auflage erschien. Jetzt ist es ein Onlinezine plus ein jährlicher Sammelband, der im Shayol Verlag erscheint. Erzählt doch mal dem geneigten Leser die Geschichte von ALIEN CONTACT.

 

ALIEN CONTACT: Krischan Schoeninger und Hardy Kettlitz kennen sich seit ca. 1983 durch den Astronomischen Jugendclub der Archenhold-Sternwarte Berlin. Beide waren SF-Fans und hatten den Plan: Man müsste einen Club gründen (SF-Club ANDYMON ab 1985) und eine Zeitschrift herausbringen. Zunächst war es das einzige offiziell offset-gedruckte Fanzine in der DDR mit Namen TRANSFER. Als es nach der Wende möglich war, eine Firma zu gründen, legten wir los und starteten im Frühjahr 1990 die erste Ausgabe von ALIEN CONTACT. Mitarbeiter waren damals Krischan Schoeninger, Hardy Kettlitz, Gerd Frey, Ralf Lorenz, Hans-Peter und Berit Neumann und Siegfried Breuer, also alles Mitglieder des Ostberliner SF-Clubs ANDYMON. ALIEN CONTACT hatte damals eine Auflage von 40.000 Exemplaren und war an allen Kiosken in der DDR zu haben. Als jedoch der landesweite Zeitungsvertrieb zusammenbrach, schien 1991 nach acht Ausgaben das Ende für AC gekommen zu sein. Aber wir machten trotzdem weiter, anfangs mit finanzieller Unterstützung eines Sponsors aus dem Fandom, wenn auch mit viel geringerer Auflage und hauptsächlich im Abo-Vertrieb. Bis Ende 2001 erschienen insgesamt 42 Heftausgaben mit Kurzgeschichten, Essays, Rezensionen und vielem mehr. Wir haben dann jedoch festgestellt, dass uns ein Internetmagazin viel mehr Möglichkeiten bietet: Zum einen können wir mehr Texte bringen, als das früher in einem gedruckten Heft möglich war, zum anderen erreichen wir nun deutlich mehr Leser als früher. Nicht zu vergessen, dass man im Internet Texte miteinander verlinken kann. Früher gab es vier Hefte pro Jahr, jetzt erscheinen die Online-Ausgaben deutlich häufiger, wobei sie meist den Textumfang eines früheren Heftes haben, manchmal sogar mehr. Und für diejenigen Leser, die keinen Internet-Anschluss haben oder die Texte lieber auf Papier lesen, gibt es das ALIEN CONTACT JAHRBUCH.

 

 

Fantasyguide: Neben ALIEN CONTACT gibt es den Shayol Verlag und eurer Buchprogramm. Sind das zwei getrennte paar Schuhe oder gehört das irgendwie zusammen?

 

ALIEN CONTACT: Schon lange bevor es den Shayol Verlag gab, existierte die ALIEN CONTACT-Buchreihe, beginnend mit der Anthologie »Das Herz des Sonnenausgangs« (1996). Sehr erfolgreich war zum Beispiel Michael Szameits Roman »Copyworld« (1997) oder Michael Marraks Erzählungsband »Die Stille nach dem Ton« (1998). Da wir aber die Absicht hatten, viel mehr und auch ganz andere Bücher zu publizieren, musste ein neuer Verlag her, wobei jeder der vier Gründer (Ronald Hoppe, Bernhard Kempen, Hardy Kettlitz und Hannes Riffel) zunächst seine eigenen Projekte hatte. Kurz darauf stieß auch Hans-Peter Neumann dazu. Es gibt natürlich die ALIEN CONTACT JAHRBÜCHER und die Reihe »ALIEN CONTACT Buch bei Shayol«, wobei die drei bisher erschienenen Titel (»Lord Gamma« von Michael Marrak, »Die letzte Fahrt der Enora Time« von Andreas Gruber und »Dunkle Sonne« von Gerd Frey) bisher alle einen der SF-Literaturpreise erhalten haben. Darüber hinaus haben die anderen Projekte nichts mit ALIEN CONTACT zu tun. Es sind inzwischen schon zu viele Titel, um sie alle einzeln zu erwähnen (über 30). Es erscheinen zum Beispiel mehrbändige Werkausgaben von Erik Simon und von Angela & Karlheinz Steinmüller, eine zweibändige Best-Of-Ausgabe von Theodore Sturgeon und »Das Automatenzeitalter« von Ri Tokko als Klassiker des Genres. Interessanterweise ist die Sekundärliteratur sehr gefragt, so zum Beispiel eine Reihe von Bibliographien von Hans-Peter Neumann oder die Reihe »SF Personality« von Hardy Kettlitz (zuletzt mit Ausgaben über Edmond Hamilton, Lloyd Biggle und A. E. van Vogt).

Um den ganzen Projekten einen rechtlichen Rahmen zu geben, haben wir gerade den »Shayol.net e.V.« gegründet, der in Zukunft Träger des Shayol-Verlags, des Magazins ALIEN CONTACT und der Internetplattform epilog.de sein wird. Die Rechtsform des Vereins wurde dabei bewusst gewählt, da wir auch weiterhin nicht gewinnorientiert arbeiten wollen, sondern auch in Zukunft allein die Qualität ausschlaggebend sein soll. Falls irgendwann doch einmal Überschüsse entstehen, werden diese in die Autorenförderung gesteckt.

 

 

Fantasyguide: Ihr gehört zur so genannten Berliner Gruppe des SF-Fandoms. Was heißt das?

 

ALIEN CONTACT: Wie vorhin schon erwähnt, waren alle Gründungsmitglieder von ALIEN CONTACT auch Mitglieder des Ostberliner SF-Clubs ANDYMON. In Westberlin gab und gibt es den Stammtisch des Science Fiction Clubs Berlin. Nach der Wende sind beide Clubs personell völlig schmerzlos zusammengewachsen, auch wenn bis heute beide Treffen getrennt stattfinden. Das heißt, viele Berliner SF-Freunde sind Mitglieder in beiden Clubs und besuchen beide Treffen. Für uns hat das den praktischen Vorteil, dass wir uns zweimal im Monat sehen und Projekte absprechen können.

Dann kommt hinzu, dass wir nicht nur unsere Wurzeln in der Berliner Gruppe haben, sondern von dieser auch tatkräftig unterstützt werden. Der dritte wichtige Anlaufpunkt in Berlin neben den beiden Clubs ist die UFO Buchhandlung, durch die immer wieder Interessenten zu uns finden, die uns unterstützen. Darüber hinaus gibt es Gemeinschaftsproduktionen mit anderen Berliner Verlegern, so z.B. mit Boris Kochs Verlagsprojekt »Medusenblut«.

 

 

Fantasyguide: Hardy Kettlitz und ALIEN CONTACT ist Kurd-Laßwitz-Preisträger 2002. Fluch oder Segen bzw. besondere Verpflichtung? Und wie ist Eure besondere Verbindung zum KLP?

 

ALIEN CONTACT: Nicht nur Hardy Kettlitz ist Kurd-Laßwitz-Preisträger (Sonderpreis, 2002), sondern auch Bernhard Kempen (Bester Übersetzer, 2000), Hans-Peter Neumann (Sonderpreis, 2003) und Hannes Riffel (Bester Übersetzer, 2004). Das ist sowohl Bestätigung für gute Arbeit als auch Ansporn für die Zukunft. Die Verbindung zum KLP basiert vor allem auf der gemeinsamen Nutzung der Internetplattform epilog.de.

 

 

Fantasyguide: AC ist ja überwiegend als SF-Zine bekannt. In wie weit gilt euer Interesse den anderen Spielarten der Phantastik?

 

ALIEN CONTACT: Wir unterscheiden nicht zwischen Science Fiction und anderer Phantastik. So erscheinen in AC genauso Horror- oder Fantasy-Storys. Unsere neue Kolumne »Die Tore zum Paradies« von Jeff Gardiner widmet sich zum Beispiel ausschließlich den unterschiedlichen Spielarten der Fantasy. Dass jedoch Science-Fiction-Themen überwiegen, liegt zum einen an den Vorlieben der Redakteure, zum anderen aber auch daran, dass wir im Laufe der vergangenen Jahre festgestellt haben, dass sich unsere Leser mehr für Science Fiction interessieren als für andere Spielarten der Phantastik.

 

 

Fantasyguide: Die Verlagswelt lebt von Veränderungen. Sind bezüglich AC irgendwelche Veränderungen geplant? Wie sieht es mit dem Mitarbeiterstamm aus. Habt ihr ein festes Team an Mitarbeitern oder wechselt das je nach Thema?

 

ALIEN CONTACT: Wie schon erzählt, haben wir ein festes Mitarbeiterteam. Aber es gibt mehr Projekte, als wir allein realisieren könnten, und so sind wir ständig auf der Suche nach kompetenten Mitarbeitern, die uns helfen wollen. Das gilt sowohl für Autoren, als auch für Lektoren und Übersetzer. Leider gibt es zu wenige SF-Kenner, die entsprechende Erfahrung und Kompetenz mitbringen und nicht schon mit eigenen Projekten zugange sind.

Veränderungen sind zunächst nicht geplant, aber wie überall im Leben, ergeben sie sich oft von selbst.

 

 

Fantasyguide: Welche Zielsetzung verfolgt ihr mit AC? Habt ihr einen bestimmten Anspruch?

 

ALIEN CONTACT: Unsere Zielsetzung lässt sich nur sehr schwer mit einem Satz umreißen. Wir sind kein Magazin für neue Nachrichten aus den Genre, stattdessen ist uns wichtig, längerfristige Entwicklungen zu beobachten und darüber zu berichten und interessante Texte zu entdecken. Wir nehmen die Science Fiction als Literaturgattung ernst und versuchen, die Besonderheiten und Thematiken des Genres herauszuarbeiten. Das ist sicherlich auch mit ein Grund, warum wir über lange Buch-Serien und –Zyklen und das Mediafandom (wie Star Trek, Star Wars oder Perry Rhodan) verhältnismäßig wenig berichten.

Ein ganz besonderer Schwerpunkt in ALIEN CONTACT ist die Geschichte der Science Fiction. Mit Erschrecken mussten wir feststellen, dass gerade die jüngeren SF-Leser sehr wenig über die Literatur vergangener Jahrzehnte wissen. Woher auch? Es gibt in Deutschland viel zu wenig Sekundärliteratur, und bei dem schnelllebigen Buchmarkt heutzutage sind viele Autoren bereits vergessen, wenn ihre Bücher nicht mehr lieferbar sind. Daher haben wir mehrer Rubriken, die sich mit der Vergangenheit des Genres beschäftigen, wie zum Beispiele »Science Fiction History«, »Hugo Award« und »Interpretationen klassischer Science Fiction«. Ein Buch über die SF des 20. Jahrhunderts ist in Vorbereitung.

 

 

Fantasyguide: Euer erster Jahresband und der zweite unterscheiden sich dadurch, das ihr die Rezensionen herausgenommen habt und in das »Shayol Jahrbuch« integriert habt. Das Erscheinen des »Shayol Jahrbuches« ist überfällig. Gibt es da etwas Neues?

 

ALIEN CONTACT: Wenn dieses Interview erscheint, dürfte das »Shayol Jahrbuch« bereits vorliegen. Da es die erste Ausgabe ist, gab es zunächst leider ein paar Verzögerungen in der Konzeption und Ausführung. Und – kaum zu glauben – es gab tatsächlich zu viele Texte. Das Konzept des »Shayol Jahrbuchs« ist es, über die konkreten Ereignisse des vergangenen Jahres zu berichten. Das reicht von Überblicksartikeln zu bestimmten Marktsegmenten bis zu einer kompletten Bibliographie aller erschienenen Titel. Daher war es nur sinnvoll, die AC-Rezensionen ins »Shayol Jahrbuch« zu übernehmen. Das ALIEN CONTACT JAHRBUCH hingegen verstehen wir eher als Lesebuch mit Erzählungen, Interviews, längeren Essay und festen Rubriken wie John Clutes »Gefährlich ehrlich«.

 

 

Fantasyguide: »Lord Gamma« ist zuerst im Shayol Verlag erschienen, bevor das Buch zu Bastei Lübbe wechselte. Habt ihr noch weitere Romane mit ähnlichem Potenzial in der Pipeline? Und wie positioniert ihr euch im Verhältnis zu den großen Publikumsverlagen?

 

ALIEN CONTACT: Ja, wir haben noch weitere Projekte mit ähnlichem Potenzial, aber über ungelegte Eier wollen wir noch nicht reden. Übrigens ist vor ein paar Jahren etwas ähnliches passiert wie mit »Lord Gamma«. Wir haben 1997 den Roman »Copyworld« von Michael Szameit in einer limitierten Hardcoverausgabe herausgebracht. Als Szameit dann für den Laßwitz- und den Deutschen Science Fiction Preis nominiert wurde, erschien schließlich eine Paperbackausgabe beim Verlag Das Neue Berlin.

Andererseits sehen wir uns nicht als Entwicklungsagentur für die großen Verlage. Wir suchen nicht gezielt nach Büchern, die später irgendwo anders zum großen Publikumserfolg werden. Die großen Verlage sind leider meist keine Verlage mehr, sondern Buchfabriken. Da kommt es auf Umsatz- und Verkaufszahlen an, nicht auf Qualität der Bücher oder Autorenpflege, ähnlich wie beim Privatfernsehen, wo nur die Einschaltquote zählt.

Wir sind zum Glück in der Lage, genau die Bücher zu machen, die wir für wichtig halten und die außer uns vermutlich niemand machen würde. Durch die vielen Projekte, die wir in den letzten zehn Jahren gemacht haben, haben wir bei einer Reihe von Lesern einen recht guten Ruf, so dass mancher auch zu einem Shayol- oder AC-Buch greift, wenn er den Autor vielleicht noch nicht kennt.

Welcher große Publikumsverlag würde schon eine über tausendseitige Bibliographie oder eine Werkausgabe mit Erzählungen herausbringen?

 

 

Fantasyguide: Ihr hab ja Autoren in eurem Programm, die aus der ehemaligen DDR stammen, aber genauso Schriftsteller aus der alten Bundesrepublik oder die SF-Personality-Bände amerikanischer Autoren. Ist diese – zum Teil – künstlich aufrecht erhaltene Trennung in Ost/West Geschichte Absicht oder wird es noch eine halbe Generation dauern, bis es ein Gesamtdeutschland gibt und damit auch eine gesamtdeutsche SF?

 

ALIEN CONTACT: Wir haben in diesem Zusammenhang ausschließlich gute Erfahrungen gemacht. Bei vielen unserer Autoren wissen wir nicht einmal, ob sie aus dem Westen oder Osten stammen, und es ist uns eigentlich egal. Auch bei den Lesern können wir keinen Unterschied wahrnehmen. Als es noch das gedruckte AC-Heft gab, wohnten 52 % unserer Abonnenten im Osten, 47 % im Westen und 1 % im Ausland. Wenn man bedenkt, dass ALIEN CONTACT ursprünglich nur im Osten vertrieben wurde, ist das ein nahezu ausgeglichenes Verhältnis.

 

 

Fantasyguide: Ihr seid ja Profis in der Szene. Wie würdet ihr die deutsche SF-Szene charakterisieren?

 

ALIEN CONTACT: Die Szene ist leider träge geworden. Dass kaum noch Conventions stattfinden, liegt allerdings weniger an den Veranstaltern, sondern vielmehr an den fehlenden Besuchern. Durch Internet, DVDs, das Fernsehen und andere Medien ist das SF-Angebot anscheinend so groß geworden, dass die Literatur nur noch eine untergeordnete Rolle spielt.

Es wird von SF-Lesern allgemein beklagt, dass das Angebot an SF-Büchern schlecht geworden sei und vor allem bei Heyne kaum noch anspruchsvolle Titel erscheinen. Aber die SF-Literatur in Deutschland besteht aus mehr als nur der Heyne-Reihe. Hinzu kommt, dass sich die Literatur in Inhalt und Form gewandelt hat, wie sie es schon immer tat. Es gibt auch heute noch mehr guten Lesestoff, als ein Leser allein schaffen kann. Und wir wollen natürlich dazu beitragen, dass das auch so bleibt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Die Lage der deutschen SF-Szene ist nicht ernst oder hoffnungslos. Sie verändert sich nur ständig.

 

 

Fantasyguide: Von welchen Autoren erwartet ihr in Zukunft Großes? Wer gewinnt den KLP 2005 und 2010 in der Kategorie »Bester Roman«? Und wo bleibt der zweite Eschbach?

 

ALIEN CONTACT: Einen zweiten Eschbach wird es nicht geben. Das ist ja genau das Besondere an guten Schriftstellern: Sie sind einzigartig. Dass Michael Marrak jetzt sehr erfolgreich ist, ist eine tolle Sache, aber er schreibt ganz andere Bücher als Andreas Eschbach. Es gibt mehrere Autoren, die großes Talent haben, wie zum Beispiel Andreas Gruber. Aber wer den KLP 2010 gewinnen wird ... wer weiß? Auch wenn man sich viel mit der Zukunft beschäftigt, kann man trotzdem nicht in die Zukunft blicken.

 

 

Fantasyguide: Was darf man von Shayol in Zukunft noch erwarten?

 

Alien Contact: Bei Shayol starten dieses Jahr zwei neuen Reihen. Mit »Das Automatenzeitalter« von Ri Tokko liegt der erste Band der »Utopisch-Phantastischen Bibliothek« bereits vor. Diese aufwändig produzierten Hardcover widmen sich vor allem seltener Vorkriegs-SF.

Dann startet im Spätsommer mit »Paria« eine zweite Belletristik-Reihe, die den Begriff »Phantastische Literatur« sehr breit interpretiert. In der soziologischen Definition ist ein Paria ein Mensch oder ein Tier, das am Rande der Gesellschaft lebt. In dieser Paperback-Reihe werden wir also Titel bringen, die für den literarischen Mainstream zu schräg oder zu extrem sind. Vorgesehen ist bisher eine überarbeitete Neuausgabe der Sammlung »Der fünfte Erzengel« von Andreas Gruber (eine Co-Produktion mit Medusenblut), und wir bemühen uns augenblicklich um die Rechte an Romanen von Poppy Z. Brite, Dietmar Dath, Joe R. Lansdale und Jeff VanderMeer. Welche Titel allerdings wann vorliegen werden, wird sich erst noch zeigen.

Ein besonderes Juwel wird ein Band von Kim Stanley Robinson sein, der ein hervorragendes Buch über Philip K. Dick geschrieben hat. Damit bekäme die Reihe »SF Personality« erstmals Zuwachs in Form einer Übersetzung.

 

 

Fantasyguide: Was erwartet ihr euch von der Anthologiereihe »Visionen«?

 

ALIEN CONTACT: Helmuth W. Mommers, der Herausgeber von »Visionen«, will ein neues Forum für die deutschsprachige Kurzgeschichte schaffen. Das Angebot an lesbaren Kurzgeschichten ist momentan einfach viel zu klein. Natürlich gibt es ALIEN CONTACT und NOVA sowie einige Fanzines und gelegentlich Anthologien in Kleinverlagen. Dennoch ist durch die Einstellung jeglicher Anthologien bei den größeren Verlagen eine schmerzliche Lücke entstanden. »Visionen« tritt nicht in Konkurrenz zu NOVA oder AC, sondern wird die Möglichkeiten erweitern. Vor allem geht es darum, endlich auch wieder konzentriert Texte von namhaften Autoren zu bringen. Shayol ist von Helmuth Mommers Engagement sehr begeistert, und wir tun alles, um ihn dabei zu unterstützen. Und natürlich hoffen wir darauf, dass auch die deutschen SF-Leser die Anthologiereihe gut aufnimmt.

 

 

Fantasyguide: Allgemein gilt das SF Genre als schwierig. Die Verkaufszahlen sind niedrig. Andererseits sind die Zuschauerzahlen der SF-Filme und Fernsehserien zum Teil überwältigend. Was macht die Buchbranche verkehrt?

 

ALIEN CONTACT: Eigentlich gar nichts. Die Buchbranche hat alles mögliche versucht, um die Film- und Fernseh-Fans zum Buch zu holen, sei es durch leicht zu lesende Buch-zum-Film-Ausgaben in großer Schrift, sei es durch Romanserien, die im gleichen Universum spielen, wie Star Trek oder Star Wars. Es ist halt einfacher, sich vor die Glotze zu setzen, als sich der Mühe zu unterziehen, ein Buch zu lesen. Man darf Filmzuschauer und Buchleser nicht in einen Topf werfen, das sind zwei ganz unterschiedliche »Spezies«. Vielmehr sollte man daran arbeiten, dass die Leser auch beim Lesen bleiben, aber das ist eben nicht so einfach.

 

 

Fantasyguide: Die Veröffentlichungssituation für Newcomer ist alles andere als rosig. Welchen Rat könnt ihr dem ungeduldigen Nachwuchs geben? Und welche Möglichkeiten bietet ihr unbekannteren Autoren?

 

ALIEN CONTACT: Der wichtigste Rat, den man dem Nachwuchs geben kann, ist es, sich in Professionalität zu üben. Das ist natürlich nicht so einfach. Andreas Eschbach gibt auf seiner Homepage www.andreaseschbach.de unter der Rubrik »Übers Schreiben« viele sehr wertvolle Tipps, die man durchweg beherzigen sollte. Er erläutert dort, wie man einen Text überarbeitet, wie eine Geschichte aufgebaut wird, wie man den richtigen Verlag findet und vor allem, wie ein Manuskript auszusehen hat, das man einzureichen gedenkt.

In ALIEN CONTACT geben wir unbekannten Autoren durchaus die Möglichkeit, etwas zu veröffentlichen. Aber wie schon erwähnt, gibt es nur sehr wenige Publikationsmöglichkeiten für Kurzgeschichten in Deutschland, so dass wir viel mehr Manuskripte bekommen, als wir veröffentlichen könnten. Das bedeutet, dass wir einen Vorlauf von fast einem Jahr haben. Autoren, die uns unaufgefordert Texte schicken, müssen sehr viel Geduld haben.

 

 

Fantasyguide: Was wünscht ihr euch für die Zukunft?

 

ALIEN CONTACT: Wir wünschen uns viele zufriedene Leser, die auch mal ein Lebenszeichen von sich geben, wenn ihnen was nicht passt. Wir wünschen uns einfallsreiche Autoren, die uns immer wieder in erstaunliche Welten entführen. Wir wünschen uns von der deutschen Politik bessere wirtschaftliche Bedingungen, damit man nicht nur darüber nachdenken muss, wie man die nächste Miete bezahlt, sondern auch darüber, wie sich die fernere Zukunft der Menschheit entwickeln wird.

 

Fantasyguide: Wir bedanken uns für das informative Gespräch.

 

Das Gespräch führte Michael Schmidt mit Hardy Kettlitz und Ronald Hoppe.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 20241013091011ff30e8de
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Erstellt: 03.05.2005, zuletzt aktualisiert: 11.07.2024 19:06, 188