Reihe: Das Volk der Nacht Bd.15
Rezension von Karl-Georg Müller
„Ischtar“ von Uwe Voehl ist Band 15 der Reihe „Das Volk der Nacht.“ Im sauber gebundenen Leinenband, der gar nichts gemein hat mit den vorbelasteten „Groschenheften“, widmet sich der Autor Ischtar, der amtierenden Hüterin des Kelchs, die es auf eine Art Parallelerde verschlagen hat. Dort verloren die Vampire langfristig nicht die Macht über die Menschen, und Ischtar, eine Vampirin mit viel Charme, aber auch mit einer ordentlichen Portion Blutdurst, sucht einen Weg zurück in ihre angestammte Welt.
Nach dem Prolog, der recht blutrünstig geraten ist, begegnen wir den alten Vampiren Ahrab und Zyn, die mit tragischem Ausgang um eine grässliche weibliche Gestalt buhlen. Danach begegnen wir der Vampirin Ischtar in sechs weiteren Kapiteln, die regelmäßig unterschiedliche Handlungschauplätze und Jahre ins Blickfeld nehmen. Ischtar treibt im Jahre 1869 im Arktischen Meer an Bord der „Northern Star“, die einige Seeleute später nicht mehr lebend verlassen werden. 1863 zieht es sie nach Benares in Indien, um dort ein ominöses Rätsel aufzulösen. 2002 sehen wir Ischtar in London, denn die dortige „Sippe“ agiert nicht wie erhofft; Zeit, dass Ischtar eingreift. In London begegnet sie auch Lilith und Jade, ihren beiden Gegnerinnen.
Im folgenden Kapitel sehen wir uns nochmals an Bord der „Northern Star“, deren Untergang sie mit Mühe entkommen kann. Sie rettet sich auf die „Great Eastern“, auf der eine Begegnung mit dem jungen Autor Jules Verne leidenschaftlich endet. Letztlich schließt sich 2002 der Kreis in Cornwall, denn Ischtar schließt einen Pakt mit ihren Rivalinnen, um gemeinsam einen sagenhaften Gegenstand in der Südsee zu finden. Er verspricht die Rückkehr zur wirklichen Erde …
Ich habe Uwe Voehls Roman zwischen einem Fantasy-Roman von Robin Hobb und einem Kriminalroman von John Sandford gelesen; beides anerkannte, na ja, Koryphäen in ihrem Metier. Kann ein solcher „Pulpfiction“-Roman wie „Ischtar“ dagegen überhaupt bestehen?
Natürlich! Und ebenso natürlich muss „man“ an eine solche Art der Literatur andere Maßstäbe anlegen. Dazu gehört, unsere einzigartig urdeutschen, sauertöpfischen Nörgelkanonaden aus der Rüstkammer der so genannten Literaturkritik, der ernsthaften, wegzuschließen und auf die Stärken eines Buches wie „Ischtar“ zu verweisen. Und diese Stärken besitzt es für mich ohne Zweifel.
Serien wie „Das Volk der Nacht“ leben von einer Mischung aus Spannung und abenteuerlicher, dabei meist exotischer, oftmals auch unerklärlicher Geschehnisse. Die Handlung muss schnell vorangetrieben werden; eine Atempause in Gestalt allzu ausführlicher Beschreibungen oder Charakterisierungen der Handlungsträger hemmt nur unnötig den Fortgang der Geschichte. Die Helden (und bei „Ischtar“ die Heldinnen) überstehen die unwahrscheinlichsten Ereignisse, ohne auf Dauer Schaden zu nehmen. Im Gegenteil, je tödlicher die überstandene Gefahr, umso mehr „wachsen“ die Protagonisten.
Uwe Voehls Roman erfüllt die genannten Ansprüche an die Gattung mit Bravour: „Ischtar“ offenbart keine seitenlangen Schilderungen, die den Lesefluss ins Stocken bringen – es wird stattdessen stetig agiert, die Handlung treibt pausenlos weiter voran. Dabei gelingt es Uwe Voehl, Ischtar ein Profil zu verleihen, das sie vornehmlich durch ihre Handlungen gewinnt. Sie wirkt lebendig, soweit dies bei einer Vampirin behauptet werden kann.
Und es entwickelt sich eine Handlung, die Lust auf die weiteren Bände macht. Insbesondere das ambivalente Verhältnis der drei Frauen macht neugierig, zudem ein latent sexuelles Motiv zumindest angedeutet wurde, aber noch auf seinen Ausbruch wartet.
Bücher wie „Ischtar“ sind eine im positiven Sinn entspannende Lektüre, die für mich durchaus zwischen den Genuss der dicken Wälzer einer Robin Hobb passt. Denn muss es immerzu ein Roman von Stephen King sein? Sicherlich nicht, weil es genügend „andere“ Autoren der Horrorliteratur gibt, die ihr Handwerk verstehen. Das mag nicht das Kriterium einer „ernsten“ Literatur erfüllen – aber ich trinke auch manches Mal einen preiswerten Roten aus dem Supermarkt. Süffig ist der allemal …
Eine der erwähnten „sauertöpfischen“ Anmerkungen verbreite ich aber doch: Wortwiederholungen („doch“ und „dann“ sind die beliebten Beispiele) könnten doch recht einfach vermieden werden. In ein paar Abschnitten war dies doch sehr augenfällig, und das hätte doch besser gemacht werden können …
Auf der gut strukturierten Homepage www.dasvolkdernacht.de habe ich im Übrigen erfahren, dass es sich bei „Das Volk der Nacht“ um die Neuauflage und um Folgebände ergänzte Vampira-Serie aus dem Bastei-Verlag handelt. Parallel zu den 16 Bänden der „Classics“-Serie erscheinen alle zwei bis drei Monate neue Romane wie „Ischtar.“
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