John Carpenters The Ward (DVD; Horror; FSK 18) (Kopie 1)
 
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John Carpenters The Ward (DVD; Horror; FSK 18)

Rezension von Torsten Scheib

 

Rezension:

Warum Horror-Ikone John Carpenter ein geschlagenes Jahrzehnt vom Radar der Öffentlichkeit verschwunden ist (die zwei Beiträge für die Masters of Horror-TV-Serie lassen wir einfach mal außen vor), wird wohl niemals absolut zufrieden stellend geklärt werden. Vielleicht war es eine angeschlagene Gesundheit, eventuell aber auch die vernichtenden Kritiken für Carpenters letzten abendfüllenden Spielfilm, Ghosts of Mars (2001). Nach der, zugegebenermaßen, trashigen Zusammenführung von Science Fiction-, Horror- und Westernelementen war leider auch die Frage gestattet, ob der Schöpfer von Mike Myers und Snake Plissken nun endgültig sein letztes Pulver verschossen hatte. Aber gerade die danach anbrechende, Carpenter-freie Zeit bewies, wie wertvoll der Mann, selbst in durchschnittlicher Form, für das Genre sein kann. Bester Beweis dafür sind die diversen Neuauflagen seiner alten Streifen, die zwar durchaus der Vorlage huldigten, mitunter aber auch zu einem peinlich-blutleeren Kasperletheater verkamen (etwa die Neuauflage von

The Fog – Nebel des Grauens aus dem Jahre 2005). Ähnliches kann aber auch über weite Teile des zeitgenössischen Horrorkinos selbst behauptet werden. So lobenswert die vor ein paar Jahren initiierte Rückkehr zum gnadenlosen Terrorkino der 1970er auch gewesen sein mag, so erbarmungslos wurde sie, besonders in jüngster Vergangenheit, förmlich ausgeschlachtet oder besser – ausgebeutet. Höher, schneller, weiter oder in diesem Falle krasser, blutiger, verstörender und somit auch sinnentleerter. Was etwa die Saw-Reihe über weite Strecken sehr gut in Einklang brachte – extrem brutale Szenen und schier unerträgliche Spannung – wurde von den Scharen wesentlich talentloser Filmemacher zumeist zur sinnfreien Angelegenheit, welche den Zuschauer zudem kalt ließ. Aber auch viele Regisseure, die mehr auf Atmosphäre denn auf abgetrennte Gliedmaßen setzten, bewiesen fehlende Sachkenntnis. Vielleicht, weil die junge Generation der selbsternannten Schreckensmacher einfach nicht mehr mit Carpenters Werken vertraut ist. Wenn das also nicht Grund genug ist für ein Comeback …?

 

Und es dauert nur ein paar Minuten, bis sich eine Art Déjà-vu-Erlebnis einstellt – der höchst angenehmen Sorte. Der Einsatz von simplen, aber ungemein effektiven Lichteffekten, knappe Einstellungen mit maximaler Aussagekraft, dazu eine (noch) subtile musikalische Untermalung – wohl kein zweiter schafft mit so wenig so viel; ist alleine die Bildsprache während des Vorspanns aussagekräftiger als bei vielen von Carpenters Berufsgenossen. Natürlich wird man sich an »The Fog« erinnern. Oder Halloween . Freilich wird hier Vertrautes und Bekanntes präsentiert; darf auch gerne von Selbstzitierung gesprochen werden. Aber dies ist nun mal die Arbeitsweise eines John Carpenter: minimaler Einsatz, maximale Ausbeute. Und da es den Wenigsten bislang gelungen ist, ähnlich visuelle Pfade zu beschreiten, mehr als legitim – und der erste dicke Pluspunkt des Films.

Natürlich hat sich Carpenter auch bei The Ward seiner liebsten Thematik angenommen; jenes Subjekts, dass ausnahmslos alle seine Filme gemein haben: Isolation. Umso erstaunlicher, dass keiner von seinen bislang 27 Filmen in einer Nervenheilanstalt gespielt hat (Beginn und Ende von Mächte des Wahnsinns zählen nicht). Welcher Ort eignet sich denn besser? Dabei entzieht sich Carpenter bewusst den Stolperfallen der Neuzeit – Stichwort moderne Technik; insbesondere Handys –, in dem er die Handlung von »The Ward« bewusst in die 1960er verpflanzt. Ebendort wird die junge Kristen (Amber Heard) in besagte Klinik eingeliefert; völlig verwirrt, völlig außer sich. Viel weiß man nicht über sie – außer, dass sie ein altes Farmhaus in Brand gesetzt hat. Doch weshalb? Fragen auf Fragen, die der Leiter des Instituts, Dr. Stringer (Jared Harris), herausfinden möchte – und freilich das geistige Wohl seiner blonden Patientin wiederherstellen. Aber Kristen ist kein Einzelfall, neben ihr befinden sich die schüchterne Emily (Mamie Gummer– übrigens die Tochter der frischgebackenen OscarpreisträgerinMeryl Streep), die forsche Sarah (Danielle Panabaker), die schüchtern-kindliche Zoey (Laura-Leigh) und die etwas bieder wirkende Iris (Lyndsy Fonseca) in der gleichen Lage. So ungleich die jungen Frauen, so differenziert fällt auch der erste Empfang aus – teils freundlich, teils ziemlich kalt. Und die strenge Schwester Lundt (Susanna Burney) sowie der durchtriebene Pfleger Roy (Dan Anderson) heben auch nicht gerade die Stimmung. Zunächst nimmt der triste, und besonders auf Kristen reichlich sinnlos erscheinende Alltag seinen Lauf – bis sie eines Nachts eine schreckliche, geisterhafte Vision hat. Nebenprodukt ihrer Therapie oder doch mehr? Vorsichtig spricht sie daraufhin ihre Mit-Patientinnen an, die ihnen ein grausiges Geheimnis offenbaren. Offenbar ist Kristens Vorgängerin spurlos verschwunden und ihr Verbleib ungeklärt. Ist es möglich, dass des Nachts ein Geist durch die Flure der Anstalt schwebt; ein von Rache getriebenes Phantom, das auch auf Unschuldige keine Rücksicht zu nehmen scheint? Da verschwindet Iris …

 

Wie schon zuvor erwähnt, geht Carpenter mit »The Ward« bewusst zurück zu seinen Wurzeln – und damit in jene Gefilde, die ihm am Vertrautesten sind. Wo andere über das bescheidene Budget von 10 Millionen Dollar gejammert hätten, verliert der Altmeister kein Wort. Wozu auch? Nehmen wir beispielsweise die titelgebende Anstalt. Anstelle von teuren Sets setzte Carpenter auf Authenzität und drehte tatsächlich in den aufgegebenen Räumlichkeiten des Eastern State Hospital im Bundesstaate Washington. Und die Lebensnähe lohnt sich: zusammen mit dem gekonnten Einsatz klassischer Hell-/Dunkeleffekte sowie einer überzeugenden Farbpalette entsteht eine herrlich altmodische, dennoch authentische Atmosphäre; wird aus der Nervenheilanstalt der 60er Jahre das Gegenstück zu den Spukschlössern und verwunschenen Herrenhäusern des 19. Jahrhunderts. Gerade hier beweist Carpenter mit beachtlicher Präzision, weshalb ihm bislang nur die Allerwenigsten in diesem Bereich das Wasser haben reichen können. Wo heutzutage erstmal alles nüchtern gefilmt und die Schrecken erst danach am Rechner eingefügt werden (und das zumeist nicht überzeugend, da vieles auf dem Weg verloren geht) vertraut Carpenter auf die praktische Seite. So ist sein Phantom kein Computergeschöpf, denn das Werk von Makeup-Spezialisten, wenngleich er sich auch hier angenehm zurückhält und mit der Furcht vor dem Unbekannten spielt. Ebenfalls mit versierter Expertise.

Von daher wirken die bewusst eingefügten Gewaltsequenzen – unter anderem Elektroschocks und Lobotomien – umso heftiger, wenngleich die FSK 18 dennoch ein schlechter Witz ist, verglichen mit der weitaus ungestümeren Konkurrenz. Freilich erzählt »The Ward« einen Plot, der jedem Genre-Kenner vertraut sein wird – inklusive der Auflösung. Doch wer bereits von Beginn an mit dieser Einstellung an den Film rangeht, der sollte ihn erst gar nicht sehen. »The Ward« ersucht förmlich darum, dass man sich auf ihn einlässt. Wer dies tut, wird auch belohnt. Natürlich, da und dort liebäugelt Carpenter durchaus zu sehr mit den Klischees; gemahnt Susanna Burneys Darstellung doch zu deutlich an Oberschwester Mildred Ratched aus Einer flog über das Kuckucksnest (1975), ebenso wie sich Dan Andersons Pfleger bisweilen zu tyrannisch und zu aufgegeilt gibt und vage an Sarah Connors Peiniger in Terminator II (1991) erinnert. Dafür kann Carpenter auf einen gesunden Gegenpart bauen; darf der noch immer sträflichst unterschätzte Brite Jared Harris mal wieder beweisen, wie viel er von seinem oscarnominierten Vater Richard gelernt hat. Einfach wunderbar, mit welcher Mehrdeutigkeit er den Zuschauer – und auch seine Patientinnen – immer wieder aufs Glatteis führt. Selbst bis kurz vor der Auflösung bleibt sein Charakter herrlich undurchschaubar; muss man sich die Frage stellen, ob er nun auf Kristens Seite ist oder andere Ziele verfolgt.

Apropos: die Hauptdarstellerin ist mit Amber Heard nicht nur prominent sondern auch relativ gut besetzt. Man merkt, dass die 25jährige Texanerin sowohl mit den Genrekonventionen vertraut ist, als auch aus Überzeugung derlei Rollen annimmt – wobei man auch dem Rest der »Mädels« attestieren kann, grundsolide Leistungen vollbracht zu haben. Kein Wunder also, dass die eine oder andere aus diesem Quartett bereits die nächsten Stufen der Karriereleiter hat erklimmen dürfen.

Zum Abschluss vielleicht noch ein paar Worte zum Ende, das sicherlich ein Grund für die zahlreichen negativen Kritiken war: es ist durchaus weder neu noch gänzlich überraschend, komplettiert jedoch das Gesamtwerk vortrefflich – wenn man eben bereit ist, sich darauf einzulassen. Wer sich an Martin Scorseses Shutter Island (2010) erinnert fühlt, der irrt natürlich nicht. Nur das Carpenters Auflösung viel harmonischer daherkommt, als das erzwungene Finale seines Kollegen.

Zur DVD: das Bild ist sehr farbkräftig und betont daher Carpenters Herangehensweise, wobei der eine oder andere Schwarzwert schon mal etwas übers Ziel hinausschießt. Im Tonbereich müssen leider Abstriche gemacht werden, da etwas mehr Räumlichkeit der Atmosphäre gewiss gut getan hätten. Die Extras sind das Übliche: Audiokommentar von Carpenter (leidlich informativ), Interviews en masse, B-Rolls und diverse Trailer.

 

Fazit:

Ein wunderbar altmodischer Grusler, der gerade deswegen aus dem wackligen Handkamera-Einerlei der Konkurrenz deutlich hervorsticht. Carpenter vertraut sich auf alte Tugenden: herrlich lange Kamerafahrten, klare Bildsprache, tolle Atmosphäre. Zwar entpuppt sich »The Ward« nicht gerade als Meisterwerk, ist aber trotzdem eine mehr als überzeugende Rückkehr des Horror-Altmeisters.

Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404250814056e7c9c6a
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DVD:

John Carpenters The Ward

Originaltitel: The Ward

USA, 2010

Regie: John Carpenter

Format: Dolby, DTS, PAL, Widescreen

Sprache: Deutsch (Dolby Digital 5.1), Deutsch (DTS 5.1), Englisch (Dolby Digital 5.1)

Untertitel: Deutsch

Region: Region 2

Bildseitenformat: 16:9 - 2.35:1

Umfang: 1 DVD

FSK: 18

Concorde Video, 16. Februar 2012

Spieldauer: 85 Minuten

 

ASIN (DVD): B0065V6B8S

ASIN (Blu Ray): B0065V6BC4

 

Erhältlich bei Amazon

 

Darsteller:

Amber Heard

Mamie Gummer

Danielle Panabaker

Laura-Leigh

Lyndsy Fonseca

Jared Harris

Sali Sayler


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Erstellt: 04.03.2012, zuletzt aktualisiert: 10.09.2023 10:58, 12382