Kolumne: A star is born
 
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Kolumne: A star is born

Autor: Holger M. Pohl

 

Manchmal denkt man, die sonst so ernsthaft erscheinende literarische Welt ist doch nicht so verschieden vom wirklichen Leben, wie sie es sich manchmal wünscht oder es vorgibt.

Fernsehland auf, Fernsehland ab wird in irgendeiner der unsäglichen Casting-Shows jemand gesucht: die einen suchen den Star der Superlative, die anderen das Talent der Talente, die Dritten die neuen Sterne des Pop. Die literarische Welt lässt sich nicht lumpen und sucht den Superstarautor.

Wie es sich gehört, startet man dafür entsprechende Werbekampagnen: man sorgt für öffentliche Auftritte in Funk und Fernsehen, lanciert Lobeshymnen in Form von Zeitungsartikeln, dreht reichlich amüsante (und amüsant kommt in dem Fall von „herzlich drüber lachen“) You-Tube-Videos …

 

Die Massen werden aufmerksam. Manchmal dummerweise auch Massen wie ich. Schließlich will ich die Geburtstunde des neuen Superstarautors um nichts in der Welt versäumen. Schon gar nicht, wenn er möglicherweise aus meinem Lieblingsgenre, der Phantastik, kommt.

 

Aber mich beschleicht bei solchen Casting-Shows immer wieder ein ungutes Gefühl: Weiß der Mensch auf der Bühne, wem oder was er sich mit seinem öffentlichen Auftritt aussetzt? Und je jünger die Menschen auf der Show-Bühne sind, desto unguter wird das Gefühl. Und zur ersten Frage gesellt sich eine zweite Frage: Steht der Mensch – oder das Menschlein – da freiwillig auf der Bühne oder wurde es da hingestellt?

 

Jeder öffentliche Auftritt wird beurteilt. Von einer Jury, von einem Publikum, von Lesern, von Kritikern. Wer freiwillig auf die Show-Bühne geht, von dem erwarte ich, dass er weiß, wie er mit einem solchen Urteil umzugehen hat – egal wie hart es sein mag. Ich wünsche mir nur manchmal, ein guter Freund hätte vorher gesagt: „Lass es besser! Da kommt nichts Gutes dabei raus!“

Hat man es ihm gesagt und er hört nicht drauf … sein Problem!

 

Was aber ist mit jenen, die die Bühne nicht freiwillig betreten? Die dorthin bugsiert werden, weil irgendjemand sich so etwas wie Geld oder Ruhm oder Ansehen davon verspricht? Weil ihr Umfeld sie ganz persönlich auf die Bühne geschubst hat? Diese Unfreiwilligen haben bislang nur eines gehört: „Du bist toll! Dich haben wir gesucht! Wir machen was aus Dir!“ Vielleicht glauben sie das mittlerweile sogar. Und nun kommt plötzlich Gegenwind …

 

Gegenwind in Form von Meinungen, die sich anders anhören, als das, was man diesen Sternen bislang einredete. Es kommen harte Worte, die diese Sterne so nicht gewohnt sind. Es kommen Kritiken, die bislang keiner äußerte. Und doch sind es vielleicht objektivere Meinungen, Worte, Kritiken als die, die durch die Verwandtschaftsbrille oder die Talerbrille getönt sind.

 

Von Erwachsenen erwarte ich, dass sie damit umgehen können … weitestgehend zumindest. Aber was soll ich von einem Kind erwarten, das sieben … neun … elf … dreizehn Jahre alt ist? Ihre Persönlichkeit ist noch lange nicht so gefestigt wie die eines Erwachsenen (oder zumindest der meisten Erwachsenen). Sie müssen Häme und Spott aushalten, die wahrscheinlich gar nicht für sie gedacht sind. Sondern viel mehr für jene, die sie auf die Bühne gestellt haben. Da die aber schön vorsichtig im Hintergrund bleiben (es sei denn, sie können sich damit profilieren) … treffen Häme und Spott die Falschen. Diese allzu schnell leuchtend hell strahlenden und bedauerlicherweise allzu oft ebenso schnell wieder verglühenden Sterne tun mir Leid.

 

Den Sternentfachern ist das aber gleichgültig. Im Universum werden jeden Tag Sterne geboren und vergehen wieder. Also was soll’s? Irgendein Stern wird es schon schaffen, länger, strahlender und profitabler zu leuchten. Was kümmern da die zehn, zwanzig Jungsterne, die zu schnell verglüht sind? Aus denen mit etwas Geduld, mit etwas Fürsorge, mit etwas Verantwortung vielleicht kein großer Stern, aber doch ein Sternchen hätte werden können? Es ist der eine leuchtende Stern, der Profit bringt, der zählt … der Rest ist dunkle Materie im Casting-Kosmos. Verglühte, nutzlose Sternasche.

 

Ob man den Stern nun Talent der Talente, Star der Superlative, Stern des Pops, Superstarautor nennt, spielt keine Rolle. Für mich sind all jene, die andere aus eigensüchtigen Gründen auf die ko(s)mische Bühne der Casting-Shows stellen, weil sie sich im Licht von deren erhofften Erfolgen sonnen wollen, hemmungslose und verantwortungslose Zeitgenossen – gleichgültig wie nah oder fern sie dem Sternchen stehen. Das Einzige, was bei den wunder-baren Ergüssen der armen Bloßgestellten interessiert ist das BareWunder erkennt man nämlich höchst, höchst selten. Da hilft weder Vitamin B noch Vitamin G.

 

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Erstellt: 23.12.2009, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 9779