Kolumne: Ab in die Ecke!
 
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Kolumne: Ab in die Ecke!

Autor: Holger M. Pohl

 

Neulich in einem nicht ganz unbekannten Forum, das ich wie viele andere Foren immer wieder gerne besuche. Zum einen natürlich weil es interessante Themen gibt. Zum anderen aber auch aus Gründen der Inspiration … für meine Kolumne …

 

Da meinen doch manche seltsamen Stimmen, dass Kleinverlage nur Hobbybetriebe seien; dass dort nahezu ausschließlich Autoren veröffentlichen, die nicht bei „richtigen“ Verlagen untergekommen sind, weil sie ja nur Hobbyautoren – und dazu noch schlechte - sind; dass Verkaufszahlen zwangsläufig immer etwas mit hoher Qualität und hohem Niveau zu tun haben – und Kleinverlage daher zwangsläufig schlechte Qualität und schlechtes Niveau liefern. Wenn ich so etwas lesen, dann frage ich mich: Ja geht’s noch? Ja sicher geht’s noch tiefer im Niveau. Aber in diese Niederungen will ich nicht hinabsteigen. Ich kann es nicht …

 

Wenn ich Aussagen wie die obigen lese, dann stellen sich mir die Nackenhaare zu Berge, mein Magen dreht sich um und ich bekomme Anfälle. Nicht nacheinander, sondern gleichzeitig.

 

Wer Kleinverlage in diese Ecke stellt, hat viele Dinge nicht verstanden. Wer Autoren, die bei Kleinverlagen veröffentlichen, in diese Ecke drängt, der hat wahrscheinlich einen Lese- und Kaufhorizont, der über die Läden der großen Buchhandelsketten und die Heftchen-Regale und -Ständer der Bahnhofsbuchhandlungen nicht hinausreicht. Wer Kleinverlage und ihre Autoren auf diese Art und Weise betrachtet … der hat Null Ahnung davon, was diese Verlage und ihre Autoren leisten.

 

Die deutschsprachige Phantastik-Szene – insbesondere die der SF – tummelt sich nicht in den goldenen Hallen der großen Publikumsverlage. Dort tummeln sich jene, von denen die Verlage sich Profit versprechen. Oft genug – und gerade bei der SF – ist deutsch nicht ihre Muttersprache. Was nichts heißen soll … aber die deutschsprachige Phantastik ist in diesen Hallen eher seltener anzutreffen. Weil die großen Publikumsverlage lieber auf sichere und einträgliche Banken setzen. Die Inhaber, Aktionäre und Teilhaber haben wenig Interesse daran, Experimente zu starten. Sie haben das EURO-Zeichen in den Augen. Und nebenbei müssen ja auch die Angestellten bezahlt werden. Man setzt gern auf anerkannte Größen der Schreibszene … Aufbauarbeit überlässt man anderen.

 

Den Kleinverlagen zum Beispiel. So wie man ihnen auch gerne alles überlässt, was nicht ins eigene Programm passt. Weil daran nichts zu verdienen ist. Deutschsprachige Phantastik – und insbesondere SF – zum Beispiel. Ausnahmen bestätigen sicher die Regel, lassen sich aber an wenigen Fingern von zwei Händen abzählen. Ohne die Kleinverlage und ihre Autoren gäbe es vielleicht gar keine Szene der deutschsprachigen Phantastik. Für Leute mit dem oben genannten begrenzten Lese- und Kaufhorizont mag das in Ordnung sein. Für mich – und viele, viele andere – ist es das nicht. Wir sind froh, dass es diese Verleger und ihre Autoren gibt. Bieten sie uns doch etwas, was die großen Publikumsverlage nicht bieten können oder wollen: Vielfalt auch jenseits der ausgetretenen Pfade.

 

Wer Kleinverlage und ihre Autoren als Hobbybetriebe und Hobbyautoren bezeichnet, der hat in aller Regel keine, aber auch nicht die geringste Ahnung von dem, was diese leisten. Nicht alles im Leben ist Hobby, was kein Geld sondern nur Arbeit und Mühe mit sich bringt.

 

Wenn ein Kleinverleger mehr oder weniger alles in seiner Freizeit macht, in dieser Freizeit seine Produkte präsentiert, sein Programm vorbereitet, lektoriert … dann hat das nichts mehr mit Hobby zu tun. Berufung trifft das in meinen Augen viel besser! Und Beruf kommt von Berufung. Nur dass er mit diesem Beruf seinen Lebensunterhalt (noch) nicht bestreiten kann.

 

Wenn ein Autor Stunden, Tage, Wochen, Monate damit zubringt, ein Manuskript zu verfassen, zu überarbeiten, noch einmal zu überarbeiten und es dann einem Verlag anbietet und schließlich bei einem Kleinverlag unterkommt – weil die großen Publikumsverlage leider nicht bereit sind ein Risiko einzugehen –, dann kann man ihn nicht als Hobbyautoren bezeichnen. Auch für ihn ist es ein Beruf … und Beruf kommt von Berufung.

 

 

Wer seinen Lese- und Kaufhorizont nicht über die Filialen der großen Buchhandelsketten hinaus erweitern will, der soll es lassen. Wer über deutsche Phantastik – und insbesondere SF – nicht mehr erfahren will, als das, was er in Heftchen-Regalen oder -Ständern findet, der soll es lassen. Aber lasst dann bitte auch eines: irgendwelche herabwürdigenden Äußerungen über Kleinverlage und ihre Autoren zu machen. Im Grunde kann ich diesen seltsamen Stimmen nur eines empfehlen: Macht Eure Engstirnigkeit zu Eurem Beruf, denn anscheinend fühlt Ihr Euch dazu berufen.

 

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404180541250fa85674
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Erstellt: 20.08.2009, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 9059