Kolumne: Das könnte Ihnen so passen
 
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Kolumne: Das könnte Ihnen so passen

Autor: Ralf Steinberg

 

Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe eine Kolumne für den Fantasyguide und Sie lesen nun gerade genau das was ich schrieb.

Würden wir uns in Facebook befinden, so wie es nächste Woche relauncht zu bewundern ist, könnten Sie gleich noch betrachten, welche Internet-Seiten ich so besuche und was ich gerade irgendwo im Netz hinterließ.

Zumindest ist das der Plan des größten Social-Networks der Welt. Augenblickliche Aktualisierungen der Profile und Links - Facebook bemüht sich das schnelle Bloggen Twitters in seine Kommunikationsströme einzubauen, um so zu einem "Aufmerksamkeitsverteiler" zu werden.

Vermutlich ist es uns noch gar nicht richtig klar, welche große Lawine gerade im Web 2.0 auf die Server stürzt, wie stark sich momentan die digitale Welt verändert. Es mag auch altersbezogen sein, dass nicht jeder etwas davon mitbekommt. Doch gerade die unter 25jährigen sind in die digitale Kommunikation aufgegangen und nutzen sie mit einer exzessiven Selbstverständlichkeit, so wie wir vielleicht das Radio einschalten.

Wo wird uns diese alles durchdringende Vernetzung unseres Soziallebens hinführen?

Eine Comunity wie die von Facebook lebt von den Interaktionen. Es werden Kontakte geknüpft, weiterverlinkt, empfohlen, katalogisiert und das alles jederzeit einsehbar. Das eigene Facebookprofil stellt für viele Menschen inzwischen ihre Schnittstelle zur Welt dar. Was in diesem Profil steht, ist die Grundlage, wie andere mich sehen, die mich nicht wirklich sehen, sondern nur mein digitales Alter Ego. Aber besonders bei Jugendlichen gibt es da gar keine Unterscheidung mehr. Es fehlt die Scheu, sich im Netz zu offenbaren, es würde den Sinn der Profile sogar zuwiderlaufen, denn wie soll ich online Freunde finden, die zu mir passen, wenn jeder lügen würde?

Dabei entsteht eine gläserne Bevölkerungsgruppe, die das ganz freiwillig selbst macht. Es gibt keine Verhöre, keine Folter, um intime Details zu erfahren. Der moderne Mensch hat gar keine Geheimnisse mehr. Sie suchen jemanden um über gelbe Schmetterlinge zu reden? Tragen Sie es nur korrekt in Ihr Profil ein und in Nullkommanix finden Sie Gleichgesinnte oder werden von Ihnen gefunden.

So langsam kommt auch die Wirtschaft dahinter, welches Potential in diesen Netzwerken steckt. Da ist eine Menschenmenge, die jedes ihrer Bedürfnisse lauthals verkündet, man muss nur hingehen und die Zielgruppe direkt ansprechen. Crowdsourcing nennt sich das dann und geht sogar noch weiter. Warum nicht die Agilität der Web 2.0-Anwender für die eigene Firma nutzen? Nie war es leichter an die Zielgruppe heranzutreten und sie zu befragen. Wer sein Facebook-Profil täglich pflegt, antwortet selbstverständlich, was ihm an dem und dem Produkt gefällt und warum. Und noch viel lieber arbeitet er mit an der Verbesserung seines Lieblingsproduktes. Eine Firma, die hier geschickt agiert, baut eine Produktbindung auf, die wesentlich stabiler wirkt, als etwa über Fernsehwerbung zu erreichen ist, denn sie ist in erster Linie bidirektional und sogar noch mehr. Ohne Probleme kann ich erfahren, was meine Kunden noch alles so treiben. Amazon macht es vor. Mit jedem verkauften Buch, wird die persönliche Seite präziser, Empfehlungen immer passender. Und nun stellen sie sich das für alle Bereiche vor bis hin zur Politik. Mein Abgeordneter bindet mich in die Erstellung seines Wahlkampfprogrammes ein - klar wähle ich ihn dann, so wie ich das Album der Band kaufen würde, bei deren Produktion ich beteiligt war.

Doch vielleicht bin ich paranoid. Ich mag es nicht, wenn jemand mir sagt, er wisse was ich will. Ich befürchte, dass die Offenheit der Nutzer nicht belohnt wird. Eher sehe ich, dass die Konzerne ihre Angebote so verlockend perfekt auf mich zuschneiden, mich so fest an sich binden, dass ich abhängig werde. Vielleicht ohne es zu merken, vielleicht bin ich sogar glücklich dabei. Aber wenn ich meine Entscheidungen nicht mehr frei treffe, sondern gelenkt durch eine unkontrollierbare Vorauswahl, wenn ich anfange, zu glauben, dass diese profilgenerierten "Das könnte zu Ihnen passen" wirklich zu mir passen, dann werde ich zu einem jener Konsumenten, wie sie in "Eine Handvoll Venus und ehrbare Kaufleute" von Frederik Pohl und C. M. Kornbluth bereits vor 50 Jahren vorhergesagt wurden.

Dann wird aus Crowdsourcing Crowdcontrol und das könnte Ihnen so passen, steht gerade in Ihrem Facebookprofil.

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Oje, das hat nicht geklappt, Elfenwerk! 202404181216204b6a196d
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Erstellt: 06.03.2009, zuletzt aktualisiert: 26.06.2022 18:51, 8371